Kultur Österreich

"María de Buenos Aires" als poetischer Bilderreigen in Wien

María eingekeilt zwischen den Bandoneons
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Astor Piazzollas "María de Buenos Aires" bleibt eines der enigmatischen Opernwerke des 20. Jahrhunderts, das sich ungeachtet einer mittlerweile langen Inszenierungsgeschichte nur bedingt erschließt. Die Wiener Kammeroper hat am Montag das poetische Stück Musiktheater als nicht minder lyrischen Assoziationsreigen auf die Bühne gebracht. Auch Regisseurin Juana Inés Cano Restrepo gelingt es dabei nur bedingt, das mysteriöse Geschehen zu dechiffrieren. Muss ja aber auch nicht.

Piazzolla und der Dichter Horacio Ferrer haben 1968 die parabelhafte Figur der María geschaffen, die von Engeln auf die Welt gebracht wird und in wenigen Tagen zur Göttin heranwächst, bevor sie von der Unterwelt in Buenos Aires zu Tode gebracht wird und als Schatten auf die Erde zurückkehrt. Dieses ruhelose Schattenwesen wird von den Geistern und Bewohnern wieder zum Leben erweckt, gebiert - und der Kreislauf kann von vorne beginnen.

Diese Metapher auf die Frau an sich, die religiöse Verklärung und die Apotheose der von der Gesellschaft geschaffenen Figur zwischen Heiliger und Hure ist dabei achronologisch gehalten. Zwölf Bilder vereinen in der Nummernoper den magischen Realismus Südamerikas mit dem Tango Nuevo des Komponisten, der sich aus ebenso zahlreichen Quellen speist.

Cano Restrepo und ihre Bühnenbildnerin Anna Schöttl versuchen dabei gar nicht, gegen den Flow anzuarbeiten, die Ratio in den Vordergrund zu spielen. Sie schaffen stattdessen poetische Bilder zu einem poetischen Text, der im schnellen Aufleuchten der Lyrik auf das Publikum einprasselt.

Alles beginnt im getäfelten Ambiente eines Gerichtssaals, öffnet sich alsbald in die Tiefe, wird zum stinkenden Parcours aus Rindenmulch oder zur Bar. Mal wird María von zwei überdimensionalen Bandoneons attackiert, mal entschlüpft sie dem Leichensack, bisweilen agieren die vier Tanzenden des Abends mit Blumengesichtern à la Arcimboldo.

Dass der Abend nicht im assoziativen Blütentraum untergeht, das ist nicht zuletzt das Verdienst der chilenisch-schwedischen Mezzosopranistin Luciana Mancini in der Titelpartie, die mit ihrem rauchigen Timbre die Figur nahe an die der Carmen bringt und dabei vom bärigen Erzählbass Daniel Bonilla-Torres' und der zweiten Singstimme von Jorge Espino flankiert wird. Und nicht zuletzt bringt wie schon bei den Bregenzer Festspielen 2018 das vierköpfige Ensemble folksmilch die Piazzolla-Klänge mit zupackender Spielweise auf den Boden, erdet das Geschehen als Mitspieler auf der Bühne.

(Von Martin Fichter-Wöß/APA)