Gegensätzliche Einschätzungen

Kalte Schulter für die USA: Israel lässt sich bei Kriegsführung nicht dreinreden

Israelisches Militärgerät an der Grenze zum Gazastreifen. Kommt der nächste Großangriff?
© AFP/Gharabli

Israels Regierung will sich bei der Kriegsführung nicht dreinreden lassen. Die Vereinten Nationen verbessern den Status der Palästinenser.

Tel Aviv – Im Nahostkonflikt steht Israel zunehmend isoliert da. Selbst die Schutzmacht USA signalisierte erstmals Grenzen für ihre Unterstützung, während der Rest der Welt versucht, die Palästinenser diplomatisch zu stärken. Trotz des internationalen Gegenwinds hält die Rechtsregierung in Israel an ihrem Plan fest, die Stadt Rafah anzugreifen, in der mehr als eine Million Flüchtlinge leben. Die Verhandlungen über einen Deal zwischen Israel und der Hamas scheinen indessen zu stagnieren.

Harte Worte zwischen Freunden

US-Präsident Joe Biden sagte in einem CNN-Interview offen, er werde die Waffenlieferungen einschränken, wenn Israel in Rafah einmarschiert. Medien zufolge war es das erste Mal seit Jahrzehnten, dass eine US-Regierung auf diese Weise Druck auf Israel ausübt.

Israels Premier Benjamin Netanjahu antwortete trotzig. Im Unabhängigkeitskrieg habe es auch ein Waffenembargo gegen Israel gegeben, sagte er in einer Videobotschaft. „Wenn wir für uns alleine stehen müssen, dann werden wir für uns alleine stehen.“ Seine rechtsradikalen Koalitionspartner gingen weiter und rückten den US-Präsidenten in die Nähe der Hamas.

Gegensätzliche Einschätzungen

Hinter dem Streit zwischen der Biden-Administration und der israelischen Führung um Netanjahu stehen laut New York Times auch gegensätzliche Einschätzungen der Lage. Demnach glaubt das israelische Kriegskabinett, dass der Angriff auf die letzte Hamas-Bastion Rafah unbedingt notwendig ist, um die Terrororganisation zu besiegen.

Die USA und andere Regierungen hingegen halten eine vollständige Zerstörung der Hamas für unrealistisch. Sie meinen, dass ein Angriff auf Rafah letztlich mehr kostet – gemeint sind etwa getötete israelische Geiseln und palästinensische Zivilisten –, als er bringt. Rafah zu stürmen, werde nicht zu einer nachhaltigen Niederlage der Hamas führen, sagte John Kirby, Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats der USA.

Aufwertung der Palästinenser

Die UNO-Vollversammlung in New York wollte noch am Freitag (Ortszeit) über eine Resolution abstimmen, die den Palästinensern in der UNO mehr Rechte einräumt. Bisher haben die Palästinenser nur Beobachterstatus und müssen für jedes Anliegen einen Mitgliedstaat finden, der es einbringt.

Die Resolution fordert auch den Weltsicherheitsrat auf, den Antrag der Palästinenser auf Vollmitgliedschaft in der UNO noch einmal „wohlwollend“ zu prüfen. Bisher haben die USA ihr Veto dagegen eingelegt. Die US-Regierung fordert zwar auch einen Palästinenserstaat, beharrt aber weiterhin darauf, dass die Basis dafür ein Abkommen zwischen Israel und den Palästinensern sein müsse – gefolgt von der Aufnahme in die UNO.

Österreich will sich enthalten

Das Außenministerium in Wien argumentierte am Freitag per Aussendung ähnlich wie die USA. Demnach unterstützt Österreich „die Schaffung eines unabhängigen, demokratischen und lebensfähigen palästinensischen Staates“; dafür brauche es aber Verhandlungen. Österreich werde sich deshalb bei der Abstimmung in der UNO-Vollversammlung enthalten.

Weltweit gesehen ist das eine Minderheitenposition. Mehr als 130 UNO-Mitglieder haben einen Palästinenserstaat bereits anerkannt. Haaretz zufolge wollen Spanien, Irland, Slowenien und Malta diesen Schritt am 21. Mai setzen – als erste EU-Staaten.

Kämpfe und Brandstiftung

Ungeachtet des internationalen Drucks haben israelische Truppen am Freitag den Ostteil von Rafah umzingelt und die Hauptstraße unter ihre Kontrolle gebracht. Anrainer berichteten von heftigen Explosionen und Gewehrschüssen. Auch aus dem Norden des Gazastreifens, in den die israelischen Truppen schon vor Monaten eingedrungen sind, wurden neuerliche Gefechte gemeldet.

Indessen teilte die UNO-Palästinenserhilfe mit, dass sie ihre Niederlassung in Ostjerusalem bis auf Weiteres zusperrt. Israelische Anrainer sollen dort in den vergangenen Tagen mehrere Brände entfacht haben. UNRWA-Chef Philippe Lazzarini sprach von einer „ungeheuerlichen Entwicklung“. Er hatte schon zuvor beklagt, dass Mitarbeiter der UNO-Palästinenserhilfe Schikanen ausgesetzt seien. (floo, dpa, APA)