Kultur Österreich

Ja, Panik frönen dem Rock und schießen aus der Hüfte

Andreas Spechtl wollte die neuen Songs "frisch und unmittelbar" halten
© APA

Riffs statt Experimente: Nach den avantgardistischen Klängen des Vorgängers "Die Gruppe", schlägt die heimische Band Ja, Panik auf ihrem neuesten Album "Don't Play With The Rich Kids" wieder andere Töne an. Andreas Spechtl und Co frönen lärmenden Gitarren und eingängigen Grooves, ohne dabei ihren speziellen Zugang zu verlieren. "Vom ersten Stück bis zur fertigen Platte ging es noch nie so schnell bei uns", erklärte Spechtl die direkte Energie der elf Tracks.

Entstanden sind die Songs großteils in Argentinien, wo der Musiker seit etwas mehr als einem Jahr mit seiner Partnerin lebt. Für das Leben dort hat er zuvor sogar extra den Führerschein gemacht. "Es war klar, dass es gut wäre, dort einen zu haben. Aber wenn das normale Touristenvisum ausläuft, gilt auch dein Führerschein nicht mehr. Also musste ich ihn noch mal auf Spanisch machen", grinste Spechtl im APA-Interview. "Aber ich habe es geschafft." Im Auto durch weite Landschaften zu fahren, sei jedenfalls sehr inspirierend gewesen - wie ohnehin die ersten Tage und Monate in einem neuen Land etwas mit einem machen würden. "Diese Momente am Anfang sind total kostbar."

Ohne es geplant zu haben, sei dann im November 2022 der erste neue Song entstanden. Bis zum folgenden Frühjahr standen die Lieder, die Spechtl gemeinsam mit Stefan Pabst, Laura Landergott und Sebastian Janata schließlich in Berlin aufgenommen hat. Lange gefackelt wurde folglich nicht. "Es war definitiv ein Ziel von uns, dass man es so frisch und unmittelbar lässt. Die Arbeit daran hatte für uns nach dem ganzen vermaledeiten Coronawahnsinn etwas Befreiendes und Erfrischendes. Einfach so eine Platte aus der Hüfte zu schießen."

Schon der Opener "Lost" macht das deutlich: Nach einem zunächst eher fragil gestalteten Beginn, steigert sich der Song zunehmend und biegt schließlich ganz in Richtung schepperndem Indie-Rock ab, mit reichlich Lust an noisigen Sounds. Auch der "Kung Fu Fighter" oder das optimistische "Every Sun That Shines" sind im besten Sinne zappelig und aufgeladen. Als Band habe man vor allem mit der jüngsten Tour wieder zusammengefunden. "Aus dem heraus hatten wir Lust, die Energie und diesen Bandsound weiterzutragen. Die Platte davor war eher ein Bastard - im guten Sinne. Es war einfach eine Studioplatte."

Wegweisend für das neue Album war schließlich auch eine Rückbesinnung. "Mit Stefan habe ich oft stundenlange Gespräche geführt. Wir machen miteinander Musik, seit wir 14 sind. Anfangs haben wir über die Entfernung eher über privates Zeug gesprochen, aber irgendwann habe ich ihm fast schüchtern erste Demos geschickt. Wir sind dann ins Reden gekommen, was uns eigentlich zum Musikmachen bewegt hat. Das war uns ja nicht unbedingt in die Wiege gelegt", sinnierte Spechtl. So sei man wieder zur ursprünglichen Faszination gekommen. Und doch ist es heute anders. "Ich glaube nicht, dass wir diese Platte mit 18 oder 19 hätten machen können. In dem Alter waren wir viel zu streng und haben zu stark in Genres gedacht."

So sind mittlerweile aktuelle Popphänomene oder Hip-Hop-Sounds für Spechtl ebenso spannend, wenngleich nicht auf den ersten Höreindruck durchschimmernd. "Das merkt man eher in den Stimmen. Die Band ist eine 90er- oder 00er-Jahre-Gitarrenrockband. Aber wie die Stimmen und Chöre angelegt sind, das hat schon etwas sehr Jetziges. Diese Mischung hat uns interessiert. Wir greifen ja gern weit weg, wo wir genretechnisch herkommen." Im psychedelischen "Hey Reina" gibt es folglich erstmals einen Autotune-Effekt auf einer Ja, Panik-Platte. "Mich interessiert an modernen Produktionen, wie viel Minimalismus in den Mainstream gekommen ist. Die ganze Welt und Atmosphäre wird von Stimmen gebaut."

Generell hat Spechtl das Gefühl, mit "Don't Play With The Rich Kids" in eine neue Bandphase eingetreten zu sein, während "Die Gruppe" eine Übergangsplatte war. Was die Texte betrifft, habe er sich diesmal weniger auf Notizen und Niedergeschriebenes verlassen. "Es ist tatsächlich eine Platte, die mich selber am meisten vor Rätsel stellt. Viel wurde auch improvisiert." Mitunter habe er beim Autofahren über Demos gesungen oder in der Früh direkt nach dem Aufstehen und der ersten Tasse Kaffee über ein Fragment gerappt. "Einfach schauen, was mir einfällt und daraus einen Text bauen." Eine Herausforderung für den selbst ernannten "Kontrollfreak", wie er lachend zugab.

All diese Dinge würden letztlich dazu führen, dass sich das Album zuallererst emotional verstehen lasse. "Es gibt ja viele Ja, Panik-Platten, die eher kopflastig sind. Ich will auch gar nicht sagen, dass es die neue nicht ist. Aber sie hat eben diese emotionale Komponente", betonte Spechtl. "Ich musste mich wirklich zwingen, Dinge einfach stehen zu lassen. Das hat Jahre gebraucht. Ich spiele live auch die Songs am liebsten, bei denen ich mir ursprünglich dachte: Nein, das ist noch nicht ganz fertig, das verstehe ich nicht ganz. Aber das Besondere an diesen Stücken ist, dass sie sich der Welt nicht verschlossen haben."

(Das Gespräch führte Christoph Griessner/APA)

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