Der behutsame Modernisierer: Ehemaliger Burgtheaterdirektor Achim Benning mit 89 Jahren verstorben
Der frühere Burgtheaterdirektor Achim Benning ist am Dienstag im Alter von 89 Jahren gestorben. Er galt als Brückenbauer und Erneuerer für das Wiener Burgtheater.
Wien – Zehn Jahre lang, von 1976 bis 1986, leitete Achim Benning das Wiener Burgtheater. Er öffnete das Haus, an dem er, der gebürtige Deutsche, seit 1959 als Schauspieler engagiert war, holte Gastregisseure nach Wien, Dieter Dorn zum Beispiel oder Hans Neuenfels, modernisierte den Spielplan behutsam, indem er etwa Stücke des tschechoslowakischen Dissidenten (und späteren tschechischen Präsidenten) Vaclav Havel zur Uraufführung brachte – und arbeitete am gesellschaftspolitischen Profil des Burgtheaters. Angriffe selbsterklärter Traditionswahrer blieben nicht aus. Der Boulevard tobte als er etwa Elias Canettis „Komödie der Eitelkeiten“ ansetzte.
Weiterhin für die Burg
Als 1987 sein Nachfolger Claus Peymann antrat – und das Getöse noch lauter wurde, blieb Benning der Burg als Gastregisseur treu. 1989 wurde er Intendant des Schauspielhauses Zürich.
Am Dienstag ist Achim Benning, geboren 1935 in Magdeburg, im Alter von 89 Jahren in Wien gestorben. Auf ORF III kommt am Samstag, 3. Februar, um 8.45 Uhr, der neue Dokumentarfilm „Homo Politicus – Achim Benning“ zur TV-Premiere.
Bereits am Mittwoch ist der Film von Kurt Brazda im Wiener Metrokino zu sehen. „Wir werden das Programm mit einer Schweigeminute beginnen“, teilte der Regisseur mit Bedauern mit. Das in Zusammenarbeit mit der Wiener Filmproduktionsfirma MultiSonora entstandene Filmprojekt, zu dem bereits vor neun Jahren das erste Interview geführt wurde, solle das Bild von Achim Benning zurechtrücken sowie seine Leistungen für die österreichische und deutschsprachige Kultur hervorheben.
„Bennings Tätigkeit war in einer Zeit, in der es eine bleierne Presse gegeben hat, die sehr stark durch die Alt-Nazis und Strengkonservativen geprägt war. Er hat ein Theater gemacht, das sich unbeirrt mit der Politik der damaligen Zeit auseinandersetzt hat, ohne eine Show daraus zu machen, es war lebendiges, packendes Theater“, so Brazda.
Das Publikum hätte „das alles mitgemacht“, die Konservativen wären trotz Protesten aus Neugierde gekommen, während die Jungen das Burgtheater zunehmend ansprechender fanden. „Er war die Persönlichkeit, die aus dem guten, aber hausbackenen Burgtheater ein Welttheater gemacht hat.“
Für seine Verdienste „manchmal zu wenig gewürdigt“
„Mit Achim Benning verliert das Burgtheater einen ehemaligen Direktor und Künstler, dessen unbezweifelbare Verdienste manchmal zu wenig gewürdigt wurden“, reagierte Burgtheaterdirektor Martin Kušej auf den Tod Bennings.
Sein Ableben treffe ihn und alle im Burgtheater. Man verneige sich vor ihm in Erinnerung und stillem Gedenken.
In der Zeit des Kalten Krieges habe er den Spielplan für kritische Dramatiker wie Vaclav Havel und Pavel Kohout geöffnet und ihnen mit seiner klaren politischen Haltung eine Exilbühne geboten. Gewürdigt wurde Benning u.a. auch dafür, dass unter ihm mit Angelika Hurwicz erstmals eine Frau am Burgtheater inszenierte.
Erika Pluhar Trauer um „lebenslangen Freund“
„Mit Achim Benning ist nicht nur ein lebenslanger Freund gegangen“, zeigte sich Erika Pluhar in einem Statement betroffen. „Seit der Schauspielschule hatte er unverzichtbar Anteil an meinem Leben. Meine gesamten 40 Jahre Burgtheater (wir beide wurden als Eleven gemeinsam 1959 engagiert), und vor allem dann die Jahre seiner Direktion und meine Arbeiten mit ihm als Regisseur, waren beruflich für mich bestimmend. Dazu kam aber auch eine innige private Verbindung, unsere Kinder wurden zu ähnlicher Zeit geboren, meine Tochter Anna liebte Achim sehr. Vor kurzem konnte ich noch zur Verleihung des 'Großen goldenen Ehrenzeichens der Republik Österreich' im Burgtheater die Laudatio für ihn halten. Bis ans Ende meiner Tage, die ja auch nicht mehr allzu fern sind, werde ich ihn vermissen.“
Auch Bundestheater Holding Geschäftsführer Christian Kircher würdigte „einen ernsthaften und gleichzeitig humorvollen Geist“. Benning sei kritischer Mensch und aufmerksamer Beobachter gewesen.
Betroffenheit auch in der Politik
Auch die Politik zeigte sich betroffen. „Achim Bennings beachtliche Verdienste um die österreichische Kulturgeschichte und insbesondere um das Burgtheater lassen sich kaum in Worte fassen“, hielt Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) zum Tod des Theatermachers fest. Er sei Brückenbauer zur Zeit des Kalten Krieges gewesen, habe das Theater geöffnet und sei bis zuletzt ein kritischer wie auch humorvoller Beobachter künstlerischer und gesellschaftlicher Entwicklungen gewesen. „Mit diesem einzigartigen Wegbereiter ist eine ganze Epoche der Theatergeschichte eng verknüpft“, so Mayer.
„Die Nachricht vom Tod Achim Bennings hat mich zutiefst berührt“, reagierte Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ). „Die Direktion Achim Bennings war überragend, seine Zeit am Wiener Burgtheater war eine echte Ära“, so der Stadtchef. „Großes“ habe Benning für die Theaterwelt und im Besonderen für die Theaterstadt Wien geleistet, zeigte sich Wiens Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) überzeugt. Er habe während seines langen Wirkens bewiesen, wie man lebendiges, ernsthaftes, politisches Theater macht. Benning sei aber nicht nur mit ganzem Herzen ein Mensch des Theaters gewesen.
Ö1 wiederholt in memoriam Achim Benning am Freitag ab 16.05 Uhr eine Ausgabe von Im Gespräch aus dem Jahr 2016.m (jole, APA, TT)