Israels Verteidigungsminister will Gaza den Palästinensern geben: Netanjahu hat andere Pläne
Israels Verteidigungsminister will den Gazastreifen den Palästinensern überlassen. Doch sein Regierungschef hat andere Pläne. Eine Hintergrundgeschichte.
Tel Aviv – In der israelischen Führung ist offener Streit über das weitere Vorgehen im Gazastreifen ausgebrochen. Dabei geht es nicht um die Bodenoffensive gegen Rafah, die international verurteilt wird (siehe links). Sondern es geht um die Frage, wer nach oder anstelle der Terrororganisation Hamas den Küstenstreifen verwalten soll.
Auf der einen Seite steht Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Er hat sich bisher geweigert, über die zukünftige Verwaltung des Gazastreifens auch nur zu beraten. Solange die Hamas nicht militärisch zerstört sei, sei das nur leeres Gerede, erklärte er per Videobotschaft.
Auf der anderen Seite steht sein Verteidigungsminister und Parteifreund Yoav Gallant. Dieser forderte auf einer Pressekonferenz, dass „palästinensische Akteure“ die Hamas ersetzen. Sonst blieben als Optionen nur die Fortsetzung der Hamas-Herrschaft oder eine israelische Militärherrschaft. Dem werde er nicht zustimmen.
Netanjahu kommt mit seiner Verzögerungstaktik den Rechtsradikalen in seiner Regierung entgegen, ohne die er nicht an der Macht bleiben kann. Sie fordern mehr oder weniger offen die Vertreibung von Palästinensern und eine erneute Kolonisierung des Gazastreifens durch Israel. Sollte er den Küstenstreifen den Palästinensern überlassen, könnten sie seine Koalition platzen lassen.
Israel drohe ein „ewiger Krieg“
Der Verteidigungsminister weiß hingegen unabhängige Experten, Teile des Militär- und Sicherheitsapparats sowie die Schutzmacht USA hinter sich. Weil Israel im Gazastreifen keine Alternative zur Hamas aufbaut und diese weiter das zivile Leben kontrolliert, könne sich die Terrororganisation immer neu gruppieren – auch an jenen Orten, die die israelischen Truppen bereits geräumt haben. Das berichtete das Wall Street Journal. Israel drohe ein „ewiger Krieg“.
Neben der Frage, wie der Krieg beendet werden kann, geht es auch um die langfristige Perspektive. Die USA fordern schon lange einen Plan für den Tag danach. Sie haben vorgeschlagen, dass die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) die zivile Verwaltung im Gazastreifen übernimmt, flankiert von internationalen Truppen. Die PA steht unter Kontrolle der gemäßigten Fatah. Dieses Arrangement soll als Vorstufe zur Schaffung eines Palästinenserstaates dienen.
Netanjahu hingegen arbeitet seit Jahrzehnten daran, einen Palästinenserstaat zu hintertreiben. Eine Strategie von ihm war, die Palästinenser zu spalten. Er will auf keinen Fall, dass die Palästinenserbehörde in den Gazastreifen zurückkehrt, aus dem sie von der Hamas 2006 vertrieben worden war.
Er sei „nicht bereit, Hamastan durch Fatahstan zu ersetzten“, polterte Netanjahu in Reaktion auf Gallant. Dieser wiederum erhielt von der Haaretz Lob für seine Courage, es mit dem Premier aufzunehmen. (floo, dpa)