Außenpolitik Österreich

Van der Bellen eröffnet neues Holocaust-Museum in Amsterdam

Alexander Van der Bellen eröffnet Holocaust-Museum in Amsterdam
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Begleitet von Protesten gegen Israels Vorgehen im Gazastreifen ist in Amsterdam das neue Nationale Holocaust-Museum eröffnet worden. Bundespräsident Alexander Van der Bellen betonte bei der Feier in der Portugiesischen Synagoge am Sonntag die besondere Verantwortung Österreichs. "Arthur Seyß-Inquart, der Reichskommissar der Nazis in den Niederlanden, war ein Österreicher", sagte Van der Bellen. Der israelische Präsident Yitzhak Herzog warnte vor wachsendem Antisemitismus.

Herzog war von Demonstranten mit Buhrufen empfangen worden. Nahe der Eröffnungsfeierlichkeiten demonstrierten mehrere Tausend Menschen gegen die Angriffe der israelischen Armee auf die palästinensische Zivilbevölkerung im Gazastreifen und gegen den Besuch von Herzog. In lauten Sprechchören warfen sie Israel Massenmord vor. Bei der Demonstration kam es auch vereinzelt zu Zusammenstößen mit der Polizei.

Der israelische Präsident beklagte bei der Eröffnungsfeier, an der auch Holocaust-Überlebende teilnahmen: "Antisemitismus und Hass blühen erneut weltweit." Er appellierte, dagegen zu kämpfen. "Niemals wieder beginnt jetzt." Herzog rief auch dazu auf, für die von der palästinensischen Islamistenorganisation Hamas am 7. Oktober entführten jüdischen Geiseln und Frieden zu beten. Der niederländische König Willem-Alexander rief dazu auf, sich gegen Antisemitismus zu wenden. "Giftige Worte und Taten können zu einer tödlichen Dynamik führen."

Van der Bellen, der gemeinsam mit seiner Frau Doris Schmidauer auf Einladung des niederländischen Königs an der Museumseröffnung teilnahm, betonte laut Redetext: "Es war ein Österreicher, der die Deportation von über 100.000 Jüdinnen und Juden aus den Niederlanden in Vernichtungslager der Nazis veranlasste." Es sei ein Österreicher gewesen, "der eine halbe Million Menschen aus den Niederlanden zu Zwangsarbeit nach Deutschland versklavte. Es war jemand aus unserer, aus der österreichischen Gesellschaft", so Van der Bellen mit Blick auf den Wiener Rechtsanwalt Seyß-Inquart, der auch eine Schlüsselrolle beim sogenannten Anschluss Österreichs an Hitler-Deutschlands gespielt hatte. In der Endphase des autoritären Bundesstaates Österreich war er zunächst Innenminister und nach dem Rücktritt des austrofaschistischen Diktators Kurt Schuschnigg auch Bundeskanzler. In dieser Funktion beurkundete Seyß-Inquart am 13. März 1938 die Eingliederung Österreichs ins Deutsche Reich.

"Österreich steht damit in besonderer Verantwortung", unterstrich Van der Bellen. Diese Verantwortung bedeute, dass es zu wenig sei, zu sagen: "Niemals wieder", erklärte Van der Bellen weiter. "Wir müssen diesen Worten gerecht werden." So dürfe nicht zugelassen werden, dass Menschen beschimpft oder angegriffen würden, wenn sie etwa eine Kette mit dem Davidstern tragen oder hebräisch sprechen. "Indem wir entschieden und aus tiefster Überzeugung gegen jede Form von Antisemitismus und Hass auftreten, erst dann werden wir den Worten 'Niemals wieder' gerecht." Orte wie das Holocaust-Gedenkmuseum würden daran erinnern, "wie unmenschlich der Mensch sein kann" und daran, "dass wir viel zu oft vergessen, dagegen einzutreten, wenn die Würde eines Menschen verletzt wird". Van der Bellen dankte für die Schaffung des Museums. "Wir brauchen es."

Österreich unterstützt das Museum mit 400.000 Euro bei der Umsetzung von Bildungsprogrammen. "Ich bin stolz, dass das Bundeskanzleramt diesen wichtigen Ort des Gedenkens mit 400.000 Euro unterstützt hat", betonte Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) in einer Aussendung. "Wir dürfen die Schrecken der Vergangenheit niemals vergessen und gleichzeitig mit umfassender Unterstützung von jüdischen Leben unserer Verantwortung täglich gerecht werden."

Fast 80 Jahre nach Kriegsende soll das Holocaust-Museum im historischen jüdischen Viertel von Amsterdam an die Geschichte der Verfolgung niederländischer Juden während des Zweiten Weltkrieges erinnern. Etwa 102.000 Juden, drei Viertel der jüdischen Bevölkerung, waren damals von Nazis ermordet worden - so viele im Verhältnis wie aus keinem anderen europäischen Land.

Mit Objekten, Fotos, Filmen sowie Installationen erzählt das Museum die Geschichte der systematischen Verfolgung, die zum Massenmord führte. Ein Raum ist von oben bis unten tapeziert mit den Rassengesetzen und Verordnungen über den Ausschluss der Juden. In Vitrinen sind aber auch persönliche Objekte zu sehen wie etwa eine Puderdose oder ein Kinderkleidchen. Das Museum befindet sich an dem Ort in Amsterdam, an dem sich ein Teil der Verfolgung selbst abgespielt hatte und die meisten Juden in die Lager deportiert worden waren. Dort war aber auch eine Kinderkrippe, aus der etwa 600 Kinder gerettet wurden.

Nahe des Museums skandierten pro-palästinensische Demonstranten "Waffenstillstand jetzt" und "Hört auf, Kinder zu bombardieren". Einige trugen Plakate mit der Aufschrift "Juden gegen Völkermord" und "Der Enkel eines Holocaust-Überlebenden sagt: Stoppt den Holocaust in Gaza". Mehrere Kundgebungsteilnehmer zündeten Feuerwerkskörper an und bewarfen die Polizei mit Eiern.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International stellte in der Nähe des Museums Umleitungsschilder auf, die Herzog zum Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag führen sollten. Südafrika hatte Israel vor dem IGH wegen des Vorwurfs verklagt, gegen die Völkermordkonvention zu verstoßen. Südafrika legt Herzog zur Last, erklärt zu haben, dass nicht nur Militante, sondern "eine ganze Nation" für den Angriff vom 7. Oktober verantwortlich sei und dass Israel kämpfen werde, "bis wir ihnen das Rückgrat brechen". Herzog wies dies als falsch zurück. Seine Äußerungen würden nur teilweise wiedergegeben, um ihn vor dem IGH verklagen zu können, erklärte er.

Das Museum teilte mit, dass es Herzog vor dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober und der darauffolgenden israelischen Offensive im Gazastreifen eingeladen hatte. Das Museum sei sich bewusst, dass Herzogs Anwesenheit Fragen aufwerfe. Er repräsentiere das Heimatland der nach Israel ausgewanderten niederländischen Holocaust-Überlebenden, hieß es in der Stellungnahme an die Medien.

Im Anschluss an die Eröffnungsfeier traf Herzog mit Van der Bellen zu einem Gespräch zusammen. Van der Bellen bekräftigte im Anschluss auf X, dass Österreich "standhaft angesichts von Hass und Antisemitismus" sei und auch Israel beim Verlangen nach der Freilassung aller Geiseln unterstütze. Thema des Gesprächs sei auch die humanitäre Lage im Gazastreifen gewesen. "Was wir jetzt dringend brauchen, ist eine befristete Feuerpause, um alle Geiseln aus Gaza herauszubekommen und gleichzeitig wesentlich mehr Hilfe nach Gaza", so Van der Bellen.

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