15 Tote und Dutzende Verletzte nach Schüssen an Prager Universität
Prag – Bei Schüssen an der Prager Karls-Universität sind mehr als 15 Menschen getötet und Dutzende verletzt worden. Auch der Schütze sei unter den Toten, teilte der Prager Polizeipräsident Martin Vondrasek am Donnerstagnachmittag mit. Man gehe davon aus, dass es sich um einen Studenten der Hochschule handle, der kurz zuvor seinen Vater getötet habe und deswegen gesucht worden sei. Die formelle Identifikation stehe aber noch aus.
Der mutmaßliche Täter habe sich wahrscheinlich von Amokläufen im Ausland inspirieren lassen, vermutete Vondrasek. Es dürfte der schlimmste Schusswaffenangriff in der Geschichte der seit 1993 unabhängigen Tschechischen Republik sein.
📽️ Video | Mehr als 15 Tote bei bewaffnetem Angriff an Universität
Nach ersten Informationen wurden 24 Menschen verletzt, davon mindestens neun schwer bis lebensgefährlich. Der tschechische Innenminister Vit Rakusan sagte im öffentlich-rechtlichen Fernsehen CT, es gebe keine Hinweise auf einen zweiten Schützen oder auf einen terroristischen Hintergrund. Rakusan rief die Bevölkerung dennoch auf, den Anweisungen der Polizei zu folgen.
Das Außenministerium in Wien betonte auf Anfrage der APA, es gebe nach Rücksprache mit der österreichischen Botschaft in Prag derzeit keine Hinweise, dass österreichische Staatsbürger von der Schussattacke in Prag betroffen seien. Man stehe weiter mit der diplomatischen Vertretung Österreichs in der Tschechischen Republik in engem Kontakt.
Zu den Schüssen kam es an der Philosophischen Fakultät der Karls-Universität am Jan-Palach-Platz. Dort werden Geisteswissenschaften unterrichtet. Die Polizei war mit einem Großaufgebot an Ort und Stelle, darunter waren Spezialkräfte. Der Jan-Palach-Platz befindet sich nur wenige hundert Meter von der bekannten Karlsbrücke entfernt, dem Wahrzeichen der Stadt an der Moldau. In einem Video eines Users auf X waren Menschen zu sehen, die über die bei Touristen sehr beliebte Karlsbrücke flüchteten. Im Begleittext war zu lesen, dass sie sich von den Schüssen, die in der Nähe zu hören gewesen seien, entfernten.
CL-Partie von SKN-Frauen in Prag nach Amoklauf abgesagt
Das für den (heutigen) Donnerstag, 21.00 Uhr, angesetzte Champions-League-Spiel von St. Pöltens Fußball-Frauen bei Slavia Prag ist nach den tragischen Ereignissen in der tschechischen Hauptstadt etwas weniger als zwei Stunden vor Spielbeginn abgesagt worden. Das gab Slavia auf seinen Social-Media-Kanälen bekannt. Einen Ersatztermin für Partie der vierten Runde von Gruppe B gibt es noch nicht.
Die Polizei rief die Menschen auf, die Gegend weiträumig zu meiden und sperrte den Platz ab. Bewohner sollten nicht aus dem Haus gehen. Auf Fotos war zu sehen, wie Studenten das Universitätsgebäude mit erhobenen Armen verlassen. Die Universität verschickte ein E-Mail an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, in Deckung zu gehen und die Türen zu verschließen. Nach einem Bericht des Fernsehsenders Nova soll sich der Schütze zuletzt auf dem Dach des Fakultätsgebäudes aufgehalten haben. Auch eine Explosion sei demnach zu hören gewesen.
Studenten und Mitarbeiter der Universität teilten in den sozialen Medien mit, dass sie sich in Hörsälen und Büros verbarrikadiert hätten. Andere kletterten aus dem Fenster und stellten sich auf den Dachsims, um sich vor dem Schützen zu verbergen. Die Studenten und Hochschulmitarbeiter wurden bis zum frühen Abend aus dem Gebäude gebracht. Der Rettungsdienst schickte mehrere Rettungswagen, Notärzte und einen Großraumrettungswagen zum Einsatzort.
Der tschechische Präsident Petr Pavel sprach den Angehörigen der Getöteten sein Beileid aus. Er dankte den Bürgern beim Kurznachrichtendienst X am Donnerstag dafür, dass sie den Anweisungen der Sicherheitskräfte gefolgt seien. Wie das Büro des Staatsoberhaupts mitteilte, brach Pavel seinen derzeitigen Frankreich-Besuch ab, um vorzeitig nach Tschechien zurückzukehren.
Der tschechische Ministerpräsident Petr Fiala brach einen Arbeitsbesuch in Mähren ab. "Aufgrund der tragischen Ereignisse habe ich mein Arbeitsprogramm in Olomouc abgesagt und werde nach Prag zurückkehren", teilte der liberalkonservative Politiker mit. "Ich stehe in Kontakt mit dem Innenminister und der tschechischen Polizei und bitte alle Bürgerinnen und Bürger, die Empfehlungen der Rettungsdienste zu beachten." Am späten Abend sollte die Regierung zu einer Krisensitzung zusammenkommen.
Der Prager Oberbürgermeister Bohuslav Svoboda zeigte sich schockiert. "Das ist eine Tragödie", sagte er dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen CT. "Das Schlimmste daran ist, dass diese Dinge nicht zu verhindern sind." Viele dächten, so etwas könne nur in den USA passieren, weil viele dort bewaffnet seien. Es zeige sich, dass dem nicht so sei. Zum Zeitpunkt der Schüsse sei er in seiner Residenz unweit der Universität gewesen. "Die Polizei hat uns eingeschlossen, wir durften das Gelände nicht verlassen", sagte Svoboda.
Auch Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen zeigte seine Solidarität: "Ich bin tief schockiert von der grausamen Attacke heute in Prag, die so viele Opfer forderte. In diesen schmerzhaften Stunden sind unseren Gedanken mit dem Menschen in der Tschechischen Republik, bei den Familien und Freunden der Opfer", schrieb Van der Bellen auf X. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) schrieb auf X: "Ich bin zutiefst schockiert von den schrecklichen Nachrichten über Schüsse und Todesopfer an der Universität in Prag. Mein herzliches Beileid den Familien und Freunden der Opfer." Und an seinen tschechischen Amtskollegen Petr Fiala gewandt: "Wir stehen fest an eurer Seite!" Auch zahlreiche Regierungsmitglieder von ÖVP und den Grünen zeigten sich betroffen.
Ähnlich Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, ebenfalls auf X: Die Nachricht über die tödlichen Schüsse habe ihn zutiefst erschüttert. "Ich bekunde meine Solidarität mit den Opfern, den Verletzten und ihren Angehörigen sowie mit dem tschechischen Volk und den tschechischen Behörden."
Die Karls-Universität wurde 1348 gegründet und zählt damit zu den ältesten europäischen Universitäten. Sie hat insgesamt rund 49.500 Studentinnen und Studenten. Davon studieren rund 8.000 an der Philosophischen Fakultät Fächer wie Germanistik, Slawistik oder Geschichtswissenschaft. (APA/Reuters/dpa)