Neue Beschwerdestelle gegen Polizeigewalt nimmt Arbeit auf
Die neue Beschwerdestelle gegen Polizeigewalt ist außerhalb der polizeilichen Hierarchie angesiedelt. Ein neu eingerichteter Beirat ist für die Qualitätskontrolle zuständig.
Wien – Vergangenes Jahr wurde sie im Nationalrat beschlossen, heute nimmt sie ihren Dienst auf: die neue Beschwerdestelle gegen Polizeigewalt. Mit ihr gibt es nun eine zentrale Einheit, die entsprechenden Vorwürfen nachgeht. Bisher wurde diese Aufgabe von den Landespolizeidirektionen übernommen.
Wesentliches Ziel der Neuerung sei, das ohnehin vorhandene Vertrauen in die Exekutive weiter zu stärken, betonte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) im Vorfeld. Es gebe kaum eine Organisation, die so unter öffentlicher Beobachtung und Dokumentation stehe wie die Polizei. Bei fast jedem Einsatz filme jemand mit dem Handy mit. Sämtliche Dinge, bei denen sich jemand ungerecht behandelt fühlt, sollen von der Beschwerdestelle rasch geklärt werden.
Angesiedelt ist die „Ermittlungs- und Beschwerdestelle Misshandlungsvorwürfe“ (EBM) beim Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK). Damit sei auch die Unabhängigkeit sichergestellt, versichern BAK-Direktor Otto Kerbl und Karner. Die EBM sei außerhalb des Wirkungsbereichs der Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit angesiedelt und damit außerhalb der polizeilichen Hierarchie. Gebe es Weisungen an die EBM, müssten diese schriftlich sein und dem neu eingerichteten Beirat vorgelegt werden. Zu den Mitgliedern gehören etwa Ärztekammer-Vizepräsident Harald Schlögel, Amnesty-Rechtsexpertin Teresa Exenberger oder Philipp Sonderegger, nominiert von SOS Mitmensch.
Das Personal für die EBM hat man zu 80 Prozent bereits zusammen. Dabei holt man sich auch Expertise von außerhalb der Polizei. Angesehen werden sollen nämlich auch Phänomene wie „Cop Culture“ und Korpsgeist. In den vergangenen Jahren gab es jährlich rund 300 Beschwerden bei rund 25.000 Zwangsmittelanwendungen.
Permanente Kontrolle
Philipp Sonderegger vom Beirat ist vorsichtig optimistisch. „Wir erwarten uns schon eine Verbesserung. In der Beschwerdestelle wird es ein multiprofessionelles Team geben und im Beirat sind wir für die Qualitätskontrolle zuständig“, erklärte er gegenüber der TT.
Sonderegger zufolge könne der Beirat generell alle Akten anfordern, aber natürlich nicht in laufende Ermittlungen eingreifen. Der Menschenrechtsexperte geht davon aus, dass sich der Beirat auch strukturelle Probleme bei der Polizei anschauen wird. „Und mit ein bisschen ,good will‘ werden unsere Empfehlungen zumindest mit einem offenen Ohr aufgenommen“, so Sonderegger. Für ein wichtiges Thema hält Sonderegger eine gründliche Beweissicherung. Bisher war es in Fällen von Polizeigewalt oft so, dass erst nach von den Betroffenen selbst vorgelegtem Videomaterial etwas in Gang gekommen ist. „Man sollte sich auch überlegen, ob die Anerkennung von Bildmaterial über Social Media noch zeitgemäß ist“, regt Sonderegger an. (car, APA)
Kopf auf Asphalt geschlagen
Wien – Ein Polizist, der im Mai 2023 in Wien-Simmering den Kopf eines 19-Jährigen auf den Asphaltboden geschlagen hatte, muss sich heute wegen Amtsmissbrauchs am Landesgericht verantworten. Im Strafantrag ist von einem „exzessiven, nicht gerechtfertigten Ausmaß“ an Gewalt zur Durchsetzung einer Identitätsfeststellung die Rede. Der Angeklagte hatte den Mann bereits zu Boden gebracht und fixiert, ehe er dessen Kopf packte und zweimal gegen den Asphalt donnerte.
Der 19-Jährige erlitt eine blutende Rissquetschwunde oberhalb des rechten Auges. Ein Puls24-Kameramann filmte die gewalttätigen Szenen mit, der TV-Sender machte das Video öffentlich, das in weiterer Folge viral ging. Zu der verstörenden Amtshandlung war es gekommen, nachdem der 19-Jährige einen abgesperrten Bereich vis-à-vis eines Tötungsdelikt-Tatorts auf der Simmeringer Hauptstraße betreten hatte. Er wollte an einem Bankomaten Geld beheben und sah nicht ein, warum das nicht zulässig sein sollte.
Dem angeklagten Polizisten drohen im Fall eines Schuldspruchs sechs Monate bis fünf Jahre Haft. Vorläufig suspendiert wurde er nicht.