Nach eskalierter Aktion

Deutsche Bauern bereiten massive Proteste vor: Radikalisierung befürchtet

Die deutschen Bauern planen massive Proteste.
© IMAGO/Eibner-Pressefoto/Florian Wiegan

Der Schock über die eskalierte Bauernaktion gegen den deutschen Wirtschaftsminister Habeck scheint tief zu sitzen und hat eine Diskussion über die Protestkultur ausgelöst. Jetzt richtet sich der Blick auf die kommende Aktionswoche. Der deutsche Bauernverband macht klare Ansagen.

Berlin – Obwohl die Berliner Bundesregierung die geplanten Kürzungen im Agrarbereich weitgehend zurückgenommen hat, bereiten Bauern in Deutschland gemeinsam mit dem Transportsektor massive bundesweite Proteste ab Montag vor. Polizei und Behörden rechnen mit starken Verkehrsbeeinträchtigungen. Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner kritisierte die Protestpläne. Die oppositionellen Unionsparteien CD/CSU unterstützen hingegen die Landwirte.

Radikalisierung befürchtet

Die deutschen Bundesbehörden befürchten zudem eine Radikalisierung und Unterwanderung der Proteste. Der Bauernverband rief die Teilnehmer seinerseits zur Mäßigung auf. Es dürfe keine Aktionen vor Privatwohnungen von Gesprächspartnern oder persönliche Anfeindungen geben, appellierte der Verband am Samstag auf der Plattform X, ehemals Twitter.

Weiters hieß es: "Demosymbolik wie Galgen, schwarze Fahnen oder andere Symbole extremistischer Gruppen lehnen wir entschieden ab!" Man distanziere sich scharf von Personen, die Umsturzfantasien propagierten oder Gewalt verherrlichten. Das gelte auch für rechtsextremistische Kreise und andere radikale Randgruppen - "auch weil diese teilweise unseren Protest für ihre niederträchtigen Anliegen vereinnahmen wollen".

Polizeibehörden bundesweit erwarten Straßenblockaden und andere Aktionen mit Treckern und anderem landwirtschaftlichem Gerät. Das Wirtschaftsministerium von Mecklenburg-Vorpommern rechnet mit Problemen "an den meisten Autobahnauffahrten". Das ostdeutsche Bundesland setzte deshalb das Sonntagsfahrverbot für Fernfahrer aus. "Zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung" erlaubte die Behörde deshalb ausnahmsweise den Warenferntransport am Sonntag.

Die Polizeigewerkschaft in Bayern befürchtet eine Überlastung der Polizei und kritisierte die Landwirte. "Viele Aktionen schießen da nicht nur rechtlich weit übers Ziel hinaus, sie stellen in Teilen auch Verkehrsgefährdungen sowie Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dar", erklärte der Polizeigewerkschafter Thorsten Grimm.

Der Deutsche Bauernverband (DBV) hatte zu einer Woche bundesweiter Protestaktionen gegen die Politik der Bundesregierung aufgerufen. Entzündet hatte sich die Wut der Landwirte an geplanten Kürzungen der Subventionen für die Branche im Zuge der Haushaltskrise. Angesichts der seit Dezember anhaltenden Proteste kassierte die deutsche Ampelregierung aus Sozialdemokraten (SPD), Liberalen (FDP) und Grünen die Pläne aber mittlerweile weitgehend ein. Der DBV hielt dennoch an seinen Plänen fest.

Finanzminister appelliert an Bauern

Der deutsche Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner appelierte nach der Blockade der Fähre von Deutschlands Vizekanzler Robert Habeck an die Landwirte , bei Protesten friedlich zu bleiben. "Lassen Sie sich nicht unterwandern und instrumentalisieren. Sie haben sich verrannt, bitte kehren Sie um", sagte der Finanzminister am Samstag beim Dreikönigstreffen der Liberalen in Stuttgart. Protest müsse verhältnismäßig und im Rahmen der demokratischen Ordnung erfolgen.

Lassen Sie sich nicht unterwandern und instrumentalisieren. Sie haben sich verrannt, bitte kehren Sie um.
Finanzminister Christian Lindner

Die gefährliche Situation, in die Wirtschaftsminister Habeck (Grüne) gebracht worden sei, sei "völlig inakzeptabel" gewesen. "Die Sachbeschädigungen, auch die angekündigten Blockaden sind unverhältnismäßig", sagte Lindner mit Blick auf vergangene und für die kommende Woche angekündigte Proteste. Hier könne es wie sonst auch nur eine Konsequenz geben: "Landfriedensbruch, Nötigung, Sachbeschädigung - das sind Fälle für den Staatsanwalt."

📽️ Video | Behörden warnen vor Unterwanderung der Proteste

Lindner verteidigte die noch geplanten Subventionskürzungen. "Gerade eine europäisch und national so hochsubventionierte Branche wird sich nicht jedes Konsolidierungsbeitrags erwehren können." Man könne nicht auf der einen Seite von der jetzt gesenkten Stromsteuer profitieren wollen und zusätzliche Fördermittel für den Stallumbau fordern und auf der anderen Seite an alten Subventionen festhalten. "Wer neue Subventionen will, muss auch auf alte verzichten", betonte Lindner.

Die oppositionellen konservativen Unionsparteien unterstützen indes das Festhalten der Landwirte an geplanten Protestaktionen in der kommenden Woche, obwohl die Bundesregierung die geplanten Kürzungen im Agrarbereich weitgehend zurückgenommen hat. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt kritisierte zwar die Blockade der Fähre von Wirtschaftsminister Habeck durch protestierende Landwirte. Er habe aber Verständnis für die Proteste der Bauern.

„Das geht gar nicht“

Den Habeck-Vorfall bezeichnete er zu Beginn der Klausurtagung der CSU-Landesgruppe im oberbayerischen Kloster Seeon als "unmögliche" Entgleisung, "die so nicht stattfinden darf". Protestierende Landwirte hatten mit ihren Treckern Donnerstagnachmittag einen Fähranleger am Nordseehafen Schlüttsiel blockiert und den Wirtschaftsminister am Verlassen der Fähre gehindert. Die Protestaktion sorgte für breite Kritik in der Politik. "Das geht gar nicht. Und das ist auch nicht unser Protest", befand auch DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken im Interview mit der Welt.(APA/dpa/AFP, TT.com)

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