Rechtsextreme planten offenbar Abschiebung von Millionen aus Deutschland
Neben Ausländern sollten auch deutsche Staatsbürger ausländischer Herkunft und Menschen, die sich für Geflüchtete einsetzen, nach Nordafrika abgeschoben werden. Neben Mitgliedern der AfD befand sich auch der Ex-"Identitären"-Sprecher Martin Sellner auf dem Treffen.
Essen, Berlin – Im November des Vorjahres haben sich Mitglieder der rechtsextremen deutschen AfD, Unterstützer und bekannte Rechtsextremisten in einem Potsdamer Hotel getroffen, um über einen Plan für die mögliche Abschiebung von Millionen Ausländern und deutschen Staatsbürgern ausländischer Herkunft aus Deutschland zu beraten. Das geht aus einer Recherche des Medienhauses "Correctiv" hervor. An dem Treffen hat demnach auch der Ex-"Identitären"-Sprecher Martin Sellner teilgenommen.
In einem Einladungsbrief, den Correctiv zitiert, heißt es, bei der Veranstaltung werde ein "Strategiekonzept im Sinne eines Masterplans" vorgestellt, das "kein Geringerer als Martin Sellner einleitend vorstellen" werde. Der Österreicher Sellner sagte demnach, man wolle "maßgeschneiderte Gesetze" erlassen, um einen "hohen Anpassungsdruck" auf Menschen mit Zuwanderungsgeschichte zu erzeugen. Umgesetzt werden solle diese "Remigration" auch mit Hilfe eines "Musterstaates" in Nordafrika, in dem bis zu zwei Millionen Menschen leben könnten. Auch Menschen, die sich in Deutschland für Geflüchtete einsetzen, könnten dorthin.
📽️ Video | Rechtes Treffen plante Remigration
"Musterstaat" in Nordafrika für bis zu zwei Millionen Menschen
Eingeladen hatte zu der Zusammenkunft demnach unter anderen der ehemalige Mitbesitzer der Bäckerei-Selbstbedienungs-Kette "Backwerk", Hans Christian Limmer, zuletzt einer der Eigner der Restaurant-Franchisemarke "Hans im Glück". Die Burgerrestaurantkette trennte sich nach Unternehmensangaben vom Mittwoch mit sofortiger Wirkung von Limmer. Hintergrund seien Vorwürfe, Limmer habe zu einer Veranstaltung zum Thema Remigration mit eingeladen, hieß es in einer Mitteilung des Unternehmens. Gemeint war offenbar das Treffen im November in Potsdam.
Die anwesenden AfD-Politikerinnen und -Politiker zeigten sich laut "Correctiv" während des Treffens mit dem von Sellner vorgetragenen Konzept einverstanden. So habe der anwesende AfD-Fraktionsvorsitzende Sachsen-Anhalts, Ulrich Siegmund ergänzt, man müsse in seinem Bundesland dafür sorgen, dass es "für dieses Klientel möglichst unattraktiv zu leben" werde. Die AfD-Bundestagsabgeordnete Gerrit Huy sagte, sie verfolge das skizzierte Ziel schon länger und habe bei ihrem Parteieintritt selbst schon ein "Remigrationskonzept mitgebracht".
Einer der Besucher des Treffens war dem Bericht zufolge auch der persönliche Referent von AfD-Chefin Alice Weidel, Roland Hartwig, der laut "Correctiv"-Recherche bei dem Treffen zusagte, die inhaltlichen Pläne des Treffens in die Partei zu tragen. Bisher weist die Partei den Vorwurf von sich, mit rechtsextremem Gedankengut gegen verfassungsmäßige Grundsätze zu verstoßen. In ihrer offiziellen "Erklärung zum deutschen Staatsvolk und zur deutschen Identität" schreiben ihre Bundes- und Landessprecher: "Als Rechtsstaatspartei bekennt sich die AfD vorbehaltslos zum deutschen Staatsvolk als der Summe aller Personen, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen."
Die AfD betonte auf Anfrage, dass es sich nicht um ein Parteitreffen gehandelt habe. "Die AfD wird ihre Haltung zur Einwanderungspolitik (...) nicht wegen einer Einzelmeinung eines Vortragenden auf einem Treffen, das kein AfD-Termin war, abändern", teilte ein Sprecher mit. In ihrem Wahlprogramm 2021 hatte die AfD ebenfalls eine "Remigrationsagenda" erwähnt. Diese bezieht sich aber vor allem auf beschleunigte Abschiebungen und den Abbau sogenannter Duldungen abgelehnter Asylbewerber.
Der Weidel-Mitarbeiter Hartwig habe bei dem Treffen auf Einladung nur ein Social-Media-Projekt vorgestellt, teilte die AfD zudem mit. "Weder hat er dort politische Strategien erarbeitet noch hat er Ideen eines Herrn Sellner zur Migrationspolitik, von dessen Erscheinen er im Vorfeld keine Kenntnis hatte, 'in die Partei getragen'", hieß es weiter.
Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser (SPD) warnte mit Blick auf das Treffen im "Stern": "Niemand sollte diese Gefahr unterschätzen." Man sehe, wie notwendig es sei, "dass der Verfassungsschutz sehr genau beobachtet, welche Kontakte es im rechtsextremistischen Spektrum gibt, wie sich Verfassungsfeinde mit AfD-Vertretern vernetzen und welche menschenverachtenden Ideologien dort propagiert werden".
Marcel Emmerich, Obmann der Grünen im Innenausschuss des Bundestags, sagte: "Die AfD agiert als Wolf im Schafspelz eines rechtsextremen Netzwerkes mit faschistischer Vertreibungsideologie." Die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Katja Mast, forderte einen "Aufstand der Anständigen" zum Erhalt der Demokratie.
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann erklärte zu dem Treffen: "Wir beobachten das mit größter Sorge. Die AfD macht sich planvoll auf einen Weg, der eine große Gefahr für unser Land, unsere Freiheit, unseren Wohlstand wäre." Die Linke warnte: "Die AfD spielt eine zentrale Rolle bei rechten Bestrebungen, gewaltsam gegen Menschen und Institutionen vorzugehen." Dies sei eine ernste Bedrohung.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft die AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall ein. Die Partei hat dagegen geklagt. Mit einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts in Münster dazu wird Ende Februar gerechnet. "Im Rahmen der Verdachtsfall-Bearbeitung beobachtet das Bundesamt für Verfassungsschutz die weitere Entwicklung der AfD sehr genau", sagte eine Sprecherin des Innenministeriums. "Dabei werden auch mögliche Treffen mit Akteuren aus dem rechtsextremistischen Spektrum einbezogen." (APA/Reuters/dpa)