Zum zweiten Mal in Folge

„Keine Debatte“: EZB lässt Leitzins bei 4,5 Prozent

Die Präsidentin der Europäischen Zentralbank Christine Lagarde hat am Donnerstag bestätigt, dass der Leitzins weiter bei 4,5 Prozent bleiben wird.
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Die Europäische Zentralbank lässt die Zinsen im Euro­raum zum zweiten Mal in Folge unverändert. Der Leitzins, zu dem sich Banken frisches Geld bei der Notenbank besorgen können, bleibt nach einer Entscheidung des EZB-Rates bei 4,5 Prozent, teilten die Währungshüter mit.

Frankfurt – Die Euro-Währungshüter dämpfen trotz deutlich gesunkener Inflation die Hoffnung auf baldige Zinssenkungen. „Es gibt noch viel zu tun“, sagte die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, am Donnerstag im Anschluss an die letzte Sitzung des EZB-Rats in diesem Jahr. „Wir haben überhaupt nicht über Zinssenkungen diskutiert. Keine Diskussion, keine Debatte über dieses Thema.“

Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) dagegen hatte auf ihrer jüngsten Sitzung Zinssenkungen im kommenden Jahr in den USA in Aussicht gestellt. Im Euroraum bleibt der Leitzins, zu dem sich Banken frisches Geld bei der EZB besorgen können, vorerst unverändert bei 4,5 Prozent. Volkswirte warnten davor, die Zinsen zu früh wieder zu senken. Es gebe nach wie vor Inflationsrisiken, sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest: „Das sind vor allem die derzeit kräftig steigenden Löhne, die insbesondere bei Dienstleistungen zu höheren Preisen führen.“

Auch Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer mahnte, die EZB dürfe nicht „wegen ein paar überraschend niedriger Inflationsdaten einknicken“. Das Inflationsproblem sei „noch lange nicht gelöst“.

Teuerungsrate 2023 bei 5,4 Prozent

Die Inflation im Euroraum wird nach Einschätzung der EZB zwar schneller zurückgehen als vor drei Monaten erwartet. Lagarde mahnte dennoch: „Wir sollten auf keinen Fall unsere Wachsamkeit verringern.“

Für heuer rechnet die Notenbank nun mit einer Teuerungsrate von 5,4 Prozent. In ihrer September-Prognose war die EZB von 5,6 Prozent ausgegangen. Für 2024 wird eine schwächere Teuerungsrate von 2,7 (September-Prognose: 3,2) Prozent vorausgesagt. Die EZB strebt für den Währungsraum der 20 Länder mittelfristig ein stabiles Preisniveau bei einer jährlichen Teuerungsrate von 2 Prozent an. Sinkt die Inflation schneller, könnte das Spielräume für Zinssenkungen eröffnen.

Sparer bekommen das bereits zu spüren. Erstmals seit rund eineinhalb Jahren sanken die Zinsen für Erspartes auf dem Festgeldkonto nach Daten des Vergleichsportals Verivox wieder. Allerdings ist das Niveau immer noch vergleichsweise hoch. Zum Stichtag 11. Dezember erhielten Sparer den Verivox-Daten zufolge für 10.000 Euro bei Festgeld mit zwei Jahren Laufzeit im Schnitt 3,35 Prozent Zinsen bei deutschlandweit aktiven Banken. Anfang November waren es noch 3,39 Prozent.

Nach einer beispiellosen Serie von zehn Zinsanhebungen in Folge im Kampf gegen die hohe Inflation hatten die Euro-Währungshüter im Oktober die Zinsschraube erstmals nicht weiter angezogen. Höhere Zinsen verteuern Kredite, was die Nachfrage bremsen und hohen Teuerungsraten entgegenwirken kann. Teurere Kredite sind zugleich eine Last für die Wirtschaft, weil sich kreditfinanzierte Investitionen verteuern.

Die Konjunkturaussichten für den Euroraum haben sich inzwischen eingetrübt. Die Wirtschaft wird nach der neuesten EZB-Vorhersage heuer um 0,6 Prozent wachsen. Im September war die Notenbank von 0,7 Prozent ausgegangen. Im kommenden Jahr soll die Wirtschaftsleistung um 0,8 Prozent zulegen (September: 1,0).

Volkswirt: Zinssenkung nur mehr bis Mitte 2024

Nach Einschätzung von Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank, wird sich die Tür für Zinssenkungen im kommenden Jahr „sperrangelweit“ öffnen: „Die wirtschaftliche Entwicklung innerhalb der Eurozone ist schwach und wird auch schwach bleiben, gleichzeitig werden die Inflationsraten weiter fallen.“ Gitzel hält es für wahrscheinlich, dass die EZB mit einer Zinssenkung aber noch bis zur Jahresmitte 2024 warten wird.

Der Einlagenzins, den Banken für geparkte Gelder erhalten, verharrt nach der jüngsten Entscheidung des EZB-Rats bei 4,0 Prozent. Dies ist das höchste Niveau seit Bestehen der Währungsunion 1999.

Zugleich beschlossen die Währungshüter, ihre Anleihebestände aus dem in der Coronapandemie aufgelegten Kaufprogramm PEPP in der zweiten Jahreshälfte schrittweise abzubauen. Zum Jahresende 2024 sollen dann gar keine Gelder aus auslaufenden Wertpapieren des Kaufprogramms mehr in den Erwerb neuer Wertpapiere gesteckt werden. Den Kauf frischer Anleihen im Rahmen des Programms hatte die Notenbank bereits im März 2022 beendet. (APA, dpa)

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