FPÖ will nach Wahlsieg „nächste Stufe zünden“, ÖVP und Grüne trotz Verlusten erleichtert
Von Freude über Erleichterung bis Enttäuschung: So kommentieren die Spitzenkandidaten die Trendprognose zur EU-Wahl.
Wien – FPÖ-Spitzenkandidat Harald Vilimsky hat die Trendprognose zur EU-Wahl erfreut, wenn auch noch nicht euphorisch kommentiert. Für ÖVP-Spitzenkandidat Reinhold Lopatka sind die Verluste seiner Partei bei der EU-Wahl „bitter", aber auch„ein Auftrag". „Rückenwind wäre besser gewesen", meinte SPÖ-Spitzenkandidat Andreas Schieder im ORF. NEOS-Kandidat Helmut Brandstätter lobte für das „sensationelle Ergebnis" sein Team und seine Familie, schon morgen wird es für ihn nach Brüssel gehen. Die Grüne Lena Schilling will nun fünf Jahre lang kämpfen.
„Die Österreicher haben heute ein klares Zeichen gesetzt, dass sie einen ehrlichen Wunsch nach einer positiven Veränderung mit den Freiheitlichen haben", sagte FPÖ-Spitzenkandidat Vilimsky. Die Prognose habe die FPÖ sehr positiv gestimmt. „Wir gehen demütig, dankbar und vor allem verantwortungsvoll mit diesem Vertrauensbeweis durch die Wähler um." Der Erfolg sei das Ergebnis „nachhaltiger, glaubwürdiger und konsequenter Arbeit an der Seite der Österreicher".
FPÖ-Chef Herbert Kickl sagte bei der Wahlparty der Freiheitlichen: „Wir zünden die nächste Stufe. Und die nächste Stufe heißt Bundeskanzleramt“, sagte er, nachdem er Seite an Seite mit Spitzenkandidat Harald Vilimsky unter Jubel eingezogen war.
Das Rennen um Platz zwei und drei zwischen ÖVP und SPÖ ist derzeit offen. Klar ist laut Trendprognose, dass die ÖVP ordentlich Federn lassen muss. „Es ist bitter, aber gleichzeitig ein Auftrag“, meinte ÖVP-Spitzenkandidat Lopatka im ORF. Dennoch glaubt Lopatka, „die Chance ist riesig, das im Herbst wieder gutzumachen“, denn die ersten drei lägen knapp zusammen. So gesehen sei die EU-Wahl eine „gute Basis für die Nationalratswahl“. An personelle Konsequenzen in der ÖVP nach der EU-Wahl glaubt Lopatka nicht, Kanzler Karl Nehammer werde „selbstverständlich“ Spitzenkandidat.
📽️ Video | Verluste für ÖVP-Spitzenkandidat Lopatka„bitter"
ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker sprach trotz starker Verluste von einer gelungenen Aufholjagd. Mit einem zweistelligen Verlust könne man zwar keine Freude haben, das Ergebnis sei aber „respektvoll". Schließlich sei die ÖVP nach den Ereignissen der letzten Jahre„von der Nulllinie gestartet".
„Die SPÖ ist nach wie vor in einer schwierigen Phase, wie es ausschaut", bilanzierte SPÖ-Spitzenkandidat Andreas Schieder. Mit der EU-Wahl habe man freilich „wesentlichen Boden wieder gut gemacht", glaubt Schieder aber. Er merkte im Hinblick auf die Trendprognose auch an, dass es schwierig sei, nun auf Basis einer Umfrage die Diskussion zu führen.
SPÖ-Bundesgeschäftsführer Klaus Seltenheim äußerte sich in einer ersten Reaktion vorsichtig. Es sei offensichtlich„ein sehr knappes Rennen um den zweiten Platz", der lange Wahlabend werde zeigen, wer es schlussendlich für sich entscheidet, betonte er.„Sollten wir Dritter werden, sind wir natürlich nicht zufrieden", so Seltenheim im Marx-Palast, wo die Wahlparty der Sozialdemokraten stattfindet.
SPÖ-Parteichef Andreas Babler meinte spät am Abend: „Die SPÖ ist stabilisiert." Auch wenn man sich etwas mehr erwartet hätte, sei man mit der FPÖ „in Schlagdistanz". Bei der Nationalratswahl peilt man weiter Platz eins an. Realistisch äußerte sich Spitzenkandidat Andreas Schieder: „Rückenwind wäre besser gewesen." Die SPÖ befinde sich weiter in einer schwierigen Phase. Die burgenländischen und die Wiener Sozialdemokraten erwiesen sich in ihren Heimatbundesländern immerhin als stärkste Kraft.
Grünen-Spitzenkandidatin Lena Schilling dankte in einem schriftlichen Statement allen Menschen, „die heute mit ihrer Stimme für die Grünen gezeigt haben, dass ihnen Klimaschutz ein Herzensanliegen ist“. Es sei ein „turbulenter Wahlkampf“ gewesen, gemeinsam habe man bis zum Schluss gekämpft. Schillings Versprechen an ihre Mitstreiter- und Mitstreiterinnen: „In den kommenden fünf Jahren werde ich jeden einzelnen Tag mit derselben Energie und Leidenschaft für den Klimaschutz kämpfen.“
Merkbar erleichtert reagierte der Gesundheits-und Sozialminister Johannes Rauch (Grüne). Er danke allen, die den Grünen „trotzdem" die Stimme gegeben hätten, also trotz Turbulenzen, Zweifeln an Schilling und trotz auch danach gemachter Fehler. Angesichts der nun prognostizierten Mehrheit für die FPÖ in Österreich rief Rauch im Hinblick auch auf die Nationalratswahl im Herbst einmal mehr dazu auf, gemeinsam aufzutreten „gegen die rechte Hetze".
Fehler werde man aufarbeiten und verbessern, versprach Grünen-Bundessprecher Werner Kogler nach einem turbulenten Wahlkampf. Mit dem Ergebnis konnte der Vizekanzler unter den gegenwärtigen Umständen leben: „Wir sind Gegenwind gewöhnt, und wir lassen uns nicht umblasen." Die Kür von Schilling zur Spitzenkandidatin lobte er als „sehr gut und richtig". Schilling selbst will nach einem für sie „argen" Wahlkampf in Brüssel nun mit Herz für die Klimagerechtigkeit kämpfen.
Knapp fiel das erste Statement von NEOS-Spitzenkandidat Helmut Brandstätter aus. Allen voran lobte er in der Parteizentrale am Wiener Heumarkt sein Team dafür, dass es keine Querschüsse gab. „Es ist ein gutes Gefühl, wenn man Wahlkampf machen kann". Er und die Listenzweite Anna Stürgkh werden schon am Montag zu ihrem künftigen Arbeitsplatz reisen. „Morgen geht's nach Brüssel!", rief er den pinken Parteimitgliedern zu.
Von einem „sensationellen" Ergebnis sprach der Wiener Vizebürgermeister und NEOS-Chef Christoph Wiederkehr nach der Trendprognose der EU-Wahl. „Wir haben nicht nur das Wahlziel von zwei Mandaten erreicht, sondern sind auch das erste Mal zweistellig."
KPÖ-Spitzenkandidat Günther Hopfgartner gab sich in einer ersten Reaktion„relativ zufrieden" mit den drei Prozent, die seiner Partei derzeit in der ersten Trendprognose ausgewiesen werden. Hopfgartner wirkte zwar enttäuscht, dass die KPÖ laut derzeitigem Stand offenbar nicht ins EU-Parlament einziehen wird, meinte bei der Wahlparty der KPÖ im Cafe 7Stern aber auch, es sei „ein Ergebnis, wo klar ist, dass die KPÖ jetzt mitspielt und auch ein gewisses Sprungbrett im Hinblick auf die Nationalratswahlen".
Die Spitzenkandidatin der Liste DNA Maria Hubmer-Mogg zeigte sich enttäuscht. Sie kündigte gegenüber dem ORF an, bei der Nationalratswahl im Herbst nicht antreten zu wollen. Über ihr weiteres persönliches politisches Engagement werde sie noch entscheiden. Darüber hinaus beklagte Hubmer-Mogg erneut, nicht in die TV-Elefantenrunden eingeladen worden zu sein. Sie habe versucht, auch auf andere Parteien zuzugehen: „Ich komme neu in die Politik, mir geht es um Lösungen." (TT.com, APA)