Unverständnis und Kritik

„Schämen Sie sich nicht, zu verhandeln“: Papst-Appell empört die Ukraine

In der Ukraine und nicht nur dort stößt Franziskus’ Aufruf, Kiew und Moskau sollten verhandeln, auf Unverständnis und Kritik.

Kiew, Rom, Berlin – Papst Franziskus hatte in einem Interview mit dem italienischsprachigen Schweizer Fernsehen RSI mit Blick auf den schon mehr als zwei Jahre laufenden Krieg in der Ukraine zu Verhandlungen aufgerufen. „Wenn man sieht, dass man besiegt ist, dass es nicht gut läuft, muss man den Mut haben, zu verhandeln.“ Ohne eine der beiden Konfliktparteien Russland oder Ukraine direkt beim Namen zu nennen, fügte er hinzu: „Schämen Sie sich nicht, zu verhandeln, bevor es noch schlimmer wird.“ An anderer Stelle in dem Interview sagte er: „Verhandlungen sind niemals eine Kapitulation.“

Der ukrainische Botschafter beim Heiligen Stuhl, Andrij Jurasch, fragte auf X, ob im Zweiten Weltkrieg jemand mit Hitler ernsthaft über Frieden gesprochen und die weiße Fahne geschwenkt habe, um ihn zu befrieden. Der ehemalige ukrainische Botschafter in Österreich, Olexander Scherba, nannte Franziskus einen „Kleingläubigen“.

Mit Blick auf Moskau und den russischen Präsidenten Wladimir Putin fügte Jurasch laut Kathpress hinzu, die Lektion aus der Geschichte sei: „Wenn wir den Krieg beenden wollen, müssen wir alles tun, um den Drachen zu töten!“

Wie wäre es, wenn man zum Ausgleich Putin ermutigt, den Mut zu haben, seine Armee aus der Ukraine abzuziehen? Dann würde sofort Frieden einkehren, ohne dass Verhandlungen nötig wären.
Polens Außenminister Radoslaw Sikorski

Die ukrainische Menschenrechtsaktivistin Oleksandra Matwijtschuk erklärte laut Kathpress, was eine Kapitulation und eine russische Besatzung für die Ukraine bedeuten würden: „Folter, sexuelle Gewalt, zwangsweises Verschwinden, Ablehnung der eigenen Identität, Zwangsadoption der eigenen Kinder, Filtrationslager und Massengräber.“ Die Co-Gründerin des „Internationalen Zentrums für den Ukrainischen Sieg“, Olena Haluschka, twitterte: „Der Papst sollte endlich den Mut haben, einen Aggressor zu verurteilen, anstatt dem Opfer vorzuwerfen, dass es sich gegen einen Völkermord wehrt.“ Polens Außenminister Radoslaw Sikorski meinte auf X: „Wie wäre es, wenn man zum Ausgleich Putin ermutigt, den Mut zu haben, seine Armee aus der Ukraine abzuziehen? Dann würde sofort Frieden einkehren, ohne dass Verhandlungen nötig wären“, twitterte Sikorski am Sonntag.

Die deutsche FPD-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann rief den Papst auf, „die brutalen russischen Täter“ aufzufordern, „ihre Piraten-Fahne – das Symbol für den Tod und den Satan – einzuholen“. Und sie fügte hinzu: „Ich schäme mich als Katholikin, dass er das unterlässt.“ (TT, APA, dpa)

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