Warnung vor Eskalation

Folgt nach dem Gaza-Krieg ein neuer Krieg zwischen Israel und der Hisbollah im Libanon?

Israels Premier benjamin Netanjah rückt von seiner harten Haltung nicht ab.
© AFP/Cohen-magen

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu kündigte zwar an, die intensiven Kämpfe im Gazastreifen bald zu beenden. Von einem dauerhaften Waffenstillstand will er aber nichts wissen. Unterdessen droht einer neuer Krieg Israels mit der Hisbollah im Libanon.

Tel Aviv - Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat im Gaza-Krieg ein baldiges Ende der intensiven Kampfphase angekündigt, will den Krieg aber erst mit der Zerschlagung der islamistischen Hamas beenden. Das sagte Netanjahu am Sonntagabend im israelischen Fernsehsender Channel 14. Auf die Frage, ob er nach Ende der intensiven Kampfphase bereit sei, mit der Hamas eine Vereinbarung zu treffen, die eine Verpflichtung zur Beendigung des Krieges darstellen würde, antwortete Netanjahu mit Nein. Er sei zu einer vorübergehenden Waffenruhe im Gegenzug für die Freilassung einiger Geiseln bereit. Danach aber müssten die Kämpfe weitergehen, bis die Hamas zerstört sei. Gleich darauf sah sich das Büro des Ministerpräsidenten zu einer Klarstellung veranlasst: "Es ist die Hamas, die ein Abkommen ablehnt, nicht Israel", hieß es am Abend in einer knappen Mitteilung.

Israelische Panzerverbände sollen an die Grenze zum Libanon verlegt werden.
© imago/Xinhua

Netanjahu kündigt Truppenverlegung nach Norden an

Nachdem die intensive Phase im Gaza-Krieg beendet sei, werde man die Möglichkeit haben, einen Teil der Truppen nach Norden zu verlegen, sagte Netanjahu. Dort, im Grenzgebiet zum Libanon, beschießen sich Israel und die libanesische Hisbollah seit mehr als acht Monaten. Zuletzt nahm die Intensität der Gefechte deutlich zu. Israel will durch diplomatischen Druck erreichen, dass sich die Miliz hinter den 30 Kilometer von der Grenze entfernten Litani-Fluss zurückzieht - so wie es eine UNO-Resolution vorsieht. Notfalls sei Israel aber auch zu einem größeren Militäreinsatz bereit, warnte der israelische Verteidigungsminister Joav Galant.

Es wird befürchtet, dass ein offener Krieg zwischen Israel und dem Libanon sich zu einem regionalen Konflikt ausweiten könnte, in den auch die USA als wichtigster Verbündeter Israels hineingezogen würden.

Baerbock zu Krisengesprächen in Israel und Libanon

Gestern reiste die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock nach Tel Aviv. Am Abend hielt sie bei der Herzlija-Sicherheitskonferenz des Instituts für Politik und Strategie sowie der Reichman-Universität eine Rede. Es ist der achte Israel-Besuch Baerbocks seit der blutigen Terrorattacke der islamistischen Hamas auf das Land am 7. Oktober. Am Dienstag sind in Ramallah Gespräche mit dem Ministerpräsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA), Mohammed Mustafa, über die Lage im Westjordanland sowie die Reformbemühungen der PA geplant.Am Dienstagabend will Baerbock in der libanesischen Hauptstadt Beirut mit Ministerpräsident Nadschib Mikati sprechen.

Warnung vor Eskalation

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock hat die Situation an der Grenze zwischen Israel und dem Libanon als mehr als besorgniserregend bezeichnet und vor noch mehr Gewalt gewarnt. „Eine weitere Eskalation wäre eine Katastrophe für alle Menschen in der Region", sagte die Grünen-Politikerin am Montagvormittag beim EU-Außenministerrqat in Luxemburg. Auch deswegen sei es absolut wichtig, dass man endlich zu der Feuerpause in Gaza komme. „Israel kann nur in Sicherheit leben, wenn Palästinenser in Sicherheit leben. Und Palästinenser können nur in Sicherheit leben, wenn Israel sicher ist", sagte sie.

Am Flughafen von Beirut soll die Hisbollah ein Waffenlager eingerichtet haben.
© AFP/Amro

Bericht über Waffenlager am Flughafen

Ein Bericht über angebliche Waffenlager der libanesischen Schiitenmiliz Hisbollah am internationalen Flughafen in Beirut sorgt unterdessen im Libanon für große Unruhe. Libanesische Minister dementierten am Montag bei einer Tour auf dem Flughafen mit ausländischen Botschaftern einen entsprechenden Bericht der britischen Zeitung Telegraph.

Namentlich nicht genannte Flughafenmitarbeiter hatten dem Telegraph erzählt, sie seien besorgt über wachsende Waffenlieferungen aus dem Iran über den Flughafen in Beirut. Gefährliche Waffen würden im Bereich des Flughafens gelagert, berichtete das Blatt zudem. Die Schiitenmiliz hat großen Einfluss im Libanon - einige politischen Kräfte im Land sehen den Flughafen unter der Kontrolle der Hisbollah.

Verheerende Versorgungslage in Gaza

Unterdessen wiesen der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sowie der EU-Kommissar für Krisenschutz, Janez Lenarčič, in einer gemeinsamen Erklärung auf die verheerende Versorgungslage in Gaza hin. Es sei inzwischen nahezu unmöglich geworden, in dem Kriegsgebiet nennenswerte humanitäre Hilfe zu leisten. Die hungernden Menschen griffen zu verzweifelten Maßnahmen, um an die wenigen Hilfsgüter heranzukommen, die ins Land gelangen. "Wir appellieren erneut an alle Konfliktparteien, ihrer völkerrechtlichen Verantwortung gerecht zu werden", hieß es. Zuvor hatte auch UNO-Generalsekretär Guterres beklagt, Chaos und "totale Gesetzlosigkeit" verhinderten die Verteilung humanitärer Hilfe.

Israels Oberstes Gericht fordert Aufklärung über Gefangenenlager

Das Oberste Gericht in Israel hat derweil laut Medienberichten vom Sonntag von den staatlichen Stellen des Landes einen Bericht über die Zustände im Gefangenenlager Sde Teiman angefordert. Ehemalige Insassen, Menschenrechtsgruppen und israelische Hinweisgeber, unter ihnen frühere Ärzte, hatten mehrfach über Gewalt gegen die Gefangenen bis hin zu Folter berichtet. Unter anderem sollen Häftlinge geschlagen, sexuell missbraucht und verletzt worden sein.

Das Militär hatte das Lager von Sde Teiman in der Nähe der südisraelischen Stadt Beerscheba nach dem Terrorüberfall vom 7. Oktober errichtet. Die Armee inhaftiert dort nach eigenen Angaben Terrorverdächtige und Militante, die im Zuge des Gaza-Krieges festgenommen wurden. Nach israelischer Lesart handelt es sich bei ihnen um "illegale Kombattanten". Damit ist gemeint, dass sie als Mitglieder einer Terrororganisation keinen Schutz eines Kriegsgefangenen erhalten und für sie auch nicht die dritte Genfer Konvention mit detaillierten Regeln über die Behandlung von Kriegsgefangenen gilt. Diese Praxis ist international umstritten.

Palästinenser auf Motorhaube

Die deutsche Regierung hat den Umgang israelischer Soldaten mit einem Palästinenser in der Stadt Dschenin verurteilt und gefordert, der Fall dürfe nicht folgenlos bleiben. Die Videoaufnahmen von einem Verletzten auf der Motorhaube eines Armee-Fahrzeugs seien "schwer zu ertragen", sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts am Montag in Berlin.

Bei einem Militäreinsatz im Westjordanland hatten israelische Soldaten einen verletzten Palästinenser auf die Motorhaube eines Fahrzeugs gebunden. Die Armee bestätigte am Sonntag den Vorfall vom Vortag. In dem Video ist zu sehen, wie der Jeep mit dem Mann auf der Haube an zwei Krankenwagen vorbeifährt. In der Stellungnahme der Armee hieß es, die Soldaten seien auf dem Weg zu einem Anti-Terror-Einsatz im Großraum der Stadt Dschenin gewesen. Dabei seien sie beschossen worden und hätten das Feuer erwidert. "Während des Schusswechsels wurde einer der Verdächtigen verletzt und festgenommen." Die Soldaten hätten im Militär geltende Regeln verletzt, als sie den Mann auf der Motorhaube festbanden. Der Vorfall werde untersucht und "entsprechend behandelt" werden. Der verletzte Verdächtige sei dem Roten Kreuz zur medizinischen Behandlung übergeben worden. (TT, dpa)