Innenpolitik

Tirols Ärztechef drängt auf Belohnung zur Patientensteuerung

Aus der Tiroler Ärztekammer kommen Vorschläge zur Patientensteuerung
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Tirols Ärztekammerchef Stefan Kastner drängt vehement auf ein Bonus- bzw. "Belohnungssystem", um Patientenströme vermehrt weg von den Spitälern hin zu einem gestärkten, kassenärztlichen niedergelassenen Bereich zu lenken oder für eine andere schnelle Abklärung zu sorgen. So könnte jemand etwa eine Ermäßigung des Sozialversicherungsbeitrages bekommen, sollte er z. B. die Hotline "1450" in Anspruch nehmen, bevor er sich ins Spital begibt, sagte Kastner im APA-Interview.

"Man muss alle Möglichkeiten von Bonifikationen in Betracht ziehen, wenn sich ein Patient an die Regeln im System hält und alle Möglichkeiten ausschöpft, bevor er Krankenhäuser aufsucht", forderte Kastner und betonte gleichzeitig die Wichtigkeit eines solchen "Bonussystems", um die Spitäler zu entlasten. Der Ärztekammerpräsident zeigte sich vom Erfolg einer solchen Maßnahme überzeugt. Dass ein derartiges Modell funktioniere, zeige etwa die Sozialversicherung der Selbstständigen (SVS). Dort müssten Versicherte, die gewisse Gesundheits-Vorsorgeziele erreichen, weniger Selbstbehalt zahlen - statt 20 nur zehn Prozent. "Das funktioniert", erklärte Kastner.

Erst in einem möglichen zweiten Schritt - sollte die Vorgehensweise mit Belohnungen nicht funktionieren - konnte sich Tirols Ärztechef auch Sanktionen vorstellen. Und brachte dabei auch eine Ambulanzgebühr für derartige Fälle ins Spiel - wiewohl er wisse, dass eine solche Gebühr politisch wohl nicht durchzusetzen wäre. Aber Menschen zu "bestrafen" sei nicht sein Ansatz, es gehe in erster Linie um Aufklärung und Bewusstseinsbildung. Eines sei aber auch klar: Vor der Einführung eines Belohnungs- oder Sanktionssystems sei es unabdingbar, dass die Hotline "1450" auch entsprechend ausgebaut und mit Ressourcen ausgestattet ist, was für einen derartigen Einsatz noch nicht der Fall sei. Es gehe um eine rasche telefonische Abklärung, um Hilfe für den Einzelnen - ob Beschwerden wirklich Grund genug sind, gleich ein Krankenhaus aufzusuchen - und gleichzeitig eine notwendige Steuerung für die Allgemeinheit sicherzustellen, meinte Kastner, der bereits vor einem Jahr eine "1450"-Offensive verlangt hatte.

"Wir haben das Problem, dass viele zum Arzt bzw. vor allem in die Spitäler gehen, obwohl sie gar keinen Arzt bräuchten", fand der Tiroler Ärztekammerpräsident deutliche Worte. Man müsse das andererseits aber auch verstehen, denn: "Viele sind verunsichert. Durch 'Dr. Google'. Oder 'Dr. Yahoo'. Oder durch die Künstliche Intelligenz. Je nach Symptom gelingt es dir dann scheinbar, 'dem Tod sehr leicht nahe zu sein'. Um es salopp auszudrücken." "Ein Bienenstich ohne allergische Reaktion braucht keine ärztliche Behandlung. Eine Angina braucht nicht unbedingt die Fachambulanz im Spital oder einen niedergelassenen Facharzt. Sondern einen Allgemeinmediziner", meinte Kastner beispielsweise.

Gleichzeitig sah Kastner ein grundsätzliches, strukturelles Problem. Für den "Geldsäckel" der Gesundheitskasse sei es "natürlich am besten, wenn Patienten die Ambulanz aufsuchen", besser als zum Kassenvertragsarzt oder Wahlarzt zu gehen, weil diesen zur Gänze bzw. zu einem bestimmten Teil finanzieller Ersatz zu leisten ist. Solange dies der Fall ist, sei zwar "jede Steuerung und Bonifikation im System nicht wirklich gewinnbringend und zielführend", aber: "Volkswirtschaftlich macht es Sinn, zum kostengünstigeren Allgemeinmediziner oder Alleinmedizinerin zu gehen."

Den entscheidenden Schlüssel, den Mangel an Kassenvertragsstellen bzw. niedergelassenen Ärzten in den Griff zu bekommen, ortete Kastner indes in einem österreichweiten, gemeinsamen "Honorar- oder Leistungskatalog": "Der muss attraktiv sein. Und es ist klar: Man wird dafür Geld brauchen. Wenn alle Beteiligten wollen, dann kann man noch heuer alles Relevante verhandeln." "Das ist eine Jahrhundertchance. Dann kommt es zur Entlastung der Ambulanzen und Spitäler", zeigte sich der Ärztekammerpräsident überzeugt. Der Vertrag müsse "gut nachvollziehbar für die einzelnen Kollegen sein und es darf keine Limits in der alten Form geben. Es muss ein vernünftiges Einkommen und zeitgemäße Arbeitsbedingungen für die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte herauskommen." Der Bund müsse bereit sein, die Sozialversicherungen entsprechend finanziell zu unterstützen - dann werde man einen Gesamtvertrag zustandebekommen.

Maßnahmen der Regierung wie die im Vorjahr in Aussicht gestellten 100 zusätzlichen Kassenarztstellen mit je 100.000 Euro Startbonus sah Kastner - wie die Bundesärztekammer - kritisch. Mehr Stellen würden keinen Sinn machen, solange die jetzigen freien Stellen "noch nicht an den Mann und die Frau zu bringen sind": "Es bringt nix, wenn ich drei leere Filialen hab, dass ich noch fünf weitere aufsperre." Zudem handle es sich bisher nur um Ankündigungen, die mit "Zurückhaltung" seitens der Kollegenschaft quittiert worden seien: "Und die Bewerberzahlen für die bisherigen Kassenstellen sind seitdem gesunken." Darüber hinaus sei wenn dann ein Startbonus "für jede zu vergebende Kassenstelle" notwendig, nicht nur für die neu zu schaffenden, verlangte Kastner.

Um dem Ärztemangel im niedergelassenen Bereich gegenzusteuern, plädierte Kastner zudem für massive Investitionen in Lehrpraxen, eine sogenannte "Lehrpraxen-Offensive". Zuallererst seien aber "mehr Planstellen an den Krankenhäusern" notwendig. Man müsse die fertig ausgebildeten Mediziner besser von den Universitäten "abholen". "Wir haben viele Leute. Aber diese suchen verzweifelt nach einem Job und finden ihn zunächst nicht", wies der Tiroler Ärztechef auf eine seiner Ansicht nach zu wenig beachtete Problematik hin.

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