Kritik aus dem Vatikan an EU-Votum zu Abtreibungen
"Das Lebensrecht des Kindes wird übersehen": Der Kurienerzbischof Paglia sieht das "Recht des Stärkeren". Nun wird mehr Unterstützung für Schwangere gefordert.
Vatikanstadt – Mit Bedauern über das jüngste Votum des EU-Parlaments pro Aufnahme eines Rechts auf Abtreibung in die Europäische Grundrechte-Charta hat sich der Präsident der Päpstlichen Akademie für das Leben, Erzbischof Vincenzo Paglia, geäußert. Es sei "sehr bedenklich", dass bei der Entscheidung das Lebensrecht des Kindes übersehen werde, sagte der Vatikan-Experte laut Kathpress in einem Interview mit Vatican News (Freitag).
Das ungeborene Kind sei stets schwächer, könne nicht für sich sprechen und nichts einfordern. Die Rechte des Stärkeren durchzusetzen sei "zu einfach" und es sei eine "falsche Entscheidung, ein Recht nur für eine Partei einzufordern, nicht für beide", befand Paglia.
Das EU-Parlament hatte am Mittwoch mit 336 Stimmen dafür und 163 dagegen – 39 Abgeordnete enthielten sich – die Aufnahme eines Rechts auf Abtreibung in die europäische Grundrechte-Charta gefordert. Die Mitgliedsstaaten sollen darin das "Recht auf körperliche Selbstbestimmung und auf einen freien, informierten und umfassenden Zugang zu sexueller und reproduktiver Gesundheit" – darunter auch Abtreibung – aufnehmen.
Nach kirchlichem Verständnis komme jedem Menschen ab der Zeugung eine "unendliche Würde, die niemanden ausschließt" zu, verwies der Präsident der Päpstlichen Akademie für das Leben auf die gerade veröffentlichte Vatikan-Erklärung zur Menschenwürde "Dignitas infinita". Weiters gab Paglia zu bedenken, dass ein Recht auf Abtreibung die notwendige Unterstützung für Frauen untergraben würde. Viele Schwangere würden "aus Verzweiflung" abtreiben, etwa infolge wirtschaftlicher, psychologischer oder anderer Probleme – viele deshalb, "weil sie allein sind und keine Hilfe bekommen". Darauf gelte es Antworten zu finden, mit einer "Kultur des Wir statt des Ich". Dazu gehöre "ganz wesentlich" auch die "Fürsorge für die Frauen, die dieses Leben in sich tragen". (APA)