Gender-Gap an der Wahlurne: Frauen wählen eher links, Männer rechts
Die Einkommensungleichheit ist nicht die einzige Lücke zwischen den Geschlechtern. Auch beim Wahlverhalten gibt es einen Gender Gap. Warum Frauen oft mit autoritäre Positionen weniger anfangen können, erklären zwei Expertinnen. Doch rechte Parteien reagieren darauf.
Wien – Bis zur Nationalratswahl im Herbst dauert es noch eine Weile. Zahlreiche Umfragen sagen aber jetzt schon den Wahlsieger voraus. Doch auch ein Blick in vergangene Urnengänge lohnt sich. Daraus kann man interessante Details ableiten.
So gibt es etwa im Wahlverhalten geschlechterspezifische Unterschiede: Frauen wählen tendenziell linke, Männer konservative Parteien. Warum das so ist, erklären die Politikwissenschafterinnen Jessica Fortin-Rittberger von der Uni Salzburg und Sylvia Kritzinger von der Uni Wien.
Frauen wählen tendenziell links
In Österreich hatten bei der vergangenen Nationalratswahl 2019 mehr Frauen die Grünen und weniger die FPÖ gewählt, wie Daten vom Institut Foresight (früher SORA) zeigen. Nicht für jede Partei gibt es einen Gender Gap (einen geschlechterspezifischen Unterschied), konstatiert Fortin-Rittberger. Jedoch würden Frauen weniger oft populistische, radikal rechte Parteien wählen als Männer. Das zeige sich auch international – etwa in der Wählerschaft Donald Trumps in den USA, jener der UKIP in Großbritannien oder der AfD in Deutschland. Bei der ÖVP gab es bei der Nationalratswahl 2019 einen kleinen Gender Gap, bei der SPÖ gar keinen. Die NEOS waren – anders als in den beiden vorangegangenen Nationalratswahlen, bei denen es keine Unterschiede gab – eher bei Frauen beliebt.
Wählerinnen tendierten aber nicht immer nach links: Bis in die 1960er-Jahre hätten sie in europäischen Ländern grundsätzlich eher konservativ gewählt, sagt Kritzinger. In den 1970er-Jahren hätte es dann einen Wandel hin zu Mitte-Links-Parteien gegeben, die soziale Absicherung sowie Bildungsfragen und Familienhilfen thematisierten. Frauen scheinen jedenfalls jene Parteien zu belohnen, die sich für Themen einsetzen, die ihnen wichtig sind, erklärt Fortin-Rittberger. Derzeit seien das etwa die Förderung von Geschlechtergleichheit durch Frauenquoten, Kinderbetreuung oder Maßnahmen gegen Gewalt an Frauen.
FPÖ könnte heuer punkten
Erklärungsansätze dafür, dass Frauen seltener Rechtsaußen-Parteien wählen, seien etwa, dass sie seltener in von der Globalisierung bedrohten Jobs arbeiten oder dass sie wirtschaftliche Positionen beim Wählen weniger in Betracht ziehen, sagt Fortin-Rittberger. Frauen würden außerdem weniger oft autoritäre Positionen vertreten. Manche radikal rechte Parteien hätten mittlerweile aber erkannt, dass sie für Frauen nicht sehr ansprechend seien, und würden sie nun strategisch umwerben. Etwa, indem sie mehr Frauen nominieren und sie prominent auf Wahllisten platzieren.
Aufgrund der Beliebtheit ihrer Themen könnte auch die FPÖ im Superwahljahr mehr Frauen anziehen. Die Themen, die die Freiheitlichen ansprechen (Covid-Maßnahmen, Migration etc.) würden von Wählern und Wählerinnen als wichtig empfunden. Hier gebe es wohl keine zu großen Unterschiede mehr, sagt Kritzinger. (APA, TT)