Blockaden in Deutschland

Protestwelle rollt weiter: „Fauler Kompromiss holt keinen Trecker von der Straße“

In einer Umfrage gab knapp jeder fünfte Befragte an, "verkehrstechnisch von den Bauernprotesten" am 8. Januar betroffen gewesen zu sein.
© IMAGO/Karsten Schmalz

Deutschlands Bauernpräsident besteht auf einer kompletten Rücknahme der Subventionskürzungen. Laut einer Umfrage steht die Bevölkerung mehrheitlich hinter den Landwirten.

Berlin – Der Deutsche Bauernverband droht mit längeren Protesten gegen die Agrarpolitik der Berliner Regierung. Die Kundgebungen könnten nach Angaben von Verbandspräsident Joachim Rukwied auch nach dieser Woche anhalten, wenn die geplanten Subventionskürzungen für Agrar-Diesel nicht zurückgenommen werden. Kommenden Montag sei eine Großkundgebung in Berlin geplant, sagte Rukwied am Mittwoch im ZDF. "Dann behalten wir uns weitere Schritte vor."

Die Bauern bestünden auf der kompletten Rücknahme der geplanten Kürzungen. Denn die gute Einnahmesituation vieler Landwirte 2023 sei eine Ausnahme gewesen, in diesem Jahr sei bereits wieder mit einem Rückgang zu rechnen. Dass die Ampelkoalition einen Teil ihrer Kürzungspläne zurückgenommen hat, reicht dem Bundesbauernverband nicht aus. "Mit diesem faulen Kompromiss holt die Bundesregierung keinen Trecker von der Straße", sagte Rukwied

Rukwied sagte weiter, er habe am Dienstag kurz mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPF) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) gesprochen. Scholz hatte allerdings zuvor betont, dass die Regierung an ihren Kürzungsplänen festhalten werde.

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Die Landwirte wollen am Mittwoch ihre Proteste ausweiten, die die ganze Woche fortgesetzt werden sollen. Blockaden hatten bereits am Montag in verschiedenen Teilen Deutschlands zu erheblichen Verkehrsbehinderungen gesorgt.

Die deutsche Gewerkschaft der Polizei (GdP) sieht die Einsatzkräfte mittlerweile an der Belastungsgrenze. Die deutschlandweiten Aktionen seien von vielen Menschen unterstützt worden, sagte der Vorsitzende Jochen Kopelke der Rheinischen Post. "Das heißt, diese große massive Protestwelle wird so schnell nicht abklingen." Viele Einsatzkräfte hätten bisher von friedlichen und geordneten Protesten gesprochen, so Kopelke. Auch Rukwied sagte, er sei mit dem bisherigen Verlauf zufrieden. Zuvor hatte es Warnungen gegeben, dass die Demonstrationen von rechtsextremen Gruppen unterlaufen werden könnten.

Mehr als 80 Prozent der Befragten äußern Verständnis

Laut einer Forsa-Umfrage für "stern" gibt es für die Protestaktionen große Zustimmung in der Bevölkerung. 81 Prozent der Befragten gaben an, dass sie Verständnis für die Bauern hätten. Bei 18 Prozent war dies nicht der Fall. Am größten ist die Unterstützung demnach bei den Anhängern der AfD mit 98 Prozent. Bei Wählern von CDU und CSU lag der Wert bei 79 Prozent, bei denen der FDP bei 80, bei der SPD bei 70 und den Grünen bei 61 Prozent.

Mit ihren Blockaden, Kundgebungen und Traktorkorsos am Montag haben die deutschen Landwirte nach eine Umfrage zahlreiche Menschen im Land beeinträchtigt. In einer Umfrage des Instituts Yougov gab knapp jeder fünfte Befragte (19 Prozent) an, "verkehrstechnisch von den Bauernprotesten" am 8. Januar betroffen gewesen zu sein.

Das ist ein gefährlicher Spaltpilz, der zu Verhältnissen wie in den USA führen kann: Man redet nicht mehr miteinander, man glaubt einander nicht mehr und man unterstellt sich gegenseitig alles Böse dieser Welt.
Cem Özdemir, Landwirtschaftsminister (Grüne)

Der deutsche Landwirtschaftsminister Cem Özdemir sieht in den Bauernprotesten Vorboten einer tiefen Spaltung der Gesellschaft. "Die Menschen auf dem Land haben das Gefühl, abgehängt zu sein. Sie sorgen sich, dass sie in einer zunehmend von Städtern dominierten Politik unter die Räder kommen", sagte der Grünen-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Das ist ein gefährlicher Spaltpilz, der zu Verhältnissen wie in den USA führen kann: Man redet nicht mehr miteinander, man glaubt einander nicht mehr und man unterstellt sich gegenseitig alles Böse dieser Welt." Das Ziel müsse sein, das Land "in der Mitte zusammenzuhalten". (APA/dpa/Reuters)

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