Präsident Biden warnt vor Gewalt im Wahlkampf, Trump zu Parteitag in Milwaukee eingetroffen
Washington – US-Präsident Joe Biden hat nach dem Attentat auf seinen Amtsvorgänger und Kontrahenten Donald Trump vor Gewalt im US-Wahlkampf gewarnt. „Wir lösen unsere Meinungsverschiedenheiten an der Wahlurne. So machen wir es – an der Wahlurne, nicht mit Kugeln“, sagte Biden bei einer seltenen Ansprache an die Nation aus dem Oval Office im Weißen Haus. Die politische Debatte im Land sei sehr hitzig geworden. „Es ist Zeit, sie abzukühlen. Wir alle haben die Verantwortung, das zu tun.“
Gewalt sei nie eine Lösung, betonte Biden. „Wir sind keine Feinde.“ Eine solche abendliche Ansprache aus dem Büro des Präsidenten in der Regierungszentrale, die live im Fernsehen übertragen wird, ist krisenhaften Momenten und großen Zäsuren im Land vorbehalten. Genau damit haben es die Vereinigten Staaten nach dem Gewaltakt gegen Präsidentschaftsbewerber Trump momentan zu tun.
Der US-Präsident betonte in seiner Rede: „Ich werde mich weiterhin mit Nachdruck für unsere Demokratie einsetzen, für unsere Verfassung und die Rechtsstaatlichkeit eintreten und zum Handeln an der Wahlurne aufrufen, ohne Gewalt auf unseren Straßen.“ So sollte die Demokratie funktionieren, mahnte er. „Wir stehen für ein Amerika nicht des Extremismus und der Wut, sondern des Anstands und der Güte.“
Biden betonte: „Hier in Amerika müssen wir aus unseren Silos herauskommen, in denen wir nur auf diejenigen hören, mit denen wir einer Meinung sind.“ Er warnte vor Fehlinformationen und „ausländischen Akteuren, die die Flammen unserer Spaltung schüren, um Wahlergebnisse zu beeinflussen, die ihren Interessen entsprechen und nicht unseren“.
Der 81-Jährige erwähnte auch den Sturm auf das Kapitol am 6. Jänner 2021. Anhänger Trumps hatten damals gewaltsam den Parlamentssitz in Washington gestürmt. Dort war der Kongress zusammengekommen, um den Sieg Bidens bei der Präsidentenwahl von 2020 formal zu bestätigen. Trump hatte seine Anhänger zuvor bei einer Rede durch unbelegte Behauptungen aufgewiegelt, dass ihm der Wahlsieg durch massiven Betrug gestohlen worden sei.
Ein Mann hatte am Samstag bei einer Wahlkampfrede Trumps im US-Staat Pennsylvania auf den 78-Jährigen geschossen und ihn am Ohr verletzt. Der Täter, laut Bundespolizei FBI ein 20 Jahre alter Mann aus der Region, wurde von Sicherheitskräften getötet. Ein Motiv machten die Ermittler noch nicht aus. Der junge Mann tötete einen Feuerwehrmann und Familienvater, der als Zuschauer bei der Veranstaltung war. Zwei weitere Teilnehmer wurden schwer verletzt.
Suche nach Motiv
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Kommentar
Spaltung, Gewalt und Trump als Märtyrer
Biden hatte das Attentat bereits kurz nachdem es passierte verurteilt. Weltweit ist das Entsetzen groß und schürt mitten im Wahlkampf Ängste vor einer politischen Gewaltspirale in den USA.
Trump will bei der Präsidentenwahl am 5. November den demokratischen Amtsinhaber Biden herausfordern. Etliche hochrangige Vertreter beider Parteien in den USA verurteilten den Angriff.
Nach dem Attentat steht die Frage im Raum, ob die Veranstaltung und Trump ausreichend geschützt waren. Biden hatte eine unabhängige Untersuchung dazu angekündigt, um zu klären, was genau passiert ist.
Trump zu Parteitag in Milwaukee eingetroffen
Unter dem Eindruck des Attentats startet am Montag der Nominierungsparteitag der Republikaner. Nur einen Tag nach dem Attentat ist Trump dazu im US-Staat Wisconsin gelandet. TV-Aufnahmen zeigten die Maschine Trumps auf dem Rollfeld nahe der Stadt Milwaukee. Trump hatte eigenen Angaben zufolge zunächst erwogen, seine Reise wegen der Ereignisse um zwei Tage zu verschieben.
Er habe aber beschlossen, „dass ich nicht zulassen kann, dass ein ‘Schütze’ oder ein potenzieller Attentäter eine Änderung des Zeitplans oder etwas anderes erzwingt“. Bei der Parteiversammlung in Milwaukee soll Trump im Laufe der Woche zum offiziellen Präsidentschaftskandidaten der Republikaner gekürt werden.
Zeitungen gegenüber rief Trump zu Ruhe und Einigkeit auf. „Das ist eine Chance, das ganze Land, ja die ganze Welt zusammenzubringen“, sagte Trump dem Washington Examiner und der New York Post. Der Vorfall habe ihn zutiefst erschüttert. Er begreife nun erst, was passiert sei („Reality is just setting in“).
Trump überlebte den Angriff, weil er sich im entscheidenden Moment von der Menge wegdrehte. „Ich wende mich selten von der Menge ab. Wenn ich das in diesem Moment nicht getan hätte, dann würden wir heute nicht reden, oder?“ Er ergänzte: „Ich sollte nicht hier sein. Ich sollte tot sein. Ich sollte tot sein.“
In Milwaukee angekommen, reckte Trump beim Verlassen des Flugzeugs mehrmals die geballte Faust in die Luft. „Die Rede wird ganz anders sein, ganz anders als vor zwei Tagen“, sagte er mit Blick auf seine Nominierungsrede.
Er habe seine ursprünglich geplante und sehr angriffslustige Rede für den Parteitag verworfen, sagte Trump im Interview mit der New York Post. „Ich hatte eine extrem harte Rede komplett vorbereitet, wirklich gut, alles über die korrupte, schreckliche Regierung. Aber ich habe sie weggeschmissen.“ Auf Nachfrage erklärte er demnach, dass die unterschiedlichen politischen Positionen, etwa beim Thema Migration, natürlich unverändert seien, aber er wolle das Land durch Erfolg zusammenbringen. Er habe nahegelegt, berichtete die Zeitung, dass der Wahlkampf im Ton nun etwas gemäßigter weitergehen solle. „Ich will versuchen, das Land zu einen“, sagte Trump demnach. „Aber ich weiß nicht, ob es möglich ist. Die Menschen sind sehr gespalten“, sagte er.
Der Anruf nach dem Attentat von US-Präsident Joe Biden, den er bei der Wahl im November herausfordern will, sei gut gewesen. Biden sei „sehr nett“ gewesen, wurde Trump weiter zitiert.
Die politische Stimmung in den Vereinigten Staaten ist seit Jahren aufgeheizt. Das US-Justizministerium beklagte zu Jahresbeginn einen „zutiefst beunruhigenden Anstieg der Drohungen“ gegen Amtsträger und demokratische Institutionen im Land. (APA/dpa/TT.com)