Musiker Manu Delago lässt "Snow From Yesterday" klingen
Es knackt, rauscht und vibriert: Auf Manu Delagos neuem Album "Snow From Yesterday" geben Wasser und Eis in verschiedenen Zuständen den Ton an. Aber nicht nur die thematisch-klangliche Annäherung an diese Elemente macht aus den elf Stücken eine dynamische Angelegenheit, auch die Stimmen des Trios Mad About Lemon sorgen dafür. "Es ist viel mehr Menschlichkeit, viel mehr Atem und Lebendigkeit am Album", unterstreicht der Tiroler Musiker.
Ein Grund dafür sei auch die Erarbeitung der Stücke gewesen. War etwa die Vorgängerplatte "Environ Me" sehr studiolastig, hat Handpanspieler Delago diesmal viel live erarbeitet - etwa bei einem Auftritt im Festspielhaus St. Pölten Ende 2022, wo er mit verschiedenen Musikerinnen und Musiker zu erleben war. Darunter eben auch Heidi Erler, Mimi Schmid und Anna Widauer, die seit gut drei Jahren als Stimmtrio Mad About Lemon aktiv sind. "Ich suche immer neue Wege, Musik zu machen", so Delago im APA-Interview. Die Zusammenarbeit habe ihn auch deshalb gereizt, "weil es ein Hybrid ist aus Leadvocals und Chor ist. Das war aus Komponistensicht sehr spannend für mich."
Herausgekommen sind letztlich sieben gemeinsame Stücke, für die er - musikalisch wie textlich - die initialen Ideen lieferte. "Die haben wir dann fein geschliffen." Und anstatt konzeptuelle Vorgaben in den Vordergrund zu rücken, sei "die Musik immer an erster Stelle" gestanden. "Ich wollte ein Album machen, das ich mir gerne anhören würde. Keine Kompromisse! Die Erstinstanz war die Musik. Wie klingt es? Alles andere hat sich rundherum ergeben." Mit der Zeit hätte sich auf diese Weise ein roter Faden gebildet, was etwa die Assoziationen zu Wasser und Eis betrifft.
Dabei ist dieser inhaltliche Zugang für den Innsbrucker, der sich auch als Kollaborateur von Größen wie Björk oder Anoushka Shankar einen Namen gemacht hat, keinesfalls neu. Die Beziehung zwischen Mensch und Natur sowie Umwelt- und Klimaschutzthemen stehen bei Delago schon lange im Fokus, nicht erst seit seiner "ReCycling"-Tour, die er mit seinen Kollegen per Fahrrad quer durch Österreich unternommen hat. Insgesamt stehe für ihn diesmal Vergänglichkeit sehr im Fokus. "Das ist wahrscheinlich ein gutes Wort, das es verbindet. Einerseits sind da zwei Songs, die das eher auf menschlicher, privater Ebene haben. Andererseits gibt es mehrere Stücke mit Bezug zu Eis, Flut oder Trockenheit. Da spielt natürlich die Klimakrise hinein. Das ist einfach ein Thema, das mich beschäftigt."
Das Stück "Paintings on the Wall" etwa ist seinem Stiefvater gewidmet. Damals habe er mit Mad About Lemon ihn dessen Haus geprobt. "Er wollte immer zuhören, wir haben aber gesagt, dass wir ihm erst etwas vorspielen, wenn es fertig ist." Nach zwei Proben sei er aber überraschend verstorben. "Am ersten Tag danach habe ich als Reaktion den Text geschrieben. Er war Künstler, deshalb war das auch inspiriert von seinen Bildern." Erstmals aufgeführt wurde das fertige Lied dann beim Begräbnis. "Es war einer der ersten Songs, den wir geschrieben haben, und der erste, den wir vor Leuten gespielt haben. Es hat sich also stimmig angefühlt, das weiter zu tragen und zu veröffentlichen."
Ebenfalls sehr persönlich ist "Little Heritage", auf dem Stimmsamples von Delagos kleiner Tochter sowie seines Großvaters zu hören sind. "Sie haben sich leider um ein paar Monate nicht mehr getroffen", erzählt Delago auch hier von einem schmerzlichen Verlust. Vor 12 Jahren habe er bereits an "The Heritage" gearbeitet, für das er die Zither seines Großvaters verwendet hat, das Stück wurde aber nie veröffentlicht. Erst später stieß er dann wieder auf Sprachaufnahmen seines Opas. Der Name seiner Tochter wiederum bedeute "kleines Erbe". So hätten letztlich viele Zufälle zur Entstehung des neuen Stücks beigetragen. "Ich musste sie musikalisch zusammenbringen, weil sie sich so knapp verpasst haben. Es hat mich sehr geflasht, dass das so zusammengespielt hat."
Mit "Modern People" oder dem "Slow-Mo Moving River" finden sich auch gesellschaftskritisch wie klimapolitische Stücke. Wobei sich Delago nicht immer als politischer Künstler verstanden habe. "Früher war meine Musik nur Musik, ich wollte nicht politisch sein. Aber das Nachhaltigkeitsthema hat mich so beschäftigt, dass ich die Verantwortung fühlte, das auch zu kommunizieren. Wobei ich gar nicht so viel rede, sondern gerne Aktionen und Taten setze." Und doch findet er dafür immer wieder starke Bilder, wie auch "Polar Bear" verdeutlicht oder die grafische Umsetzung mit den Fotos von Klemens Weisleitner. "Ich möchte schon ein paar Geschichten oder Fakten einbringen", betont Delago. "Es soll nicht nur heiße Luft sein."
Selbes gilt im Übrigen für die Livekonzerte von Delago, für die er sich stets ein aufwendiges visuelles Konzept überlegt. Die neue, am Mittwoch in Innsbruck startende Tour soll dem in nichts nachstehen, wobei er noch nicht zu viel verraten wollte. Nur so viel: Mad About Lemon sind natürlich dabei, ebenso wie Mitmusiker Clemens Rofner. Und natürlich ein ziemlich gelungenes neues Album.
(Das Gespräch führte Christoph Griessner/APA)