Trotz Terrorismus-Vorwürfen: USA halten an Palästinenserhilfe fest
Terrorismus-Vorwürfe aus Israel und ein Zahlungsstopp belasten die UNO-Palästinenserhilfe. Die USA halten sie dennoch für unverzichtbar. War der Zeitpunkt der Vorwürfe politisch motiviert?
New York, Tel Aviv – Die UNO-Palästinenserhilfe UNRWA kommt nicht aus den Schlagzeilen. Das Wall Street Journal berichtete unter Berufung auf ein israelisches Geheimdienstpapier, dass zehn Prozent der UNRWA-Mitarbeiter im Gazastreifen Verbindungen zur Hamas oder anderen militanten Gruppen unterhalten sollen. Das wären etwa 1300 Personen. Davor war die Rede von zwölf UNRWA-Mitarbeitern gewesen, die am Hamas-Überfall vom 7. Oktober beteiligt gewesen sein sollen.
Israel wettert seit Jahren gegen die UNO-Palästinenserhilfe. Dort gebe es nicht nur „faule Äpfel“, sondern die gesamte UNRWA sei „ein Hort für die radikale Ideologie der Hamas“, zitierte das Wall Street Journal nun einen israelischen Beamten. Und Israels Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, sagte dem Tagesspiegel: „UNRWA steckt schon lange mit den Terroristen unter einer Decke.“
Andere warnen vor einer Überreaktion. US-Außenminister Antony Blinken betonte, UNRWA spiele „eine absolut unverzichtbare Rolle“ bei der humanitären Hilfe im Gazastreifen. Aus US-Sicht sei es „zwingend erforderlich, dass diese Rolle fortbesteht“. Keine andere Organisation habe eine vergleichbare Reichweite, Kapazität und Struktur.
Die USA haben allerdings ihre Zahlungen an UNRWA vorerst eingestellt – ebenso Österreich und weitere westliche Staaten. Ein Bündnis von 21 NGOs äußerte sich am Dienstag „schockiert über die verantwortungslose Entscheidung der Geldgeber, einer ganzen Bevölkerung den Geldhahn zuzudrehen“.
UNO-Generalsekretär António Guterres wollte noch am Dienstag in New York Vertreter der Geberländer treffen. Die derzeitige Finanzierung der UNRWA reiche nicht aus, um die zwei Millionen Zivilisten im Gazastreifen zu unterstützen, warnte er.
Nahost in Kürze
Hamas zu Deal bereit. Die Hamas ist laut ihrem politischen Anführer Ismail Haniyeh bereit, im Gegenzug für eine längere Feuerpause weitere Geiseln freizulassen. Sie prüfe derzeit den Entwurf für eine entsprechende Vereinbarung. Die Vermittler – USA, Katar und Ägypten – zeigten sich am Dienstag vorsichtig optimistisch.
Militär gegen Siedler? Israels Verteidigungsminister Yoav Galant soll den USA versichert haben, dass das Militär eine Wiederbesiedlung des Gazastreifens durch Israelis verhindern würde. Einzelne israelische Regierungspolitiker fordern das.
Exekution im Spital. Israelische Agenten haben in einem Krankenhaus im Westjordanland nach eigenen Angaben drei palästinensische Extremisten getötet. Laut Überwachungskamera (siehe Foto links) waren zwei Mitglieder des Teams als medizinisches Personal verkleidet, drei trugen Frauenkleidung.
Der frühere Chef der UNRWA im Gazastreifen, Matthias Schmale, hält den Zeitpunkt der Vorwürfe für politisch motiviert. Sie waren am Freitag bekannt geworden – kurz nachdem der Internationale Gerichtshof Israel beauftragt hatte, die Palästinenser im Gazastreifen besser zu schützen und versorgen.
Dass einzelne UNRWA-Mitarbeiter an dem Überfall vom 7. Oktober beteiligt gewesen sein sollen, überrasche ihn nicht, sagte Schmale im Deutschlandfunk. Dass aber zehn Prozent Verbindungen zur Hamas haben sollen, halte er für „total übertrieben“. Man habe Mitarbeiter genau beobachtet und auch mehrere „vor die Tür gesetzt“.
Auch Teile des israelischen Sicherheitsapparats sollen es für einen Fehler halten, Vorwürfe gegen UNRWA an die Öffentlichkeit zu spielen, bevor es eine Alternative gibt. Laut New York Times befürchten führende Militärs, dass nach einem Kollaps der UNO-Palästinenserhilfe womöglich Israels Militär die humanitäre Hilfe übernehmen müsste. (TT, dpa, APA)
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