Einschränkung der Demokratie?

Reformeifer scheint verflogen: Volksbegehren ohne neue Hürden

Seit 2018 können Volksbegehren auch online unterschrieben werden – früher mussten Unterstützer persönlich aufs Gemeindeamt gehen.
© Thomas Böhm

Droht eine Einschränkung der Demokratie? Der Reformeifer scheint vor der Wahl verflogen.

Wien – Von den zuletzt 14 Volksbegehren haben es vier geschafft: Sie haben mehr als 100.000 Unterstützerinnen und Unterstützer gefunden. Sie müssen daher im Nationalrat diskutiert werden. Und die Einbringer bekommen Geld vom Staat: Sie haben 3421,50 Euro für die Anmeldung und als Druckkostenbeitrag bezahlen müssen. Jetzt bekommen sie den fünffachen Betrag zurück. Macht unterm Strich 13.686 Euro. Und wenn sie nur geringe Kosten hatten, bleibt davon viel übrig. Volksbegehren können auch ein Geschäftsmodell sein, sagen Kritiker.

Das Problem: Seit 2018 können Volksbegehren auch online unterschrieben werden – früher mussten Unterstützer persönlich aufs Gemeindeamt gehen. Mit der Erleichterung ist die Zahl der Volksbegehren nach oben gegangen. Werbung geschieht oft ohne hohe Kosten in den sozialen Netzwerken im Internet. Die Rückerstattung blieb aber gleich.

„Rückblickend hätte man die Anforderungen damals ändern können“, sagt Robert Stein, damals Leiter der zuständigen Wahlabteilung im Innenministerium und seit einem Jahr Pensionist.

Nach aktuellem Stand wird sich an diesem Modell aber auch jetzt nichts ändern. Zwar hatte ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl angekündigt, die Rückerstattung ändern zu wollen. Seine grüne Kollegin Agnes Sirkka Prammer stimmte zu.

Vor allem bei der ÖVP dürfte der Reformeifer aber verflogen sein. Offiziell ist bei den Türkisen von Gesprächen die Rede. Tatsächlich will man sich bei der größeren Regierungspartei wenige Monate vor der Nationalratswahl aber nicht dem Vorwurf aussetzen, die Demokratie einschränken zu wollen. Dieser Vorwurf kam von der FPÖ, die eine Kürzung der Rückerstattung ablehnt.

Gerstl schlug vor, nur tatsächliche Ausgaben zu erstatten. Diese Idee ist aber schon wieder verworfen. Zu bürokratisch, heißt es jetzt. Jeder Beleg müsste geprüft werden. Außerdem wäre mit Einsprüchen zu rechnen.

Höhere Hürden sind kaum ein Abbau der Demokratie.
Kathrin Stainer-Hämmerle (Politikwissenschafterin)

Die Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle könnte sich höhere Hürden vorstellen. Einen Abbau der Demokratie befürchtet sie nicht, sagte sie zur TT. Da sei die Verlängerung der Wahlperiode des Nationalrats von vier auf fünf Jahre viel einschneidender gewesen.

„Volksbegehren in Serie“, wie sie von einzelnen Personen eingebracht werden, sieht sie kritisch und spricht von „Missbrauch“. Grundsätzlich sei das Instrument „Volksbegehren“ aber gut. Immerhin ist es in der repräsentativen Demokratie in Österreich die einzige Möglichkeit, wie Bürger ein konkretes Anliegen „bottom-up“ transportieren können, von unten nach oben, ohne Einbindung eines gewählten Organs.