Vorwurf des Völkermords: Anhörung Südafrikas zum Gaza-Krieg hat begonnen
Südafrika wirft Israel vor dem Internationalen Gerichtshof Völkermord an den Palästinenserinnen und Palästinensern vor.
Den Haag, Washington – Begleitet von Demonstrationen hat vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag die Anhörung zur Völkermord-Klage gegen Israel begonnen. Zum ersten Mal stellt sich Israel der Klage Südafrikas zum Gaza-Krieg. Der Vertreter Südafrikas warf Israel in seiner Einlassung vor dem höchsten UNO-Gericht "völkermörderisches Handeln" vor und verglich den Umgang mit den Palästinenserinnen und Palästinensern mit dem Apartheid-System der Rassentrennung. Israel weist den Vorwurf zurück.
Südafrika ortet „Politik der Apartheid“
Südafrika verurteilte zwar die Angriffe der Hamas-Terroristen. Aber: "Kein bewaffneter Angriff auf ein Staatsterritorium, egal wie schwerwiegend er ist, (...) kann eine Verletzung der (UN-Völkermord-)Konvention rechtfertigen", sagte Südafrikas Justizminister Ronald Lamola vor dem UNO-Gericht (ICJ/IGH) mit Blick auch auf den Großangriff der islamistischen Hamas am 7. Oktober auf Israel. Lamola. Er sprach von einer "Politik der Apartheid gegen Palästinenser seit etwa 76 Jahren".
Die Rechtsvertreterin Südafrikas, Adila Hassim, zählte Gewalttaten der Armee auf, wie Bombenangriffe und Blockaden humanitärer Hilfe. Sie sprach von "Taten des Völkermordes" und einem "systematischen Muster, das auf Absicht des Völkermordes hinweist." Mehr als 23.000 Palästinenserinnen und Palästinenser seien getötet worden, mindestens 70 Prozent davon Frauen und Kinder.
Südafrika begründete die Vorwürfe auch mit Äußerungen von israelischen Ministern und Offizieren. Zitate wie "Wir werden keinen verschonen", "Wir werden den Gazastreifen von der Erde ausradieren" oder "Israel kämpft gegen menschliche Tiere" seien "Rhetorik des Völkermordes".
Israel legt Position am Freitag dar
Die Anhörungen sind für Donnerstag und Freitag geplant, im Anschluss folgt das Hauptsacheverfahren. Südafrika hatte die Klage Ende 2023 eingereicht. Israel wird am Freitag seine Position darlegen. Kurz vor Beginn der Anhörung wies Ministerpräsident Benjamin Netanyahu erneut alle Vorwürfe zurück: "Israel kämpft gegen Hamas-Terroristen, nicht gegen die palästinensische Bevölkerung, und wir tun dies in voller Übereinstimmung mit dem internationalen Recht."
Der UNO-Gerichtshof soll über Konflikte zwischen Staaten entscheiden. Eine Entscheidung, zunächst nur über den Eilantrag, wird in den nächsten Wochen erwartet. Ein Verfahren in der Hauptsache, dem Völkermord-Vorwurf, kann Jahre dauern.
Die Urteile des Gerichtshofs haben vor allem symbolischen Charakter, deren tatsächliche Umsetzung ist nur schwer zu vollstrecken. Israel hat als Reaktion auf das Hamas-Massaker vom 07. Oktober einen Feldzug im Gazastreifen mit dem erklärten Ziel gestartet, die radikal-islamische Organisation zu vernichten. Dabei sind nach Hamas-Angaben bisher mehr als 23.000 Menschen getötet worden. Bei dem Massaker am 07. Oktober wurden 1.200 in Israel getötet, die meisten davon Zivilistinnen und Zivilisten, und rund 240 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt.
Versammlung vor dem Friedenspalast
Vor dem Friedenspalast in Den Haag, dem Sitz des Gerichtshofes, hatten sich am Donnerstag Anhängerinnen und Anhänger der Palästinenserinnen und Palästinenser versammelt. Einige Dutzend Befürworterinnen und Befürworter Israels waren zu einer Demonstration ebenfalls vor das Gericht gekommen.
"Das ,Verbrechen der Verbrechen', der Vorwurf des Völkermordes sollte niemals leichtfertig erhoben werden", twitterte Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) am Donnerstag. "Wir widersetzen uns allen Versuchen, den IGH zu politisieren. Israel ist eine Demokratie, die das Recht hat, sich gegen den barbarischen Terrorangriff von Hamas auf friedliche Gemeinschaften im Einklang mit dem Völkerrecht zu verteidigen."
Der britische Premierminister Rishi Sunak hält Südafrikas Klage für "komplett unberechtigt und falsch". Das sagte der Sprecher des konservativen Regierungschefs am Donnerstag vor Journalistinnen und Journalisten in London. Er fügte hinzu: "Diese Klage dient nicht der Sache des Friedens. Das Vereinigte Königreich steht zu Israels klarem Recht, sich im Rahmen des Internationalen Rechts zu verteidigen."Auch die USA und Deutschland sehen keinerlei Grundlage für die Klage Südafrikas.
Von einem "Pamphlet, das die südafrikanische Regierung eingebracht hat", das "eine kalkulierte Stigmatisierung des jüdischen Staates" sei, sprachen am Donnerstag in einer gemeinsamen Stellungnahme Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Religionsgesellschaft Österreich, Ariel Muzicant, Präsident des Europäischen Jüdischen Kongresses und Yonathan Arfi, Präsident des Dachverbands der Juden Frankreichs (Crif). Gaza sei nicht Auschwitz. "Hingegen will die Terrororganisation Hamas Israel in ein zweites Auschwitz verwandeln." (APA/dpa/Reuters/AFP)