Kind in Hundebox gesperrt: Beschuldigte Mutter bei Prozessbeginn in Krems „ratlos“
In der Causa um eine Mutter, die im Waldviertel ihren Sohn in eine Hundebox gesperrt und gepeinigt haben soll, begann am Montag der Prozess. Die Frau wird wegen versuchten Mordes angeklagt, sie bekennt sich teilschuldig. Einer möglicher Komplizin wird fortgesetzte Gewaltausübung angelastet. Ein Urteil wird noch diese Woche erwartet.
Krems – In der Causa um einen nunmehr 13-Jährigen, der von seiner Mutter im Waldviertel in eine Hundebox gesperrt und gepeinigt worden sein soll, ist am Montag in Krems unter regem Medieninteresse ein dreitägiger Geschworenenprozess gestartet. Der 33-jährigen Hauptangeklagten wird u.a. versuchter Mord vorgeworfen, sie bekannte sich teilschuldig. Einer möglichen Komplizin wird Bestimmung zur fortgesetzten Gewaltausübung angelastet, was von der 40-Jährigen zum Teil bestritten wird.
Weitere Anklagepunkte in Bezug auf die Mutter des Buben sind Quälen oder Vernachlässigen unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen sowie Freiheitsentziehung. Für die 33-Jährige wurde zudem seitens der Staatsanwaltschaft Krems so wie für die Zweitangeklagte die Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum beantragt. Die Mutter bestreitet den Vorwurf des versuchten Mordes, ist aber zu den beiden weiteren Anklagepunkten geständig. Die Zweitangeklagte bekannte sich zu Beginn ihrer Befragung entgegen vorheriger Ankündigung schuldig, schränkte diese Verantwortung dann aber teilweise ein.
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Sohn bettelte um Essen
Die 33-jährige Alleinerzieherin soll ihren Sohn zumindest von Juli bis November 2022 u.a. geschlagen, gefesselt, geknebelt und ihn wiederholt über Stunden in eine Hundebox (Abmessungen: 57 x 83 x 63 Zentimeter) eingesperrt haben. Zudem soll sie das Kind hungern lassen haben. "Er bettelt um Essen und seine Mutter gibt ihm schlichtweg nichts", schilderte die Staatsanwältin in ihrem Eröffnungsvortrag.
Festgenommen wurde die 33-Jährige am 24. November 2022. Anfang März 2023 klickten dann für die 40-jährige mögliche Komplizin die Handschellen. Die Waldviertlerin wird von der Staatsanwaltschaft zumindest als eine Art Taktgeberin angesehen. Sie stammt aus derselben Region wie die Erstangeklagte, ab 2019 entwickelte sich eine sehr enge "beziehungsartige Freundschaft" zwischen den beiden Frauen, wie es die Vertreterin der Anklagebehörde bezeichnete.
Die Niederösterreicherin soll die 33-Jährige zunächst sozial isoliert und ihr immer wieder Anweisungen zur Bestrafung des Kindes gegeben bzw. die Hauptbeschuldigte in ihrem Verhalten bestärkt haben – persönlich, telefonisch und via Chat-Nachrichten. Über diverse Kommunikationswege dürfte reger Austausch geherrscht haben. "Die haben sich daran erfreut, dieses Kind zu quälen", so die Staatsanwältin. Auch der Vorschlag, den Buben in die Hundebox zu sperren, soll von der 40-Jährigen gekommen sein. "Zwei Frauen haben ein Kind beinahe – Gott sei Dank nur beinahe – zu Tode gequält", sagte die Vertreterin der Anklagebehörde, die gleichzeitig auch von einem "unfassbaren Martyrium" sowie von "Gräueltaten" sprach.
Wirkte fassungslos
Bei ihrer Befragung wirkte die Mutter des Buben oftmals rat- bis sprachlos. "Die Worte können nicht schlimmer sein als das, was sie bereits begangen haben", wurde ihr von der vorsitzenden Richterin vorgehalten. Letztlich erinnerte sich die Beschuldigte an ein aus ihrer Sicht generell schwieriges Verhältnis zu ihrem Sohn. Beide hätten auch nicht die Hilfe bekommen, die sie nötig gehabt hätten, blickte die 33-Jährige zurück.
Für die in der Anklage geschilderten Handlungen und Bestrafungsmethoden fand die Waldviertlerin unter Tränen folgende Erklärung: "Dass er mir folgt und dass er das macht, was ich ihm sage." Ziel sei ein "braves Kind" – in schulischer und privater Hinsicht – gewesen, gab die Beschuldigte sinngemäß an. Sie habe sich von einem ominösen Dritten überwacht gefühlt, ihre eigenen Handlungen und Entscheidungen seien stets von der Zweitangeklagten bestimmt worden. Folge geleistet habe sie auch aus Angst vor der 40-Jährigen.
Im Herbst 2022 sei der Bub rund zwei Drittel der Zeit nicht in der Schule gewesen. Die Fehltage zu begründen, sei "eh schwierig" gewesen, betonte die Mutter. Bei einem Besuch des Jugendamts am 18. November sei auch bereits Thema gewesen, dass es kalt in der Wohnung gewesen sei.
Kind mit kaltem Wasser übergossen
Zugespitzt hat sich die Sache von 20. bis 22. November 2022, auf diesen Zeitraum bezieht sich auch der Vorwurf des versuchten Mordes. Mehrmals täglich soll die Mutter ihren damals zwölfjährigen Sohn mit kaltem Wasser übergossen und gleichzeitig über Stunden hinweg die Fenster der Wohnung geöffnet haben. Bei kaltem Wetter senkte sich die Körpertemperatur des unterernährten, bei einer Körpergröße von 1,70 Meter nur mehr rund 40 Kilo schweren Buben auf 26,8 Grad ab. "Er war in keinem guten Zustand", räumte die 33-Jährige ein.
Trotz dieser Lage hat die Mutter keine medizinische Versorgung veranlasst. Auch das sei ihr von der mutmaßlichen Komplizin zunächst so aufgetragen worden, gab die Frau an, die sich auch auf Wahrnehmungsstörungen berief. Die Zweitangeklagte nahm später Kontakt mit einer Sozialarbeiterin auf und fuhr mit ihr gemeinsam zum Wohnort der Hauptbeschuldigten. An Ort und Stelle alarmierte die Mutter schließlich die Rettung – allerdings "erst über mehrmaliges Insistieren" der Sozialarbeiterin, wie es heißt. Das Kind wurde in der Folge in ein Krankenhaus gebracht und auf der Intensivstation behandelt. Der Gesundheitszustand des Kindes verbesserte sich später. "Psychisch werden ihn die Folgen aber noch jahrelang begleiten", blickte der Opferanwalt voraus. Er forderte 150.000 Euro an Schmerzensgeld ein. Laut einer Gutachterin liegt bei dem Buben eine posttraumatische Belastungsstörung vor. Die Expertin sah beim nun 13-Jährigen zudem die "Wahrscheinlichkeit stark erhöht, dass er zukünftig in seiner Persönlichkeit verformt bleiben wird".
Nach dem Krankenhaustransport des Zwölfjährigen ging es für die Mutter an die Beweismittelbeseitigung. Sie versuchte eigenen Angaben zufolge in Absprache mit ihrer Freundin, ihr Handy zu zerstören: "Falls die Polizei kommt." Ausgemacht wurde auch, gegenseitige Chat-Nachrichten zu löschen.
Laut dem psychiatrischen Gutachten von Peter Hofmann waren die beiden Angeklagten zum Tatzeitpunkt zurechnungsfähig. Es besteht demnach aber eine große Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Frauen in absehbarer Zeit erneut schwere Körperverletzungsdelikte begehen werden.
Astrid Wagner, die Verteidigerin der Erstangeklagten, gab zu Protokoll, dass ihre Mandantin nicht die medial so präsentierte "Horror-Mutter" sei. Die 33-Jährige sei durch die mutmaßliche Komplizin in "den Sog eines bösen Menschen" und in eine Hörigkeit geraten. Der Bezug zur Realität sei dabei völlig verloren gegangen.
Die Zweitangeklagte habe "gewusst, dass die Mutter völlig überfordert ist und ihr Kind völlig falsch erzieht", räumte deren Anwalt Sascha Flatz ein. Seine Mandantin habe Kenntnis über einige der Handlungen gehabt, jedoch nicht gewusst, "dass das in dem Ausmaß passiert". Generell habe die Erstangeklagte "alle manipuliert".
Mutter droht lebenslange Haft
Die Mutter könnte im Fall einer Verurteilung wegen versuchten Mordes bis zu lebenslange Haft ausfassen. Die Strafdrohung für die Mitangeklagte wegen fortgesetzter Gewaltausübung als Beitrags- oder Bestimmungstäterin beträgt bis zu zehn Jahre. Fortgesetzt werden soll das Verfahren am (morgigen) Dienstag, Urteile sind für Donnerstag geplant.
Medial laut wurde in der Causa mehrmals Behördenkritik. Seitens der Kinder- und Jugendhilfe wurde betonte, dass eine sofortige Prüfung der internen Abläufe nach Bekanntwerden des Falls ergeben habe, dass "alle Vorgaben eingehalten wurden". Vom Land eingerichtet wurde eine sechsköpfige, unabhängige Expertengruppe, die im August 2023 ihre Arbeit aufnahm. Die Tätigkeit sei in der "finalen Phase", hieß es auf APA-Anfrage aus dem Büro der niederösterreichischen Landesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ). Ein genauer Zeitpunkt für die Präsentation des Abschlussberichts stand aber noch nicht fest. (APA)
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