Weitere Warnstreiks geplant

KV-Verhandlungen im Handel: Sechste Runde ohne Ergebnis, Warnstreiks gehen weiter

Die KV-Gespräche ziehen sich bereits über mehrere Wochen und waren von Betriebsversammlungen, öffentlichen Kundgebungen und Warnstreiks im Weihnachtsgeschäft begleitet.
© APA/TOBIAS STEINMAURER

Laut Handelsobmann Trefelik seien die Verhandlungen an „wirtschaftlichen Rahmenbedingungen" gescheitert. Die Gewerkschaft hingegen kritisiert die „Hinhaltetaktik" der Arbeitgeber.

Wien – Im Handel zeichnet sich heuer kein Weihnachtsfrieden ab. Auch die sechste Verhandlungsrunde zum neuen Handelsangestellten-KV endete in der Nacht auf Samstag ergebnislos. Gewerkschaft und Wirtschaftskammer einigten fanden bei einem fast zehnstündigen Verhandlungsmarathon keinen Abschluss. Ein neuer Termin fehlt. Kommende Woche sind neue Warnstreiks und Kundgebungen geplant. Ein Wifo-Experte plädiert für einen durchschnittlichen Abschluss unterhalb der rollierenden Inflation.

Es sei an den "wirtschaftlichen Rahmenbedingungen" gescheitert, sagte WKÖ-Handelsobmann Rainer Trefelik nach dem Verhandlungsabbruch. "Wir haben verschiedenste Varianten durchgerechnet", so Trefelik. Ein Gehaltsplus von 8,2 Prozent wäre "vorstellbar gewesen", mehr sei "nicht leistbar" für die Betriebe. Die rollierende Inflation von Oktober 2022 bis September 2023 lag bei 9,2 Prozent.

📽️ Video | Gewerkschaft droht mit Warnstreiks

Die gewerkschaftliche Chefverhandlerin Helga Fichtinger kritisierte "die Hinhaltetaktik" der Arbeitgeber. "Das ist nicht fair." Die Gewerkschaft hat nach eigenen Angaben einen sozial gestaffelten Gehaltsabschluss zwischen 8,58 und 9,38 Prozent vorgeschlagen. Das wäre im Schnitt ein Gehaltsplus von 8,96 Prozent. Auch eine Öffnungsklausel für Betriebe in wirtschaftlichen Schwierigkeiten lag offenbar am Tisch. Laut Gewerkschaft haben die Arbeitgeber nur ein Plus von 8 Prozent plus 10 Euro angeboten. Gewerkschafterin Fichtinger drängt nun auf Gespräche auf "höherer Ebene", etwa zwischen ÖGB-Chef Wolfgang Katzian und Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer. Eine weitere KV-Verhandlungsrunde ist für nächste Woche nicht geplant.

Aufgrund der gescheiterten Verhandlungen empfiehlt die WKÖ-Bundessparte Handel ihren Mitgliedsbetrieben nun eine freiwillige Erhöhung der kollektivvertraglichen Mindestgehälter um 8 Prozent. Eine Empfehlung biete "keine Rechtssicherheit", kritisierte Fichtinger.

Die für eine Einigung möglichen Instrumente liegen auf dem Tisch.
Benjamin Bittschi (Wifo-Experte)

Die Situation im Handel sei schwieriger als etwa in der Industrie, meint der Wifo-Experte Benjamin Bittschi laut ORF-Radio Ö1. Aber: Die für eine Einigung möglichen "Instrumente liegen auf dem Tisch". Im Gegensatz zur Industrie befinde sich der Handel seit dem Pandemiejahr 2020, mit Ausnahme von 2022, in einer Rezession. "Ich verstehe die Seite der Arbeitgeber, dass um jedes Zehntel gefeilscht wird", sagte der Lohnexperte des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) im "Mittagsjournal" am Samstag.

Es werde eine soziale Staffelung brauchen, so Bittschi. Zudem benötige es eine "Wettbewerbssicherungsklausel" und im Durchschnitt einen Abschluss unter der rollierenden Inflation.

📽️ Video | Auch in sechster Runde keine Einigung

Der Handelsverband bedauerte indes das neuerliche Scheitern und bekräftigte, dass die Arbeitgeberseite den Betrieben nun eine Erhöhung der Mindestgehälter um 8 Prozent empfehle. "Nachdem sich die Gewerkschaft bei ihren Forderungen kaum bewegt hat, wäre ein Abschluss mit unabsehbaren wirtschaftlichen Risken einhergegangen, der viele weitere Betriebsschließungen verursacht hätte", so Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will in einer Aussendung am Samstagvormittag. "Dabei ist der Handel jene Branche, die mit Abstand am stärksten von Insolvenzen betroffen ist."

Die KV-Gespräche laufen seit Ende Oktober und waren von Betriebsversammlungen, öffentlichen Kundgebungen und Warnstreiks im Weihnachtsgeschäft begleitet. Die Gewerkschaft war mit der Forderung nach einem Gehaltsplus von 11 Prozent in die Verhandlungen gegangen. Die Arbeitgeber hatten ihr Eröffnungsangebot erst in der dritten Runde mit einem Plus von 5 Prozent und einer Einmalzahlung von 800 Euro gelegt.

Beim Handels-KV geht es um die Gehälter von 430.000 Angestellten und 15.000 Lehrlingen. Es ist der größte Branchen-Kollektivvertrag in Österreich. Knapp zwei Drittel der 430.000 Angestellten sind Frauen, im Einzelhandel liegt der Frauenanteil noch etwas höher. Knapp 60 Prozent der Frauen im Handel arbeiten Teilzeit, bei Männern liegt die Teilzeitquote bei nur rund 13 Prozent. (APA)

Mehr zum Thema:

undefined

Hoffen auf „fairen Abschluss“

Vor neuer Verhandlungsrunde: Innsbrucker Handelsangestellte mit kurzem Warnstreik