Paragraph soll verschärft werden

Spionage-Skandal erschüttert Republik: Immer mehr Details kommen ans Licht

Unter Beobachtung. Österreich, insbesondere Wien, gilt als Tummelplatz für Agenten. Besonders aktiv war und ist dabei Russland.
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Warum ist Österreich für den russischen Geheimdienst so wichtig? Nach der Verhaftung des früheren Staatsschützers Ott werden immer mehr Details bekannt. Der Spionage-Paragraph soll verschärft werden.

Wien – Die Spionage-Affäre zieht immer weitere Kreise. Sie sorgt für ein höchst dubioses Bild des mittlerweile aufgelösten Bundesamts für Verfassungsschutz (BVT). Wie berichtet, stehen zwei ehemalige Staatsschützer unter Verdacht, für den russischen Inlandsgeheimdienst FSB spioniert zu haben. Egisto Ott wurde in der Vorwoche verhaftet und sitzt in U-Haft. Sein ehemaliger Vorgesetzter beim BVT, Martin Weiss, dürfte in Dubai untergetaucht sein. Als Strippenzieher des Spionagefalls gilt der nach Moskau geflüchtete Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek. Ott und Weiss haben für den Österreicher Marsalek die Informationen geliefert.

„Österreich wird vorgeworfen, gewissermaßen eine Insel der Seligen für Geheim- und Nachrichtendienste aus aller Welt zu sein“, erklärte die grüne Justizministerin Alma Zadić. Sie kündigte nunmehr einen Gesetzesentwurf zur Verschärfung des Spionage-Paragraphen an. Künftig soll Spionage von ausländischen Nachrichtendiensten hierzulande nicht nur dann strafbar sein, wenn sie sich gegen österreichische Interessen richtet, sondern auch wenn andere Staaten oder internationale Organisationen ausgekundschaftet werden.

Wien gilt als wichtige Drehscheibe in der Spionage. Aber warum ist speziell Österreich für Russland so attraktiv? „Österreichs Geheimdienst wurde als Einfallstor verwendet, um so an Informationen über andere westliche Geheimdienste zu gelangen. In Österreich hat sich eine Kultur etabliert, mit Geheiminformationen eher locker umzugehen“, mutmaßt Russland-Experte Gerhard Mangott.

In Österreich hat sich eine Kultur etabliert, mit Geheim­informationen eher locker umzugehen.
Univ.-Prof. Gerhard Mangott (Russland-Experte)

Der Fall zeigt aber auch, wie leicht es Ott gemacht wurde, an Informationen zu kommen. Laut der Festnahme-Anordnung, über die der Falter berichtete, hat Ott „systematisch nicht für die Öffentlichkeit bestimmte geheime Tatsachen und Erkenntnisse sowie personenbezogene Daten aus polizeilichen Datenbanken zum Zweck der Übermittlung an Marsalek und an unbekannte Vertreter der russischen Behörden gesammelt“. Obwohl Ott 2017 vom BVT suspendiert wurde, konnte er weiter Informationen liefern. Besonders augenscheinlich über den russischen Aufdecker Christo Grozev, der bis Anfang des Vorjahres in Wien lebte. Grozev musste daraufhin aus Angst um sein Leben Österreich verlassen. Er hatte zu den Giftanschlägen auf Sergei Skripal und Alexej Nawalny recherchiert. Unter dem Vorwand, Extremisten zu beobachten, habe Ott im Auftrag Russlands Regimegegner ausspioniert.

Die Republik wirkt erschüttert. ÖVP und NEOS haben nun die FPÖ ins Visier genommen. ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker verwies etwa auf Chats, in denen der frühere FPÖ-Abgeordnete Hans-Jörg Jenewein sich mit Ott über Geldbeträge ausgetauscht haben soll.

NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger verwies auf das anonyme Konvolut, in dem Anschuldigungen gegen BVT-Beamte aufgelistet waren. Dies war 2018 der Ausgangspunkt der Razzia im BVT. „Wenn sich herausstellen sollte, dass das wirklich auf Grundlage eines Konvoluts von Weiss und Ott passiert ist – und die Razzia nichts anderes war als eine gezielte Zerstörung des BVT im Auftrag Russlands, dann werden wir die FPÖ zur Verantwortung ziehen.“ Damals war FPÖ-Chef Kickl Innenminister.