Onlinedienst X sperrte Konto von Nawalnys Witwe, Russland fahndet nach Bruder
Julia Nawalnaja und die Mutter des Verstorbenen fordern die Herausgabe des Leichnams. Russland eröffnet ein weiteres Strafverfahren gegen Nawalnys Bruder Oleg. Mittlerweile ist der Account von Julia Nawalnaja wieder zugänglich.
Moskau, San Francisco – Der Onlinedienst X (vormals Twitter) hat das Konto der Witwe des in der Haft gestorbenen Kreml-Kritikers Alexej Nawalny am Dienstag gesperrt. Auf dem erst am Vortag eingerichteten Konto von Julia Nawalnaja erschien der Hinweis: "Konto gesperrt. X sperrt Konten, die unsere Regeln verletzen". Nähere Angaben wurden zu den Gründen zunächst nicht gemacht. Kurze Zeit später war der Account wieder zugänglich.
Julia Nawalnja hatte zuvor im Onlinedienst X von Moskau die Herausgabe der Leiche ihres Mannes gefordert. "Es ist mir egal, was der Sprecher des Mörders zu meinen Worten sagt", schrieb Nawalnaja am Dienstag. "Geben Sie Alexejs Leiche zurück und lassen Sie uns ihn würdig beerdigen - hindern Sie die Menschen nicht daran, von ihm Abschied zu nehmen", forderte sie.
Peskow weist Anschuldigungen zurück
Kremlsprecher Dmitri Peskow hatte Anschuldigungen Nawalnajas, dass Kremlchef Wladimir Putin ihren Mann getötet habe, am Dienstag laut russischen Nachrichtenagenturen als "unbegründet und unverschämt" zurückgewiesen. Die 47-Jährige hatte am Montag in einer Videobotschaft Putin für den Tod Nawalnys im Straflager nördlich des Polarkreises verantwortlich gemacht und angekündigt, den Kampf ihres Manns gegen das System des Kremlchefs fortzusetzen.
Peskow sagte, dass weder er noch Putin die Videobotschaft angeschaut hätten. Vor dem Hintergrund, dass "Julia Nawalnaja gerade verwitwet ist", wolle er sich mit Kommentaren zurückhalten. Zugleich verteidigte der Kremlsprecher das brutale Vorgehen von Sicherheitskräften gegen Russen, die in vielen Städten des Landes zum Andenken an den gestorbenen Putin-Gegner Blumen niederlegten und Kerzen anzündeten. Die Uniformierten hätten ihre Aufgabe im Einklang mit den Gesetzen erfüllt, meinte Peskow.
Mutter mit Videobotschaft an Putin
Die Mutter Alexej Nawalnys wandte sich unterdessen per Videobotschaft an Putin und bat ebenfalls um Herausgabe des Leichnams. Sie stehe vor dem Straflager "Polarwolf" und warte schon den fünften Tag darauf, dass sie ihren Sohn sehen dürfe, sagte Ljudmila Nawalnaja in der am Dienstag veröffentlichen Videobotschaft. Dort sei er am 16. Februar gestorben.
"Ich wende mich an Sie, Wladimir Putin. Die Entscheidung der Frage hängt nur von Ihnen ab. Lassen Sie mich doch endlich meinen Sohn sehen", sagte sie. "Ich fordere, unverzüglich den Körper Alexejs herauszugeben, damit ich ihn auf menschliche Weise beerdigen kann", sagte sie. Sie erhalte bisher weder den Leichnam noch werde ihr gesagt, wo der Körper aufbewahrt werde.
Zuvor hatten Ermittler nach Angaben von Nawalnys Team gesagt, dass die Leiche wegen Untersuchungen noch 14 Tage unter Verschluss gehalten werde. Dagegen fordern Angehörige und Mitarbeiter des Oppositionellen die Herausgabe des Leichnams.
Strafverfahren gegen Oleg Nawalny eröffnet
Unterdessen eröffnete Russland gegen den Bruder Alexej Nawalnys staatlichen Angaben zufolge ein neues Strafverfahren. Was genau Oleg Nawalny zur Last gelegt wird, meldete die Nachrichtenagentur Tass zunächst nicht. Die Polizei suche aber bereits nach Oleg Nawalny. Er steht bereits im Zusammenhang mit einer anderen Angelegenheit auf einer Fahndungsliste.
Eine von der EU geforderte internationale Untersuchung zum Tod Alexej Nawalnys lehnte der Kreml ab. "Solche Forderungen akzeptieren wir überhaupt nicht", sagte Kremlsprecher Peskow. Moskau sieht darin eine Einmischung in seine inneren Angelegenheiten. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hatte eine solche Untersuchung des Leichnams gefordert.
Hunderte Menschen waren in den vergangenen Tagen festgenommen worden, weil sie öffentlich des Toten gedachten. In Eilverfahren haben Gerichte Arrest oder Geldstrafen verhängt. Trotzdem zeigten viele Russen weiter öffentlich ihre Trauer. Nawalnys Team kritisierte, dass Menschen in Russland nun schon wegen des Niederlegens von Blumen festgenommen werden. (APA/dpa/AFP)