Er war Putins Erzfeind

In Haft gestorben: Kreml-Kritiker und Oppositionsführer Alexej Nawalny ist tot

Der russische Oppositionsführer Alexej Nawalny ist im Gefängnis gestorben.
© AFP/Moscow City Court press service

Der prominente Kreml-Kritiker sei nach einem Spaziergang zusammengebrochen. Laut Kreml werde die Todesursache untersucht. Der 47-Jährige hat eine jahrelange Haft in einer Strafkolonie verbüßt.

Moskau – Der russische Oppositionsführer Alexej Nawalny ist tot. Das teilte die Gefängnisverwaltung am Freitag mit. Aus dem Kreml hieß es, man habe „keine Information über die Todesursache“. Es würden aber alle erforderlichen Untersuchungen durchgeführt. Kreml-Chef Wladimir Putin sei vom Tode seines Widersachers in Kenntnis gesetzt worden. Nawalny starb kurz vor dem Beginn der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC), zu der auch seine Frau Julia geladen war.

Wie es in der Gefängnismitteilung hieß, fühlte sich Nawalny nach einem Spaziergang am Freitag „unwohl“. Er habe dann „fast sofort das Bewusstsein verloren“. Die alarmierten Ärzte hätten es nicht geschafft, den Häftling wieder zu beleben. Laut dem lokalen Krankenhaus habe die Wiederbelebung „mehr als eine halbe Stunde“ gedauert.

📽️ Video | Kremlgegner Nawalny in Haft gestorben

Unabhängige russische Medien veröffentlichten kurz nach dem Tod Nawalnys ein Video, das den Oppositionellen während eines Gerichtstermins am Donnerstag zeigen soll. Nur einen Tag vor seinem Tod habe Nawalny den Umständen entsprechend noch „fröhlich, gesund und munter“ gewirkt, schrieben etwa die Journalisten des Kanals Sota am Freitag auf Telegram. Dazu zeigten sie einen rund 30 Sekunden langen und tonlosen Clip, auf dem zu sehen ist, wie Nawalny spricht und lächelt. Er war demnach per Videoschaltung in den Gerichtssaal zugeschaltet.

Das Regime soll die Verantwortung übernehmen.
Julia Nawalny

Nawalnys Witwe rief die Weltgemeinschaft von der Münchner Sicherheitskonferenz aus zum Kampf gegen die russische Regierung auf. „Das Regime soll die Verantwortung übernehmen“, sagte sie zu dem am Freitag verkündeten Tod ihres Mannes in russischer Haft. Gleichwohl äußerte sie Zweifel an der Todesnachricht. „Wir können Putin und Putins Regierung nicht glauben. Sie lügen immer“, sagte sie. Nawalnys Mutter sagte, dass sie „keine Beileidsbekundungen hören“ wolle. Sie habe ihren Sohn erst am vergangenen Montag im Straflager besucht, sagte sie der Zeitung Nowaja Gaseta. „Er war lebendig, gesund und lebenslustig.“

Der russische Friedensnobelpreisträger Dmitri Muratow bezeichnete den Tod Nawalnys als „Mord“. Er sei der Ansicht, dass die Haftbedingungen zu Nawalnys Ableben geführt hätten, sagt der Jounalist zur Nachrichtenagentur Reuters. Oppositionspolitiker Boris Nadeschdin sagte, er bete dafür, dass sich die Informationen über seinen Tod als unwahr erweisen würden. „Nawalny ist einer der talentiertesten und mutigsten Menschen Russlands“, schrieb er auf dem Kurzmitteilungsdienst Telegram. Dem Kriegsgegner Nadeschdin war ein Antreten bei der russischen Präsidentenwahl im März verweigert worden.

Nawalny im Juni vergangenen Jahres bei einer Anhörung vor dem Obersten Gerichtshof in Russland.
© APA/AFP/TATYANA MAKEYEVA

Aus dem Team Nawalny hieß es, man könne den Tod nicht bestätigen. „Die russischen Behörden haben ein Geständnis publiziert, dass sie Alexej Nawalny im Gefängnis getötet haben. Wir haben keine Möglichkeit, das zu bestätigen.“ Sein Anwalt Leonid Solowjow sagte der kremlkritischen Zeitung Nowaja Gaseta: „Auf Entscheidung von Alexej Nawalnys Familie kommentiere ich überhaupt nichts.“

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Jahrelange Haft in einer Strafkolonie

Der 47-Jährige hat eine jahrelange Haft in einer Strafkolonie verbüßt. Verurteilt wurde Nawalny unter anderem wegen Extremismus, er hat den Vorwurf stets bestritten. Seine politische Bewegung wurde verboten, enge Mitarbeiter wurden inhaftiert oder flohen ins Ausland. Das Regime von Kreml-Chef Wladimir Putin hatte im Jahr 2020 versucht, ihn mittels eines Giftanschlags aus dem Weg zu räumen. Auf internationalen Druck wurde Nawalny nach Deutschland gebracht, wo er in der Berliner Charité behandelt wurde.

Nach seiner Genesung entschloss sich Nawalny zur Rückkehr nach Russland, wurde aber am 17. Jänner 2021 noch auf dem Moskauer Flughafen verhaftet. Im vergangenen Dezember war der als politischer Gefangener eingestufte Politiker über mehrere Wochen verschwunden. Im Nachhinein erwies sich, dass die Justiz ihn aus dem europäischen Teil Russlands in ein Straflager im hohen Norden Sibiriens verlegt hatte. Nawalny vermutete, dass er dort vor der Präsidentenwahl im März möglichst isoliert werden soll.

International wurde der Tod Nawalnys mit Entsetzen und scharfer Kritik am Putin-Regime quittiert, mitunter verbunden mit Schuldzuweisungen an den russischen Machthaber. Österreich forderte eine vollumfängliche Untersuchung der Todesumstände. Nawalny wurde international als politischer Gefangener anerkannt. Die USA, die EU und Österreich hatten wiederholt die sofortige Freilassung des Oppositionspolitikers gefordert. Russland wies dies aber als Einmischung in seine inneren Angelegenheiten zurück. Der Kreml teilte auch mit, dass er sich nicht um das Schicksal von Gefangenen in Russland kümmern könne.

Mangott: Oppositionsführer „in den Tod getrieben“

Der Innsbrucker Politikwissenschaftler Gerhard Mangott geht davon aus, dass der russische Oppositionsführer Alexej Nawalny in den Tod getrieben wurde. Kreml-Chef Wladimir Putin werde der Tod keinen Schaden zufügen, erklärte Mangott am Freitag im APA-Gespräch. Die Nachricht von Nawalnys Tod werde kleingehalten.

„Die russische Opposition wird von der Brutalität von Putin geschockt sein. In der Bevölkerung wird sich eher weniger tun. Es wird wahrscheinlich die nächsten Tage zu kleinen Protesten kommen, aber diese werden sich eben klein halten“, so Mangott. Denn auf Kritik gegen die russische Regierung folgen Strafen. Aufgrund dessen wird man auf den Straßen wenige Protestierende finden. Jedoch werden diese Proteste wahrscheinlich schnell aufgelöst werden. Es wird auch zu großer Empörung im Ausland kommen. (APA, Reuters, AFP, TT.com)