14 Opfer identifiziert

Nach Amoklauf in Prag: Tschechien im Schockzustand

Zahlreiche Menschen zünden vor der Karlsuniversität Kerzen für die Opfer des Amoklaufs vom 22. Dezember 2023 an.
© APA/AFP/RADEK MICA

Nachdem ein 24-Jähriger am Donnerstag in Prag 14 Menschen getötet und zahlreiche weitere verletzt hat, sind nun alle Todesopfer identifiziert. Der Täter soll auch seinen Vater umgebracht haben und für einen Doppelmord vor einer Woche in Frage kommen.

Prag – Tschechien steht nach der Bluttat an der Prager Karls-Universität kurz vor Weihnachten im Zeichen der Trauer. "Es ist ein Schock – niemand von uns hätte damit gerechnet, dass so etwas passieren kann", sagte eine Krankenhaus-Sprecherin stellvertretend für viele. Die Regierung rief für diesen Samstag eine eintägige Staatstrauer aus. Fahnen sollen auf halbmast wehen, die Lichterketten am Weihnachtsbaum auf dem Prager Altstädter Ring sollen erlöschen.

Geplant ist auch ein Trauergottesdienst im Prager Veitsdom. Ein Student hatte am Donnerstagnachmittag im Hauptgebäude der Philosophischen Fakultät in der Prager Innenstadt das Feuer eröffnet und 14 Menschen getötet. Zudem sei auch der Schütze tot, sagte der Leiter der Prager Polizei, Petr Matejcek, am Freitag – der junge Mann habe sich wahrscheinlich selbst erschossen. Über ein mögliches Motiv des Schützen herrschte noch Unklarheit. Vor der Bluttat soll der 24-Jährige bereits seinen Vater in dessen Haus in der Gemeinde Hostoun westlich von Prag ermordet haben.

Die Ermittler äußerten darüber hinaus einen schlimmen Verdacht: Der 24-Jährige könnte auch für einen Doppelmord vor einer Woche verantwortlich gewesen sein. Ein Vater und dessen Tochter im frühen Säuglingsalter waren scheinbar grundlos in einem Waldstück am Prager Stadtrand erschossen worden. Nun teilten die Ermittler mit, dass eine ballistische Untersuchung einer der im Haus des Uni-Schützen gefundenen Schusswaffen ihre Vermutung bestätigt habe.

Wohl keine Österreicher unter den Toten

Alle Opfer seien inzwischen identifiziert. Unter den Toten seien keine Ausländer. Zwei Bürger aus den Vereinigten Arabischen Emiraten und ein Niederländer seien unter den Verletzten, hieß es. Das Außenministerium in Wien betonte am Donnerstag auf Anfrage der APA, es gebe nach Rücksprache mit der österreichischen Botschaft in Prag derzeit keine Hinweise, dass österreichische Staatsbürger von der Schussattacke in Prag betroffen seien. Vor dem Unigebäude legten Menschen Blumen nieder und zündeten Kerzen an. Nach den letzten Angaben wurden 25 Personen verletzt, davon zehn schwer. Manche erlitten Durchschüsse im Kopf- oder Brustbereich oder an den Extremitäten und mussten sofort operiert werden. Alle waren in stabilisiertem Zustand.

Die Gegend rund um die Universität wurde am 21. Dezember 2023 weitläufig abgesperrt.
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Augenzeugen der Uni-Attacke berichteten von dramatischen Szenen. "Wir hatten Unterricht, und auf einmal hörten wir ein merkwürdiges Knallen", berichtete eine Überlebende im Krankenhaus dem Rundfunk. Dann habe plötzlich jemand durch die Tür geschossen. Erst hätten die Studenten den Eingang mit Bänken verbarrikadiert. Als der Schütze zurückgekommen sei, seien sie aus dem Fenster geklettert, über das Dachgesims balanciert und auf einen darunterliegenden Balkon gesprungen, um sich zu retten. Einsatzvideos der Polizei zeigten eine chaotische Situation und Menschen in Panik.

Sicherheitsmaßnahmen sollen verschärft werden

Es gab weiter keine Hinweise auf einen terroristischen Hintergrund der Uni-Attacke. Innenminister Vit Rakusan kündigte dennoch eine Verschärfung der Sicherheitsmaßnahmen im Land aus präventiven Gründen an. Dazu zähle eine stärkere Präsenz von Polizisten mit Maschinenpistolen an ausgewählten Orten. Rakusan sagte im Rundfunk, der Schütze habe seine Waffen legal besessen und sei nicht vorbestraft.

Immer mehr Menschen in Tschechien bewaffnen sich. Im vorigen Jahr verfügten 314.039 Bürger über einen Waffenschein. Die Zahl der legal registrierten Schusswaffen stieg um mehr als 53.000 auf fast eine Million, genau 989.348. Das Recht, das eigene Leben oder das eines anderen Menschen mit Waffengewalt zu verteidigen, wurde vor zwei Jahren sogar in die Charta der Grundrechte und -freiheiten aufgenommen, die Verfassungsrang hat.

Als Reaktion auf die Schusswaffenattacke richtete die Karls-Universität eine Spendenaktion für die Verletzten und die Angehörigen der Toten ein. Bis Freitagmittag beteiligten sich bereits mehr als 13.000 Menschen daran, wie auf der Internetseite des Stiftungsfonds der Uni zu sehen war. Die gespendete Summe belief sich bis dahin auf umgerechnet mehr als 550.000 Euro.

📽️ Video | Schütze von Prag wegen weiterer Morde gesucht

Zahlreiche Staats- und Regierungschefs sowie weitere Spitzenpolitiker aus dem In- und Ausland sprachen ihre Anteilnahme aus. "Mit Entsetzen habe ich die Nachricht von den Schüssen an der Karls-Universität mitten in der Prager Innenstadt gehört", teilte der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit. Seine Gedanken seien bei den Opfern und deren Angehörigen. US-Präsident Joe Biden schrieb bei X (vormals Twitter), sein Herz sei bei denjenigen, die ihr Leben bei dem sinnlosen Schusswaffenangriff in Prag verloren hätten, bei den Verletzten und beim tschechischen Volk.

Auch Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen zeigte bereits am Donnerstag seine Solidarität: "Ich bin tief schockiert von der grausamen Attacke heute in Prag, die so viele Opfer forderte. In diesen schmerzhaften Stunden sind unseren Gedanken mit dem Menschen in der Tschechischen Republik, bei den Familien und Freunden der Opfer", schrieb Van der Bellen auf X. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), ebenfalls auf X: "Ich bin zutiefst schockiert von den schrecklichen Nachrichten über Schüsse und Todesopfer an der Universität in Prag. Mein herzliches Beileid den Familien und Freunden der Opfer." Und an seinen tschechischen Amtskollegen Petr Fiala gewandt: "Wir stehen fest an eurer Seite!" Auch zahlreiche Regierungsmitglieder von ÖVP und den Grünen zeigten sich betroffen. (APA, dpa)

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