Mit diesem Personal geht Europa in die nächsten Jahre
Der EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag soll die europäischen Spitzenjobs vergeben. Die pro-europäischen Parteifamilien haben sich auf einen Vorschlag geeinigt, doch auch die italienische Postfaschistin Giorgia Meloni will mitreden.
Brüssel – Alle fünf Jahre, nach jeder EU-Wahl, werden die europäischen Spitzenjobs neu vergeben. Es handelt sich dabei um eine komplizierte Paketlösung, die oft lange verhandelt wird. Denn es braucht eine Balance zwischen den großen Parteifamilien, den Regionen, großen und kleinen Mitgliedstaaten sowie Männern und Frauen.
Zwei Tage vor dem EU-Gipfel haben sich die Unterhändler von Christdemokraten, Sozialdemokraten und Liberalen auf ein Paket geeinigt. Die drei Parteifamilien verfügen über die notwendigen Mehrheiten am Gipfel der Staats- und Regierungschefs sowie im EU-Parlament – wobei es bei den Abgeordneten immer auch Abweichler gibt.
📍 Kommissionspräsidentin: Ursula von der Leyen. Die deutsche Christdemokratin und Ex-Ministerin soll eine zweite Amtszeit von fünf Jahren erhalten. Die weiteren Mitglieder der Kommission werden dann von den Mitgliedsländern nominiert, wobei von der Leyen entscheidet, wie sie ihre Kommission inhaltlich aufstellt und wer welche Zuständigkeit erhält. Die Kommission leitet die EU-Behörden, erarbeitet Entwürfe für die Gesetzgebung und wacht über die Einhaltung der Verträge.
📍 Ratspräsident: António Costa. Der portugiesische Sozialist war neun Jahre lang Ministerpräsident und hat viel Erfahrung mit EU-Gipfeln. Die wird er brauchen, denn als Ratspräsident muss er 27 Mitgliedstaaten mit unterschiedlichen Interessen auf einen gemeinsamen Nenner bringen. Er folgt auf den belgischen Liberalen Charles Michel und soll zunächst nur für zweieinhalb Jahre bestellt werden. Offenbar wollen sich die Christdemokraten seine Arbeit erst einmal anschauen.
📍 „Außenministerin“: Kaja Kallas. Die liberale Premierministerin von Estland soll Hohe Vertreterin für die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik werden und in dieser Funktion auf den spanischen Sozialisten Josep Borrell folgen. Als De-facto-Außenministerin der EU ist sie zugleich Vizepräsidentin der Kommission. Kallas gilt als besonders scharfe Russland-Kritikerin. Sie muss wie von der Leyen und die gesamte Kommission erst noch vom EU-Parlament bestätigt werden.
📍 Parlamentspräsidentin: Roberta Metsola. Die Christdemokratin aus Malta amtiert bereits seit 2022 und kann voraussichtlich auf ihrem Posten bleiben. Das bildet den Einfluss ihrer Parteifamilie ab, die bei der EU-Wahl am 9. Juni Mandate dazugewonnen hat und die größte Fraktion bildet. Die Sozialdemokraten haben hingegen leicht und die Liberalen dramatisch verloren. Über diese Personalie stimmt allein das Parlament ab, weshalb der EU-Gipfel dazu formal nichts sagt.
Ärger über den Hinterzimmer-Deal gibt es jedoch im rechten Lager. Dieses Lager hat bei der Wahl deutlich zugelegt und fordert mehr Mitsprache auf EU-Ebene. Als Wortführerin agierte im Vorfeld des Gipfels die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Die Postfaschistin befindet sich politisch im Aufwind. Ihre Fraktion der europaskeptischen Konservativen und Reformer hat bei der Wahl die Liberalen erstmals knapp überholt. „Ich habe nicht den Eindruck, dass die Bereitschaft besteht, den Willen der Wähler zu berücksichtigen“, wetterte sie am Mittwoch vor dem Parlament in Rom.
Zwar könnten Christdemokraten, Sozialdemokraten und Liberale ihr Personalpaket auch alleine durchdrücken. Es soll aber vereinbart worden sein, dies nicht gegen Meloni zu machen. Immerhin repräsentiert sie den drittgrößten Mitgliedstaat und ein erstarktes politisches Lager. Als mögliche Variante galt im Vorfeld des Gipfels, dass von der Leyen in ihrer Kommission einen Schlüsselposten für Melonis Postfaschisten reserviert.