„Patriotisches Manifest“: Kickl, Orbán und Babiš kündigen rechte EU-Fraktion an
In Wien präsentierte sich die Dreier-Allianz als „Trägerrakete“ für Kooperation mit weiteren Rechtsparteien.
Wien – Schon im 2017er-Wahlkampf spielte Ungarn eine wichtige Rolle. Sowohl der damalige ÖVP-Obmann Sebastian Kurz als auch der frühere FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, beide bildeten nach der Wahl eine Koalition, rühmten sich, ein besonders gutes Verhältnis zum ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán zu pflegen. Und heute? Heute ist es vor allem FPÖ-Chef Herbert Kickl, der zu Budapest und der ungarischen rechtsnationalen Regierung gute Kontakte pflegt.
Nun gehen Kickl und Orbán einen Schritt weiter und holen sich einen weiteren ins Boot. Die bei der EU-Wahl siegreichen Rechtsparteien aus Österreich, Ungarn und Tschechien wollen gemeinsam eine EU-Fraktion gründen, wie Kickl am Sonntag mit Orbán und dem tschechischen Ex-Premier Andrej Babiš in Wien bekannt gab. Dieser „patriotischen“ Allianz würden sich weitere Parteien anschließen, sagte Kickl. Orbán erklärte, sie würde „bald die größte Fraktion der rechtsgerichteten Kräfte“ sein.
Kickl bezeichnete die Allianz als eine „Trägerrakete“. Orbán kündigte ebenfalls an, dass die Fraktion „raketenmäßig“ sein werde. Offenbar hat Orbán das Ziel, die derzeit größere Rechtsfraktion EKR (Europäische Konservative und Reformer) zu überholen, die mit 83 Abgeordneten hinter der konservativen EVP und den Sozialdemokraten drittstärkste Kraft im EU-Parlament ist.
Die FPÖ, Orbáns nationalkonservative Fidesz und Babiš’ liberalpopulistische Partei ANO hatten die Europawahl vor drei Wochen in ihren Ländern gewonnen. Die drei Spitzenpolitiker unterzeichneten ein „Patriotisches Manifest“, das Basis der Zusammenarbeit sein soll.
Video | Orbán, Babiš und Kickl wollen EU-Fraktion gründen
Kickl sprach jedenfalls von einem „historischen Tag“. Er lobte Orbán als einzigen Regierungschef in der EU, der sich erfolgreich gegen illegale Einwanderung und einen überbordenden Zentralismus zur Wehr setze. Weiters lobte Kickl Babiš, dessen Partei ANO für einen „Weg der Vernunft“ stehe. Babiš stelle sich gegen die „ausufernde illegale Einwanderung“ und fordere ebenfalls eine friedliche Lösung im Ukraine-Krieg. „Wir wollen unser Europa nicht den von der Leyens, den Macrons oder irgendwelchen linken ideologischen Experimenten überlassen.“
Gemäß EU-Wahlergebnis verfügt die FPÖ über sechs Sitze, ANO über sieben Sitze und die Liste Fidesz-KDNP über elf Sitze im neuen EU-Parlament. Die erforderlichen 23 Mandate für die Gründung einer Fraktion bringen die drei Gruppierungen allein zusammen. Für eine Fraktionsgründung brauchen sie noch Mitstreiter aus mindestens vier weiteren EU-Staaten. Die Frist zur Anmeldung läuft bis zum 15. Juli. Allerdings konstituiert sich das Parlament formal erst am 16. Juli.
Die FPÖ gehörte bisher der kleineren europaskeptischen Fraktion im EU-Parlament, „Identität und Demokratie“ (ID), an. ANO war nach der EU-Wahl aus der liberalen Fraktion ausgetreten. Fidesz war 2021 nach jahrelangem Streit über die Rechtsstaatlichkeit in Ungarn aus der Europäischen Volkspartei (EVP) ausgestiegen und ist seither fraktionslos. Orbáns Regierung übernimmt heute für ein Halbjahr den Vorsitz im Rat der Europäischen Union.
Salvini reagiert positiv
Unklar ist, wie sich die bisherigen Fraktionspartner der FPÖ zu der neuen Allianz positionieren werden. Schwergewicht in der ID-Fraktion mit 30 Abgeordneten ist der Rassemblement National (RN) der französischen Rechtspopulistin Marine Le Pen.
Die Alternative für Deutschland (AfD) dürfte nicht mit von der Partie sein. Ein Sprecher von AfD-Chefin Alice Weidel sagte am Sonntag dem Fernsehsender ntv, dass die AfD „zu diesem Zeitpunkt noch nicht in eine gemeinsame Fraktion mit Fidesz gehen kann“. Italiens Lega-Chef Matteo Salvini begrüßte die neue Allianz. Seine Partei arbeite schon „seit Jahren“ daran, ein möglichst starkes, patriotisches und kohärentes Bündnis zu schmieden.
In der Vorwoche forderte, wie berichtet, die SPÖ die Bundesregierung auf, Ungarn zu klagen, weil es immer wieder wegen seiner restriktiven Asylpolitik gegen Unionsrecht verstoße. Dies wurde nicht nur von der FPÖ abgelehnt, auch die Kanzlerpartei ÖVP sprach sich dagegen aus. Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) weist die SPÖ-Forderung nach einer Klage gegen Ungarn zurück. Fakt sei, dass die illegale Migration an der österreichisch-ungarischen Grenze „massiv“ zurückgedrängt werden konnte. Der Innenminister verwies in diesem Zusammenhang auch auf die „gute Zusammenarbeit“ mit der ungarischen Polizei.
Neben der SPÖ warnen vor allem NEOS und Grüne davor, dass auch Kickl Österreich zu einer illiberalen Demokratie umbauen will. Kickl nenne Viktor Orbán als Vorbild – dort werde die Medienfreiheit „bis zur Unkenntlichkeit eingeschränkt“, das Land werde „komplett runtergewirtschaftet“ und sei „korrupt an der Spitze“, kritisierte zuletzt Kogler. (APA, misp)
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