Spanisches Parlament lehnte umstrittenes Amnestiegesetz ab
Harter Schlag für Spaniens Premier Pedro Sánchez: Das Parlament in Madrid hat am Dienstag ein umstrittenes Amnestiegesetz abgelehnt. Ausgerechnet die Partei von Kataloniens Ex-Regionalpräsident Carles Puigdemont stimmte mit den Konservativen und Rechtspopulisten gegen den Gesetzentwurf, der insbesondere katalanischen Unabhängigkeitsaktivisten zugute kommen sollte. Der Junts-Partei reichte der Text nicht, da er ihrer Ansicht nach keine Straffreiheit für Puigdemont garantierte.
Das Gesetz geht nun in einen Parlamentsausschuss zurück und kann dort noch einmal geändert werden. Die Ablehnung des Entwurfs zeigt jedoch die extreme Schwäche der Regierung des Sozialdemokraten Pedro Sánchez, der für seine Mehrheit auf Puigdemonts Junts-Partei angewiesen ist. Sánchez hatte im November mit Hilfe von Puigdemonts katalanischen Unabhängigkeitsbefürwortern eine Regierung gebildet. Im Gegenzug für ihre Unterstützung hatte Sánchez den Unabhängigkeitsaktivisten die Amnestie zugesagt.
Justizminister Félix Bolaños bezeichnete es als "unverständlich", dass die Junts-Partei gegen ein Gesetz stimmte, das sie selbst mit ausgehandelt habe. Er rief die Katalanen-Partei auf, "ihre Haltung zu überdenken", statt ausgerechnet mit den Rechts-Konservativen zu stimmen, "die sie inhaftieren und verbieten wollen".
Die Junts-Partei hatte Dienstag früh überraschend neue Änderungsvorschläge für den Gesetzentwurf eingebracht und Sánchez' Sozialisten zu ihrer Zustimmung gedrängt. Diese lehnten weitere Änderungen jedoch ab, sodass die Junts-Abgeordneten schließlich gegen das Gesetz stimmten. Für den Entwurf votierten 171 Abgeordnete, fünf weniger als zur Verabschiedung nötig. Junts hatte gefordert, dass das Gesetz ausdrücklich auch für alle gelten solle, denen "Terrorismus" oder "Verrat" vorgeworfen wird. Puigdemont drohen in zwei Ermittlungsverfahren Anklagen wegen solcher Vorwürfe.
Die Amnestie und andere Zugeständnisse hatte der sozialistische Regierungschef Pedro Sánchez den "Catalanistas" zugesagt, um sich die Stimmen der separatistischen Parteien Junts und ERC für seine Wiederwahl von Mitte November im Madrider Parlament zu sichern.
Es wird erwartet, dass sich der Justizausschuss nun wieder mehrere Wochen mit dem Projekt befasst. Anschließend muss das Unterhaus über eine neue Fassung abstimmen. Wenn das "Gesetz für die institutionelle, politische und soziale Normalisierung in Katalonien" dann diese Hürde nimmt, muss sich der Senat damit beschäftigen. Dort hat die konservative Volkspartei PP von Oppositionsführer Alberto Núñez Feijoó eine Sitzmehrheit. Neben der PP und Junts lehnte am Dienstag im Unterhaus auch die extrem rechtspopulistische Vox den Gesetzesentwurf ab.
Hintergrund des umstrittenen Amnestiegesetzes sind die gescheiterten Versuche zur Abspaltung Kataloniens von Spanien im Jahr 2017. Die Amnestie soll insbesondere hunderten Aktivisten zugutekommen, die nach der gescheiterten Abspaltung von der spanischen Justiz verfolgt wurden. Puigdemont könnte dann nach Jahren im Exil nach Spanien zurückkehren.
Die Amnestie müsse "vollständig sein" und dürfe "niemanden auf der Strecke lassen, niemanden", begründete Junts-Politikerin Miriam Nogueras während der Debatte im Parlament das Vorgehen. Hintergrund der Junts-Bedenken ist das Vorgehen zweier Richter, die am Montag die Fortsetzung ihrer Ermittlungen um weitere sechs Monate angekündigt hatten.
Das geplante Amnestiegesetz ist in Spanien höchst umstritten und löste heftige Proteste aus. Die PP und die rechtsextreme Vox-Partei werfen dem Sozialdemokraten Rechtsbruch und Machterhalt um jeden Preis vor. Am Sonntag noch waren 45.000 Gegner des Amnestie-Gesetzes im Madrider Stadtzentrum auf die Straße gegangen. Mit diesem Widerstand werde man die gefährdete Demokratie in Spanien retten, sagte Feijóo. Das Vorhaben sei eine "Schande" für das Land.
Die liberale Junts von Separatistenführer Carles Puigdemont, der seit dem gescheiterten Trennungsversuch vom Herbst 2017 in Belgien im Exil lebt, und auch die linke ERC des Regionalpräsidenten Pere Aragonès streben beide die Abspaltung Kataloniens von Spanien an. Sánchez möchte das aber verhindern und den Konflikt durch einen Dialog und durch Zugeständnisse entschärfen.
Zwei Richter ermitteln derzeit in Spanien gegen Puigdemont und weitere Separatisten wegen des Vorwurfs des Terrorismus. Die Betroffenen laufen Gefahr, bei der Amnestie außen vor zu bleiben, wenn die aktuelle Fassung des Entwurfs nicht geändert wird. Das würde zwangsläufig die Stabilität der linken Regierung gefährden.