Erdrutschsiege für Trump am Super Tuesday
Ex-Präsident Donald Trump hat am Super Tuesday bei den Vorwahlen zur Kür der US-Präsidentschaftskandidaten triumphiert. Er setzte sich bei den Republikanern in 14 der 15 am Dienstag abstimmenden Staaten klar gegen seine verbliebene Rivalin Nikki Haley durch, darunter in Texas, Kalifornien und Virginia. In Vermont siegte die Ex-UNO-Botschafterin knapp; so konnte sie ein komplettes Wahldesaster verhindern. Bei den Demokraten gewann Amtsinhaber Joe Biden alle 15 Staaten.
Haley will in Konsequenz ihre Präsidentschaftsbewerbung zurückziehen, berichtete das "Wall Street Journal". Sie wolle das am Mittwoch offiziell ankündigen. Schmerzlich für sie war vor allem die klare Niederlage in Virginia, dem einzig größeren Staat, in dem sie sich Chancen ausgerechnet hatte. Trump siegte dort mit 63 zu 35 Prozent. Um die Zwei-Drittel-Mehrheit bewegten sich auch seine Siege in Massachusetts, Colorado und Minnesota. In Kalifornien kam er auf 75 Prozent, in Texas auf 78 Prozent. Werte über der 70-Prozent-Marke gab es für Trump auch in North Carolina, Maine, Arkansas und Tennessee. In Oklahoma und Alabama erreichte er sogar mehr als 80 Prozent.
Auch in Alaska gewann Trump klar: Wie die Sender CNN und NBC in der Nacht auf Mittwoch (Ortszeit) unter Berufung auf eigene Prognosen berichteten, lag Trump auch dort deutlich vor seiner Konkurrentin Haley. In Utah prognostizierte das Institut Dan Jones & Associates einen Vorsprung Trumps vor Haley im Ausmaß von 27 Prozentpunkten.
Vermont, politische Heimat des demokratischen Linksaußen-Senators Bernie Sanders, bewahrte Haley jedoch vor dem kompletten Untergang. Im spärlich besiedelten Ostküstenstaat besiegte sie Trump mit 50 zu 46 Prozent der Stimmen. Vor dem Super Tuesday hatte die frühere US-Botschafterin bei der UNO lediglich im Hauptstadtbezirk Washington D. C. einen symbolischen Sieg gegen Trump eingefahren, bei den acht restlichen Vorwahlen hatte der im Jahr 2020 abgewählte Präsident das bessere Ende für sich gehabt.
Kurz vor Bekanntwerden von Haleys Sieg in Vermont trat Trump vor seine Anhänger und sprach von einem "fantastischen Abend". Trump äußerte sich nicht zu seiner Konkurrentin, rief seine Partei aber zur Einheit auf. "Wir haben eine großartige republikanische Partei mit enormen Talenten. Und wir wollen Einheit, und wir werden Einheit haben, und es wird sehr schnell gehen", sagte er. Dies dürfte als Seitenhieb auf Haley, die er ansonsten nicht erwähnte, zu verstehen gewesen sein. Trump hat sich in der Vergangenheit häufig maximal genervt davon gezeigt, dass diese nicht einfach aufgibt. Solange Haley weiter im Rennen ist, muss Trump Geld und Zeit im Wahlkampf für Angriffe gegen sie aufwenden und kann sich nicht einzig auf Biden konzentrieren.
Trump griff den Amtsinhaber in seiner Rede in Mar-a-Lago an und warf ihm vor, die USA in den Untergang zu treiben. Der Demokrat sei "der schlechteste Präsident in der Geschichte des Landes". Trump hat bereits während seiner ersten Amtszeit mit politischen Normen gebrochen, internationale Partner vor den Kopf gestoßen und schließlich nach der verlorenen Wahl im Jahr 2020 nicht davor Halt gemacht, zu versuchen, das Wahlergebnis, das zugunsten Bidens ausfiel, zu kippen. Sollte Trump die Wahl am 5. November gewinnen, dürfte seine Politik noch einmal deutlich extremer werden. Die weitere US-Unterstützung für die von Russland angegriffene Ukraine steht dann außenpolitisch ebenso auf dem Spiel wie die Mitgliedschaft der USA in wichtigen internationalen Bündnissen wie beispielsweise der NATO.
Haley hatte sich zunächst nicht geäußert, ihr Team kommentierte die Ergebnisse zurückhaltend. Man fühle sich "geehrt", die "Unterstützung von Millionen von Amerikanern im ganzen Land erhalten zu haben, auch in Vermont", teilte die Sprecherin des Wahlkampfteams, Olivia Perez-Cubas, in der Nacht auf Mittwoch mit, bevor die Rückzugsabsichten publik wurden. In jedem US-Staat gebe es nach wie vor eine große Anzahl an republikanischen Wählern, die ihre "tiefe Besorgnis über Donald Trump" zum Ausdruck brächten. Dies sei nicht die Einigkeit, die die Partei für ihren Erfolg brauche, so Perez-Cubas.
Biden holte in Iowa, Maine, Alabama, Tennessee und Kalifornien mehr als 90 Prozent der Stimmen. Knapp darunter landete er in Texas, Virginia, North Carolina, Colorado, Arkansas, Vermont, Massachusetts und Utah. Mit 69 Prozent das schlechteste Ergebnis fuhr Biden in Minnesota ein, wo 19 Prozent der Vorwahl-Teilnehmer bewusst keine Festlegung trafen. In der Republikaner-Hochburg Oklahoma landete er nur bei 73 Prozent. Im Außengebiet Amerikanisch-Samoa mit seinen 50.000 Einwohnern, das zu den USA gehört, aber nicht zu den 50 US-Staaten, setzte es für den Amtsinhaber sogar eine peinliche Niederlage. Bei gerade einmal 91 abgegebenen Stimmen setzte sich der Unternehmer Jason Palmer mit 51 zu 40 Stimmen durch. Die endgültigen Ergebnisse der Demokraten aus Kalifornien dürften wohl erst in Tagen vorliegen.
Biden muss zwar aus seiner Partei keine Konkurrenz im Rennen um die Kandidatur fürchten, steht jedoch immer wieder wegen seines hohen Alters von 81 Jahren unter Beschuss. Außerdem sind seine Beliebtheitswerte im Keller. "Donald Trump hat geschworen, vom ersten Tag an ein Diktator zu sein", warnte Biden in einer Mitteilung am Wahlabend vor den Folgen einer möglichen zweiten Präsidentschaft Trumps für die Vereinigten Staaten. Trump sei fest entschlossen, die Demokratie der USA zu zerstören und den Menschen grundlegende Freiheiten zu nehmen, darunter die Möglichkeit, dass Frauen selbst über ihre Gesundheit entscheiden könnten, sagte Biden mit Blick auf die Abtreibungsgesetze.
Formell werden bei den Vorwahlen die Delegierten bestimmt, die bei den Nominierungsparteitagen von Demokraten und Republikanern im Sommer den Präsidentschaftskandidaten wählen. Im Rennen der Republikaner hielt Trump nach seinen ersten Super-Tuesday-Siegen bereits bei 910 Stimmen, Haley hatte lediglich 84 Stimmen. Für die Nominierung sind mindestens 1.215 Stimmen erforderlich. Biden hatte 1.312 Stimmen gesammelt und war ebenfalls noch von der absoluten Mehrheit (1.968) entfernt. Rein rechnerisch haben also Trump und Biden die Kandidatur noch nicht in der Tasche, rein politisch dürfte aber kein Weg mehr an ihnen vorbeiführen. Die eigentliche Präsidentenwahl findet am 5. November statt.
Anders als in den vergangenen Jahren fehlt dem Super Tuesday heuer praktisch jegliche politische Spannung. Während Biden als Amtsinhaber bei den Demokraten gesetzt ist, sahen Beobachter bei den Republikanern keine Chance für Haley. Es war allgemein erwartet worden, dass sie nach dem Super Tuesday das Handtuch wirft. Andernfalls war aber auch über eine mögliche Kandidatur Haleys als unabhängige Kandidatin spekuliert worden. Haley hatte jüngst klar gemacht, dass sie sich nach einem Wechsel in der republikanischen Parteiführung nicht mehr an die ursprüngliche Festlegung gebunden fühlen würde, den republikanischen Präsidentschaftskandidaten bei der Wahl im November zu unterstützen. Haley hatte ihre Angriffe auf Trump jüngst deutlich verschärft und sieht sich - ähnlich wie Biden - als Verteidigerin der US-Demokratie gegen den Amtsinhaber.
Nachwahlbefragungen deuteten indes auf die Bedeutung der Gerichtsverfahren gegen Trump für die Wiederwahlchancen des republikanischen Ex-Präsidenten hin. Wie der Datenanbieter Edison Research am Dienstag bekannt gab, waren 40 Prozent der Teilnehmer an der republikanischen Vorwahl in Virginia der Ansicht, dass Trump bei einem Schuldspruch nicht mehr für das Präsidentenamt geeignet wäre. In North Carolina waren es 32 Prozent und in Kalifornien 23 Prozent. Virginia hält nach Angaben von Ballotpedia offene Vorwahlen ab, bei denen jeder Wähler bei jeder Partei abstimmen kann. Daher könnten in der Stichprobe auch Demokraten erfasst sein. Die Abstimmung in North Carolina ist dagegen parteigebunden.
Trump sieht sich mit einer ganzen Reihe von Gerichtsverfahren konfrontiert. Bei einigen wird davon ausgegangen, dass ein endgültiges Urteil erst nach der Wahl Anfang November fällt. Bei der Abstimmung wird allgemein mit einem knappen Ergebnis gerechnet. Sollte der führende republikanische Bewerber gewinnen, könnte er als Präsident die Einstellung einiger Verfahren bewirken und sich Experten zufolge auch selbst begnadigen. Trump hat in allen Fällen die Vorwürfe zurückgewiesen und von politisch motivierten Verfahren gesprochen.