Gipfeltreffen zu Gewaltschutz

Gewaltschutz soll nach beispielloser Femizid-Serie ein „Dach“ erhalten

Die Regierung will im Gewaltschutzbereich bessere Vernetzung und Koordination zwischen Playern wie Frauenhäuser, Beratungseinrichtungen, Gewaltschutzzentren und Polizeidienststellen.
© GEORG HOCHMUTH

Nach einer Serie an Femiziden will die Regierung den Gewaltschutzbereich besser vernetzen. Innenminister Karner (ÖVP) kündigte in Zusammenhang mit dem Dreifach-Mord an Prostituierten Schwerpunktkontrollen im Rotlichtmilieu an. Von anderen Ländern will man lernen.

Wien – Eine beispiellose Serie an Tötungsdelikten an Frauen und einer Jugendlichen) hat Österreich in den vergangenen Tagen erschüttert: Seit Freitag wurden fünf Frauen und ein 13-jähriges Mädchen getötet. Die zuständigen Ministerinnen und Minister trafen deshalb am Donnerstag in Wien mit VertreterInnen aus Bund, Ländern, den Behörden sowie Gewalt- und Opferschutzeinrichtungen zusammen.

Schwerpunkt auf Koordination und Vernetzung

Die Regierung plant die Entwicklung einer nachhaltigen Gewaltschutz-Strategie. Im Zuge dessen sollen alle involvierten Player wie Frauenhäuser, Beratungseinrichtungen, Gewaltschutzzentren und Polizeidienststellen noch stärker miteinander vernetzt werden, betonten Innenminister Gerhard Karner (ÖVP), Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) und Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) einhellig vor Medienvertretern. Wie Raab sagte, gehe es dabei um eine noch stärkere Koordinierung und Vernetzung aller Einrichtungen und darum, ein „gemeinsames Dach über alle zu spannen".

📽️ Video | Gewaltschutz: Schwerpunktaktionen im Rotlichtmilieu angekündigt

Konkrete Details und einen konkreten Zeitrahmen dazu ließ das Trio jedoch offen. Man wolle hier bewusst „keine Schnellschüsse", erklärte Rauch. Der bereits eingeschlagene Weg solle jedoch „fortgesetzt werden". Man habe hier auch bereits die Unterstützung von Justizministerin Alma Zadic (Grüne) zugesagt bekommen, die sich am Donnerstag aufgrund eines „unaufschiebbaren Termins" entschuldigen ließ.

Die Regierungsmitglieder berieten mit VertreterInnen aus Bund, Ländern, den Behörden sowie Gewalt- und Opferschutzeinrichtungen.
© GEORG HOCHMUTH

Blick in andere Länder

Bei der Strategie wolle man zudem auch in andere Länder schauen. „Was machen andere Länder besser?", sagte Rauch. Zudem solle jeder einzelne Fall auf wissenschaftlicher Basis analysiert werden, hieß es. Die „evidenzbasierte Strategie" solle ihm zufolge bis in die Länder, Bezirke und Gemeinden reichen. Rauch unterstrich, dass sein Ministerium bereits das Projekt „StoP – Stadtteile ohne Partnergewalt" in den vergangenen Jahren massiv ausgebaut habe. Der Gesundheitsminister will zudem auch Arztpraxen, „die oft letzte Anlaufstelle für Frauen als Opfer von Gewalt sind", stärker in die Sensibilisierung miteinbeziehen.

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Gerade die jüngsten Femizide hätten gezeigt, dass jeder Fall einzeln betrachtet werden müsse. Binnen von 24 Stunden waren am Freitag zuerst eine Mutter und ihre 13-jährige Tochter in Wien-Landstraße und am späteren Abend drei Prostituierte in einem Bordell in Wien-Brigittenau getötet worden. Diesen Montag wurde der nächste Fall einer 84-Jährigen im niederösterreichischen Bezirk Lilienfeld bekannt, die von ihrem 93-jährigen Ehemann getötet worden sein soll.

Schwerpunktaktionen im Rotlichtmilieu angekündigt

Karner erklärte, dass im Zuge der Kriminaldienstreform die derzeitigen noch nebenamtlichen Koordinatoren für Gewaltschutz in den Ländern in Zukunft hauptamtlich arbeiten sollen. Zusätzlich sollen eigene Regionalkoordinatoren in den Bezirken sowie eine eigene Analysestelle im Bundeskriminalamt geschaffen werden. Diese sei „bereits im Aufbau", sagte der Minister.

Er verwies zudem auf die Aufstockung an spezialisierten Polizistinnen und Polizisten. Hier sei man bei einem Personalstand von österreichweit 1200 Präventionsbeamtinnen und Präventionsbeamten angekommen. Nach dem für Karner „dramatischen Wochenende" mit drei getöteten Sexarbeiterinnen habe er zudem „gezielte Schwerpunktaktionen im Rotlichtbereich in Auftrag gegeben".

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Raab ergänzte, dass die „Fachberatungsstellen für Sexdienstleisterinnen" finanziell um 51 Prozent aufgestockt werden. Man sei damit bei einem Betrag von rund 755.000 Euro. „Wir wollen die Möglichkeit stärken, dass Frauen aus dem Rotlichtmilieu in andere Bereiche und andere Erwerbstätigkeiten umsteigen", so die Ministerin.

Marina Sorgo, die dem Dachverband der Gewaltschutzzentren vorsteht, begrüßte am Donnerstag ausdrücklich die Schaffung eines nachhaltigen Konzepts. „Gewaltprävention muss auf Opfer- und Täterseite passieren", sagte sie. Sie hob darüber hinaus die Relevanz von Fallanalysen hervor. Sie forderte daraus Schlüsse für die Präventionsarbeit zu ziehen. „Weil wir ja wissen, dass bei den meisten Morden, die in den letzten Jahren passiert sind, sich die Frauen keine Hilfe holten", so Sorgo. (TT.com, APA)

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