Maßnahmen verfassungswidrig

Polens Parlament stimmt für Rücknahme von Teilen der Justizreform

Justitia war zuletzt in Polen etwas aus dem Gleichgewicht geraten. Die neue Regierung versucht nun, die Justiz wieder unabhängig zu machen.
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Die neue Regierung versucht im Eiltempo, Medienfreiheit und die Unabhängigkeit der Justiz wiederherzustellen.

Warschau – Das neu gewählte Parlament in Polen hat erste Schritte zur Rücknahme der Justizreform gesetzt, die vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) 2021 als rechtswidrig verurteilt worden war. Die Abgeordneten votierten für eine Resolution, die mehrere Maßnahmen der kürzlich abgelösten PiS-Regierung für verfassungswidrig erklärt. Dabei geht es im Kern um die Zusammensetzung des einflussreichen Landesjustizrats. Dessen Mitglieder seien auf illegalem Weg ernannt worden und müssten zurücktreten, heißt es in der Resolution.

Sie habe symbolische Bedeutung, sagte Justizminister Adam Bodnar vor dem Parlament. „Sie bezeugt, dass wir einfach ein verfassungsrechtliches Problem mit einem der Organe haben, die von sehr großer Bedeutung sind.“

Proteststurm der PiS

Für einen Proteststurm der abgewählten nationalkonservativen PiS sorgt die Absetzung der gesamten Führung der öffentlich-rechtlichen Medien durch die Regierung. Präsident Andrzej Duda, der selbst aus der PiS kommt, nannte das Vorgehen „völlig unrechtmäßig“ und eine Verletzung der Verfassung. Wer andere Regeln für die Leitung der Medien wolle, müsse zuerst das entsprechende Gesetz ändern, sagte Duda dem Radiosender Zet: „Das ist Anarchie. Es ist Anarchie, das geltende Recht zu umgehen.“

Gefeuert worden waren die Vorstandschefs und die Aufsichtsräte des Fernsehsenders TVP, des polnischen Radios sowie der Nachrichtenagentur PAP. Die Regierung Tusk wirft den Medien vor, sie hätten in den vergangenen acht Jahren unter der PiS-Regierung Parteipropaganda verbreitet. Auch internationale Organisationen hatten die einseitige Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Medien in Polen kritisiert.

Die PiS-Führung um Jaroslaw Kaczynski protestierte, sprach von einem Staatsstreich. Kundgebungen vor der Fernsehzentrale fanden aber keinen großen Zulauf. Einige PiS-Vertreter harrten im TVP-Gebäude auch über Nacht aus. Der Nachrichtenbetrieb wurde am Donnerstag unter neuer Ägide wiederaufgenommen.

Bei der PAP wollte der bisherige Chef seine Absetzung nicht hinnehmen, wie das Portal gazeta.pl berichtete. Gleichzeitig habe der neue Leiter erste Personaländerungen angeordnet.

Widerstand droht der neuen europafreundlichen Regierung in Polen auch bei der Reparatur des Justizsystems. Für die Resolution zum Landesjustizrat stimmten die Abgeordneten am Mittwoch zwar mit klarer Mehrheit. Doch Präsident Andrzej Duda hat die Justizreform der PiS wiederholt unterstützt, was eine Rücknahme trotz der Abstimmung erschweren könnte.

Der Landesjustizrat selbst erklärte, die Annahme der Resolution untergrabe das Vertrauen in die Verfassungsorgane und die Rechtsordnung. Sie löse einen Konflikt aus, der das Potenzial für eine Verfassungskrise habe. (TT, APA, dpa)

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