Nehammer hält kein Sparpaket für nötig und hält sich Tür zur FPÖ offen
Der Bundeskanzler und ÖVP-Chef will den Staatshaushalt stattdessen durch Wirtschaftswachstum sanieren. Die Opposition wirft ihm Realitätsverweigerung vor.
Wien – Das Budget wird Wahlkampfthema. Wirtschaftsforscher und Fiskalrat halten ein Sparpaket für nötig, um die Ausgaben in den Griff zu bekommen. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) widerspricht diesen Warnungen. „Ich habe da eine gegenteilige Auffassung dazu“, sagt er zur APA. Er geht vielmehr davon aus, dass mehr Wirtschaftswachstum auch dem Staatshaushalt helfen würde. Erreichen will er dieses Wirtschaftswachstum durch Erleichterungen für Unternehmen, etwa bei der Besteuerung von Überstunden oder bei den Lohnnebenkosten.
Opposition sieht Realitätsverweigerung
Die Opposition wirft Nehammer knapp zwei Monate vor der Nationalratswahl angesichts dieser Aussagen Realitätsverweigerung vor. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Klaus Seltenheim ist „fassungslos“ und befürchtet Kürzungen, die alle treffen. Für FPÖ-Chef Herbert Kickl ist der Kanzler sei ein "Schmähtandler und Rosstäuscher". Angesichts der „Desaster“ der vergangenen Jahre sei es grotesk, wenn Nehammer nun von einer Stärkung der Wirtschaft spreche. NEOS-Generalsekretär Douglas Hoyos warf Nehammer angesichtzs der Warnungen der Wirtschaftsforscher „versuchte Wählertäuschung" vor.
Nehammers Wahlziel für den 29. September ist allen Umfragen zum Trotz Platz eins. Der ÖVP-Chef will den Auftrag, neuerlich die Regierung anzuführen. Die 37,5 Prozent aus 2019 sind dabei außer Reichweite, aktuell geben die Meinungsforscher der Volkspartei den zweiten Platz. Wahlergebnisse zu vergleichen hält Nehammer angesichts der wechselnden Umstände aber für nicht sinnvoll.
Als Nummer zwei eine Regierung anzuführen, hält Nehammer offenbar für denkbar. Entscheidend sei die Mehrheit im Nationalrat. Wunschpartner nennt er nicht. Er suche nach „konstruktiven Kräften“. Die FPÖ als Partei schloss er dabei nicht aus, nur mit Obmann Herbert Kickl will er nicht zusammenarbeiten. Nehammer sagt, er kenne bei den Blauen "viele vernünftige Kräfte", mit denen er auch "guten Gesprächskontakt" pflege.
Schwarz-roter Geheimplan ist „Fake-Papier“
Als "Fake-Papier" disqualifizierte Nehammer jenen angeblichen "Geheimplan" einer bereits ausgemachten ÖVP-SPÖ-NEOS-Koalition, der vom Freiheitlichen Peter Westenthaler verbreitet wird. Der Bundeskanzler: „Man sieht jetzt, dass das eintritt, was wir befürchtet haben, wenn der Wahlkampf einmal beginnt: Es beginnt jetzt offensichtlich auch die gezielte Desinformation der Öffentlichkeit.“
Grundsätzlich ist eine Zusammenarbeit mit SPÖ und NEOS für Nehammer aber eine Option. Einige Landeshauptleute - darunter Anton Mattle - haben sich auch bereits für eine Koalition zwischen ÖVP und SPÖ ausgesprochen. (APA, TT)