Kultur Österreich

Nova Rock zum Auftakt mit Nostalgie und Hollywood-Glanz

Schauspieler Keanu Reeves gab beim Nova Rock den Musiker
© APA

In Sachen Starpower hatte der erste Nova-Rock-Tag einiges zu bieten: Nicht nur stattete Hollywood-Schauspieler Keanu Reeves mit seiner Band Dogstar den Pannonia Fields einen Besuch ab, auch die 90er-Helden von Jane's Addiction waren nach mehr als 30 Jahren wieder einmal in Österreich zu erleben. Insgesamt zeigte sich der Festivalauftakt von seiner wettertechnisch freundlichen und musikalisch abwechslungsreichen Seite.

Jane's Addiction um Sänger Perry Farrell und Gitarrist Dave Navarro, der für kurze Zeit auch bei den Red Hot Chili Peppers engagiert war, setzten ganz auf psychedelische Sounds und sphärische Klänge. Ihr Alternative Rock der alten Schule zog zwar nicht die Massen an, machte aber definitiv Lust auf mehr, sollte die Arbeit an neuem Material doch noch ein Album nach sich ziehen. "Derzeit sind es einfach ein paar Songs", gab sich Farrell vor dem Auftritt gegenüber der APA zurückhaltend. "Es geht immer um Kompromisse. In einer Band zu sein, ist schwieriger als eine Ehe. Es ist eine Ehe mal vier", schmunzelte der charismatische Sänger.

Live war das Quartett jedenfalls eine eingespielte Einheit: Besonders Navarro wirkte mit seinen Gitarrenläufen als Epizentrum, um das herum sich Schicht für Schicht der ausufernden Stücke aufbaute. "Summertime Rolls" war ein gutes Beispiel dafür, zog die Nummer doch nach einem melodiösen Einstieg immer mehr an, während sich Farrell um Kopf und Kragen sang. Er hoffe jedenfalls, dass die Leute ein bisschen auf seine Band hören. "Wir erleben gerade eine sehr schwierige Phase in der Geschichte der Welt. Die Politik lehnt sich mal nach links, mal nach rechts. Einige Leute sind wirklich schlimm. Dabei könnte unsere Welt so wunderbar sein."

Ein Traum ging für manche wohl in Erfüllung, als sich Keanu Reeves als Star zum Anfassen gab: Zwar war der Auftritt seines Trios Dogstar, das es sich musikalisch irgendwo zwischen Pearl Jam und U2 gemütlich gemacht hatte, kein Gig für die Ewigkeit - aber immerhin war der Schauspieler auch als Bassist eine sichere Bank. Einige Stunden später tauchte er dann sogar noch am Absperrgitter zum Backstagebereich auf und stand für Fotos sowie Autogramme zur Verfügung, klarerweise zur Freude seiner Anhänger. Auch das ist Festivalfeeling.

Das Nova Rock mag mit gespülten, sauberen Toiletten-Boxen samt ausreichenden Waschgelegenheiten (ein Novum heuer) fast schon komfortabel geworden sein. Aber an rauer Härte hat es musikalisch um nichts verloren - zumindest wenn man sich für Kerry King auf der Red Stage und nicht für Dogstar entschieden hatte. Pures Testosteron lieferte der Ex-Slayer-Gitarrist mit seiner nach ihm benannten neuen Band ab.

Die Thrash-Ikone enttäuschte auch "solo" nicht: Seine Riffs, die Gitarrenduelle mit Ex-Machine-Head Phil Demmel, die kraftvollen Vocals von Mark Osegueda (Death Angel) und die druckvolle Rhythmussektion mit Kyle Sanders (Hellyeah) und Paul Bostaph (Slayer) kamen aus einem Guss bei bestem Sound. Die Formation brachte Songs von ihrem Debütalbum "From Hell I Rise", wobei Osegueda gegen die "fucked up" Politik überall auf der Welt derzeit" ("Toxic") und gegen organisierte Religion ("Crucifixation") anschrie. Aber auch Slayer-Klassiker wie "Disciple" und "Raining Blood" erfreuten die Fans. Daher durfte man sich durchaus wundern, warum die Stimmung zwar ausgelassen, aber die Reihen nicht unbedingt dicht geschlossen waren.

"Wir müssen Aggressionen rauslassen", rief Osegueda. Mit Feuer, Rauch und vor beleuchteten umgedrehten Kreuzen zogen King und Co. eine makellose Show ab. Wie das Gefühl sei, mit einer neuen Formation auf der Bühne zu stehen, verriet der 60-Jährige im Gespräch mit der APA: "Wir spielen dieselbe Art von Musik (wie Slayer, Anm.), aber rauszugehen und vor den Leuten zu stehen, nachdem mein Album erst weniger als ein Monat draußen ist, macht es durchaus spannend. Bei den ersten Konzerten habe ich mich wie ein Fisch aus dem Wasser gefühlt", so der Musiker mit einem Anflug von Lachen. "Aber ich habe gesehen, wie Leute einen Moshpit zu den alten, aber auch zu den neuen Songs bilden. Ich weiß nicht, ob mich diese Reaktionen überrascht haben, aber sie machen mich glücklich." Nur eines fehlte: Die Ketten, die King jahrelang bei jedem Slayer-Gig an seinem Hosenbein baumeln hatte. "Die habe ich in Pension geschickt."

Bereits am früheren Nachmittag hatten sich Alien Weaponry eindrucksvoll auf der Red Stage vorgestellt. Die Mitglieder des Trios aus Neuseeland stammen von Māori ab und verfassen ihre Texte zum Teil auch in deren Sprache, eingepackt in erstklassigen Groove-Metal. Die Kultur und Geschichte ihrer Vorfahren ist in den Lyrics und im Sound präsent. "Für uns ist das wichtig, das war auch ein Grund, überhaupt loszulegen. Wir wollen die Leute auf das aufmerksam machen, worüber wir singen, sie aber auch inspirieren, aktiv zu werden", betonte Drummer Henry de Jong, der mit seinem Bruder Lewis de Jong (Gesang, Gitarre) die Band 2010 gegründet hat. Alien Weaponry sind beim österreichischen Label Napalm Records unter Vertrag "und sehr glücklich damit". Als Kulturvermittler hat das Trio natürlich eine klare Meinung zu kultureller Aneignung: "Wenn das jemand nur macht, um Geld zu verdienen, ist es nicht schön. Aber wenn jemand fremde Kulturen in seine Kunst aus Liebe einfließen lässt, weil es seine Passion ist, ist das eine ganz andere Sache."

Tolle Stimmung herrschte bei Palaye Royale, der Rockband aus Las Vegas um die Brüder Remington Leith, Sebastian Danzig und Emerson Barrett. Der Auftritt bot jede Menge Energie und Leidenschaft, die Hände vor der Red Stage wogen sich wie Meereswellen. Sänger Leith machte den perfekten Frontman, während seine Mitstreiter große Melodien und viel Groove hervorzauberten. Der Genremix aus melodischem Rock, Emo, ein bisschen Garage und kunstvollen Arrangements saß wie ein perfekt geschneiderter Anzug.

Für ein bisschen Aufregung abseits des musikalischen Programms sorgte am Nachmittag ein in Brand geratener Mistkübel. Die Feuerwehr Gols hatte die Situation jedoch rasch im Griff. Zahlreiche Schaulustige und mehr oder weniger talentierte Freizeitsportler zieht heuer eine Rollschuhbahn der ÖBB an, unweit davon entfernt lockt eine Disco auf den Dancefloor.