Krieg in Nahost

Israel ordnet Evakuierungen in Khan Younis an, Gespräche über Waffenruhe ergebnislos

Die Stadt Khan Younis im Süden des Gazastreifens. Im dortigen Gebiet lebten vor Kriegsbeginn über 100.000 Personen.
© IMAGO/Rizek Abdeljawad

Am Mittwochabend hat Israel weitere Evakuierungen der Stadt Khan Younis im Süden des Gazastreifens angeordnet. Eine mögliche Waffenruhe rückt derweil in weite Ferne. Zudem soll eine Abstimmung des UN-Sicherheitsrates über eine Gaza-Resolution am Donnerstag stattfinden.

Washington – Israel hat nach Angaben der Vereinten Nationen weitere großflächige Evakuierungen der Stadt Khan Younis im Süden des Gazastreifens angeordnet. Das UNO-Büro für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) erklärte, Israel habe am Mittwoch Karten veröffentlicht, in denen rund 20 Prozent des Stadtgebiets neu als zu räumendes Gebiet ausgezeichnet würden. Unterdessen gab es neue Gespräche über eine Feuerpause und einen Gefangenenaustausch, die aber ergebnislos verliefen.

In dem Gebiet lebten nach Angaben der UNO vor Beginn der Kämpfe zwischen Israel und der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas mehr als 110.000 Menschen. Außerdem befinden sich in dem Gebiet demnach 32 Notunterkünfte mit mehr als 140.000 Binnenflüchtlingen, die meisten von ihnen aus dem Norden des Gazastreifens.

Israel weitet Angriff im Süden Gaza aus

Die israelischen Streitkräfte erklärten, am Mittwoch seien mit Bodentruppen, aus der Luft und vom Meer aus Angriffe gegen „Dutzende Terroristen und Terroristen-Infrastruktur“ in Khan Younis ausgeführt worden. Die Armee hatte am Montag angekündigt, ihre Angriffe auf Ziele in der größten Stadt des südlichen Gazastreifens zu verstärken.

Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron mahnte Mittwochabend in einem Fernsehinterview, den Terrorismus zu bekämpfen bedeute nicht, „alles in Gaza dem Erdboden gleichzumachen oder wahllos die Zivilbevölkerung anzugreifen“. Deswegen seien der Schutz von Zivilisten und eine Feuerpause nötig, die zu einer Waffenruhe führe, sagte Macron im Sender France 5.

Gespräche über Feuerpause

Hamas-Chef Ismail Haniya führte am Mittwoch in Ägypten Gespräche über eine mögliche Feuerpause und einen neuen Gefangenenaustausch. Der britische Sender BBC und die US-Zeitung Wall Street Journal berichteten unter Berufung auf informierte Kreise, die Gespräche hätten zu keinem Ergebnis geführt, sollten aber fortgesetzt werden.

Derweil führt Israel Gespräche mit Katar und den USA, um zu einer möglichen Feuerpause mit weiteren Geisel-Freilassungen zu gelangen. Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu warnte am Dienstag aber, es werde keinen Waffenstillstand vor einer „Eliminierung der Hamas“ geben. „Jeder, der glaubt, wir würden aufhören, hat keinen Bezug zur Realität.“

US-Präsident Joe Biden sagte, es gebe „zum jetzigen Zeitpunkt“ keine Erwartung einer sofortige Geisel-Vereinbarung zwischen Israel und der Hamas. „Aber wir drängen dazu.“

Unterdessen will der UNO-Sicherheitsrat in New York am Donnerstag erneut versuchen, sich auf eine Resolution mit einer Forderung nach einer Feuerpause zu verständigen. Für die vergangenen Tage angestrebte Abstimmungen über einen Resolutionstext waren immer wieder verschoben worden. Mit den Beratungen soll erreicht werden, dass die USA - einer der wichtigsten Verbündeten Israels - die Resolution nicht mit ihrem Veto blockieren.

Israel warnt Houthi-Rebellen vor weiteren Angriffen

Der israelische Verteidigungsminister Yoav Gallant hat die vom Iran unterstützten Houthi-Rebellen im Jemen vor weiteren Angriffen gewarnt. „Wir bereiten uns vor - die Truppen hier sind für jede Mission und jeden Befehl bereit“, sagte Gallant bei einem Besuch der Marine nahe der israelischen Stadt Eilat am Roten Meer. Israel werde Drohungen gegen den Staat nicht dulden.

Die Bedrohung der Freiheit der Schifffahrt an der Meerenge Bab al-Mandab, zweitausend Kilometer vom Staat Israel entfernt, sei nicht nur eine Bedrohung für den Verkehr nach Israel, sagte Gallant. „Sondern auch für die internationale Freiheit der Schifffahrt in Gewässern, die allen Ländern gehören“. Große Reedereien meiden die Route wegen der Angriffe zunehmend.

Zum besseren Schutz der wichtigen Schifffahrtsroute, die zum Suezkanal führt, formen die USA eine neue Sicherheitsinitiative mit dem Namen "Operation Prosperity Guardian". Daran beteiligen sich nach US-Angaben mehrere Länder, darunter das Vereinigte Königreich, Bahrain, Kanada, Frankreich, Italien, die Niederlande, Norwegen, die Seychellen und Spanien. Deutschland prüft eine Beteiligung.

Israel veröffentlicht Details über Tunnel-Strategie

In der Zwischenzeit hat das israelische Militär neue Erkenntnisse zum weitreichenden Tunnelsystem der islamistischen Hamas im nördlichen Gazastreifen veröffentlicht. Eine entscheidende Rolle spiele der Palästina-Platz im Zentrum der Stadt Gaza, teilte die Armee am Mittwoch mit. Von dort sollen „Büros und Wohnungen der politischen sowie militärischen Hamas-Führung“ unterirdisch erreichbar gewesen sein. Die Angaben waren gegenwärtig nicht unabhängig zu überprüfen.

Am Sonntag hatte die Armee bereits die Freilegung eines Tunnelnetzes im Norden bekannt gegeben. Nach der Übernahme eines Gebiets in der Stadt Gaza seien weitere Details der „strategischen Tunnelroute“ aufgedeckt worden, hieß es von der Armee am Mittwoch. Neben Stiegen ermöglichten demnach auch Aufzüge den Abstieg in das unterirdische System. In einigen Fällen seien Lebensmittel, Wasser- und elektrische Infrastrukturen gefunden worden. „Auf diese Weise konnten Hamas-Terroristen sowohl fliehen als auch für längere Zeit in ihren Verstecken bleiben“, hieß es.

Das Tunnelnetz soll den Angaben nach von den hochrangigen Funktionären der Organisation, Ismail Haniya, Yahya Sinwar, Mohammed Deif und anderen, genutzt worden sein, „um die operativen Aktivitäten der Hamas zu steuern“. Auch diese Angaben waren gegenwärtig nicht unabhängig zu überprüfen. (APA)

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