Sensationsfund: Verschollen geglaubtes Klimt-Bild wird versteigert
Vom kurz vor Gustav Klimts Tod entstandenen „Bildnis Fräulein Lieser“ gab es bislang nur ein altes Schwarz-Weiß-Foto. Es hing seit Jahrzehnten in einer Villa bei Wien. Am 24. April wird es versteigert. Erwartet wird ein Erlös von bis zu 70 Millionen Euro.
Der Fachwelt ist es nur aus einer Schwarz-Weiß-Fotografie bekannt. Bis jetzt. Am Donnerstag hat das Wiener Auktionshaus im Kinsky ein verschollen geglaubtes Gemälde von Gustav Klimt (1862-1918) der Öffentlichkeit präsentiert. Das „Bildnis Fräulein Lieser“ stammt aus 1917 und somit aus dem Spätwerk des weltbekannten Künstlers der Moderne. Das farbenprächtige Dreiviertelporträt war jahrzehntelang im Verborgenen in österreichischem Privatbesitz. Am 24. April wird es versteigert. versteigert.
Das 140 mal 80 Zentimeter große Bild zeigt eine junge Frau in strenger frontaler Haltung vor rotem Hintergrund. Um ihre Schultern liegt ein reich mit Blumen dekorierter Umhang.
🎥 Wiederentdecktes Werk von Gustav Klimt
„Die koloristische Palette ist beispielhaft für Klimts Spätwerk“, sagt Claudia Mörth-Gasser. Die Kunsthistorikerin leitet im Kinsky die Sparte Klassische Moderne. Das Bild zähle zu den schönsten in der späten Schaffensperiode des Künstlers.
Michael Kovacek, einer der Geschäftsführer des Auktionshauses, spricht von einer tolle Sache“, dass ein Werk von solch seltenem Wert und Rang hierzulande am Kunstmarkt angeboten werden könne. Er bezifferte den Schätzwert auf 30 bis 50 Millionen Euro. Er geht davon aus, dass ein Auktionserlös zwischen 40 und 70 Millionen Euro möglich ist.
Welches „Fräulein Lieser“ porträtiert wurde, ist unklar
Bisher war in Fachkreisen davon ausgegangen worden, dass Klimt hier die achtzehnjährige Constance Margarethe Lieser, Tochter von Adolf Lieser, porträtiert habe.
Die Brüder Adolf und Justus Lieser zählten zu den führenden Großindustriellen der österreichisch-ungarischen Monarchie. Recherchen des Auktionshauses legen andere Möglichkeiten nahe: Es sei nicht ausgeschlossen, dass die Schwägerin von Adolf - die oft „Lilly“ genannte Henriette Amalie Lieser-Landau, die 1905 von Justus Lieser geschieden wurde - das Bild in Auftrag gab. Folglich könnte das porträtierte „Fräulein Lieser“ auch eine der beiden Töchter Lillys sein. „Einiges ist hier noch im Dunkeln“, fasst Co-Geschäftsführer Ernst Ploil zusammen.
Das gilt auch für die Provenienz. Denn zwischen 1925 und den 1960er-Jahren ist das genaue Schicksal des Porträts ungeklärt - und damit auch der Verbleib während der Zeit des Nationalsozialismus.
Ernst Ploil legt dar, dass trotz intensiver Recherche - dem Einbringer sei dieser Punkt sehr wichtig gewesen - jedenfalls keine Hinweise auf eine „rechtswidrige Enteignung“ vorlägen. Auch im Auktionskatalog heißt es dazu: „Es existieren mithin keine Beweise dafür, dass das Werk vor oder während des Zweiten Weltkriegs geraubt, gestohlen oder sonst wie rechtswidrig entzogen worden ist.“
Keine Hinweise auf „rechtswidrige Enteignung“
Aber der Reihe nach: Klimt dürfte im Mai 1917 mit dem Gemälde begonnen haben, nachdem ihm die Dargestellte innerhalb einiger Wochen neun Mal im Hietzinger Atelier des Künstlers Modell gestanden hatte. Mindestens 25 Vorstudien entstanden. Nach dem Tod des Malers am 6. Februar 1918 ging das - in geringen Teilen noch unvollendete - Werk an den Auftraggeber oder die Auftraggeberin zurück.
Die „nächste Spur“ stammt aus 1925, als das Gemälde in einer Ausstellung in der Neuen Galerie von Otto Kallir-Nirenstein zu sehen war, wie Ploil erklärt. Dort wurde vermutlich auch jenes Schwarz-Weiß-Foto aufgenommen, dessen Negativ als bisher einziges Bildzeugnis des Porträts im Archiv der Nationalbibliothek verwahrt wird. Auf der Inventarkarte findet sich der Vermerk: „1925 in Besitz von Frau Lieser, IV, Argentinierstrasse 20“. Diese Adresse habe Henriette Lieser gehört. Sie blieb trotz der Nazi-Diktatur in Wien, wurde 1942 deportiert und ermordet.
Ihre Töchter hätten nach dem Ende des Krieges zwar die Restitution ihrer Vermögenswerte durchgesetzt, allerdings das Gemälde nirgends erwähnt oder gar zurückgefordert. „Ebenso haben es alle anderen von Repressalien der Nationalsozialisten betroffenen Mitglieder der Familie Lieser gehalten." Das Bild sei auch nachweislich nie aus Österreich exportiert worden.
Fest steht: Das „Bildnis Fräulein Lieser“ ist zu einem bislang nicht bekannten Zeitpunkt in den Kunsthandel gekommen. „Wann und wo es gekauft und weiterverkauft wurde, weiß ich nicht“, das sei „nicht erforschbar“ gewesen, erklärt Ernst Ploil dazu.
Gemälde in „tadellosem Zustand“
Die jetzigen Eigentümer hätten es vor etwa zwei Jahren von entfernten Verwandten geerbt, davor war es wiederum über mehrere Generationen vererbt worden. Etwa seit Mitte der 1960er-Jahre habe es sich im Salon einer Villa in der Nähe Wiens befunden.
Weitere Untersuchungen durch im Kinsky haben ergeben, dass es sich „in fast tadellosem Zustand“ befunden habe, wie Mörth-Gasser berichtete. Es wurde in weiterer Folge fachkundig gereinigt und via Infrarot untersucht. Dies habe gezeigt, dass Klimt im Laufe des Malprozesses recht wenig Korrekturen durchgeführt habe - anders als etwa bei seiner „Adele Bloch-Bauer II“.
Bevor das Gemälde im Auftrag der jetzigen Eigentümer, über die keine näheren Angaben gemacht wurden, am 24. April unter den Hammer kommt, soll es vor dem Auktionstermin noch rund zwei Wochen lang in den Räumlichkeiten von im Kinsky der Öffentlichkeit gezeigt werden.
Außerdem sind Präsentationen an mehreren Orten in Europa und Südostasien wie Deutschland, Schweiz, Großbritannien oder Hongkong geplant.
Wie im Kinksy als im internationalen Vergleich recht kleines Auktionshaus überhaupt zu diesem wichtigen Auftrag gekommen ist, erzählt Ploil, der auch als Rechtsanwalt tätig ist, recht launig: In seiner Kanzlei habe eines Tages jemand angerufen und gesagt, ihm stehe eine Erbschaft bevor, die wohl auch ein wertvolles Kunstwerk beinhalte. Er, Ploil, möge ihn juristisch und dann auch bei der Verwertung des Werks unterstützen, so die Bitte des Gegenübers. „Sie sehen: Solche Klimts laufen einen ganz bequem über den Weg. Man muss nur warten.“ (APA, TT)