Ein Jahr nach „Titan“-Implosion: Die Tiefe lockt Abenteurer noch immer
Vor einem Jahr implodierte das Tauchboot „Titan“. Die Ermittlungen dauern an, doch die nächsten Tiefsee-Ausflüge werden schon geplant.
Washington – Rasend schnell verbreitete sich die Nachricht im vergangenen Juni um die Welt: Ein Tauchboot mit fünf Insassen an Bord, das zu einer Erkundungstour des „Titanic“-Wracks im Nordatlantik aufgebrochen war, ist verschollen. Mehrere Tage lang bangten Menschen weltweit um das Leben der morgen vor einem Jahr aufgebrochenen Insassen – und diskutierten gleichzeitig intensiv die Sinnfrage von solchen riskanten und extrem teuren Erkundungstouren.
Nach einer großangelegten Suche rund 700 Kilometer südlich des kanadischen Neufundlands gab es vier Tage später Gewissheit: Trümmer des Tiefsee-Tauchboots „Titan“ seien gefunden worden, man müsse vom Tod der Insassen ausgehen, teilte die US-Küstenwache mit. Die Teile lagen nur knapp 500 Meter vom Bug des „Titanic“-Wracks entfernt.
In dem rund sieben Meter langen und 2,5 Meter hohen Tauchboot, das nur mit einem Bullauge und einer einfachen Bordtoilette ausgestattet war, saßen fünf Personen: der französische Wissenschafter Paul-Henri Nargeolet (77), der britische Abenteurer Hamish Harding (58), der britisch-pakistanische Unternehmensberater Shahzada Dawood (48) und dessen 19-jähriger Sohn Suleman sowie der Chef der US-Betreiberfirma Oceangate, Stockton Rush (61).
Titan war nicht zugelassen
Oceangate hatte die Tiefsee-Expeditionen zur „Titanic“ für etwa 250.000 Dollar pro Person im Angebot und schon rund ein halbes Dutzend Mal durchgeführt, war dabei aber von Beginn an – wie erst später öffentlich wurde – mit Sicherheitsbedenken zahlreicher Experten konfrontiert worden. „Titan“ war von keiner Einrichtung für bemannte Tiefseetauchgänge überprüft, zertifiziert oder offiziell zugelassen worden. Standards seien umgangen und Warnungen missachtet worden.
Ein Jahr nach dem Unglück heißt es auf der Website des Unternehmens: „Oceangate hat alle Erforschungen und kommerziellen Geschäftstätigkeiten eingestellt.“ Die Untersuchungen aber laufen weiter. Dafür werden auch die Trümmerteile und menschlichen Überreste untersucht, die geborgen werden konnten. Vermutet wird, dass der Rumpf des Boots dem enormen Wasserdruck nachgab und implodierte.
Die Untersuchung befinde sich nach wie vor in der „Faktenermittlungsphase“, teilte die US-Küstenwache auf Anfrage mit. Man sammle alle relevanten Beweise und Informationen. Auch eine öffentliche Anhörung sei geplant, ein Termin stehe aber nicht fest.
Die Faszination für die „Titanic“ – den Luxusdampfer, bei dessen Untergang im Jahr 1912 mehr als 1500 Menschen starben und dessen Wrack in rund 3800 Metern auf dem Meeresgrund liegt – und für die Erkundung der Tiefsee-Welt überhaupt scheint aber anzudauern. In New York feierte gerade der renommierte Explorers Club, in dem sowohl Nargeolet als auch Harding Mitglieder waren, mit einer mehrtägigen schicken Veranstaltung sein 120-Jahr-Jubiläum.
Titanic-Trip schon geplant
Die kleine Nischenbranche der privaten U-Boot-Bauer und Erkundungstouren-Anbieter, zu deren Kunden fast ausschließlich Menschen mit sehr viel Geld gehören, habe einen Dämpfer erlitten, aber sei weiter aktiv, berichtete jüngst das Wall Street Journal. „Diese Tragödie hat eine eisige Wirkung auf das Interesse der Menschen gehabt“, wurde Patrick Lahey zitiert, Gründer und Chef der Firma Triton Submarines, die private U-Boote entwickelt und baut. „Sie hat diese alten Mythen wieder hervorgebracht, dass nur Verrückte in einem dieser Dinger tauchen würden.“ Ein bestehender Vertrag sei nach der Tragödie vom angehenden Käufer sofort aufgelöst worden, sagte Lahey.
Ein Milliardär hat dem Wall Street Journal zufolge aber schon wieder vor, zur „Titanic“ zu tauchen. Die Expedition solle irgendwann gemeinsam mit Triton-Gründer Lahey in einem seiner Tauchboote stattfinden, wurde Unternehmer Larry Connor zitiert, der schon zahlreiche Tauch-Expeditionen und einen Weltraumflug zur Raumstation ISS hinter sich hat. „Ich möchte den Menschen auf der ganzen Welt zeigen, dass der Ozean zwar sehr mächtig ist, aber dass er auch wunderbar und schön und wirklich lebensverändernd sein kann – wenn man es richtig angeht.“ (dpa, TT)