Schwierige Bemühungen um Feuerpause im Gazastreifen
In Bemühungen um eine Waffenruhe in Gaza ist am Donnerstag in Katar eine wohl entscheidende Verhandlungsrunde geplant. Die Hamas bekräftigte am Mittwoch, sie werde nicht teilnehmen. Die palästinensische Terrororganisation ist aber bereit, sich anschließend über die besprochenen Punkte informieren zu lassen. Der Iran könnte indes laut US-Präsident Joe Biden bei einem Durchbruch in den Verhandlungen von seinem angedrohten Vergeltungsschlag gegen Israel absehen.
"Es wird schwierig", sagte Biden gegenüber Journalisten in Washington. "Wir werden sehen, was der Iran tut, und wir werden sehen, was passiert, wenn es einen Angriff gibt. Aber ich werde nicht aufgeben." Nach dpa-Informationen werden in Doha CIA-Chef William Burns, Katars Ministerpräsident Mohammed bin Abdulrahman Al Thani und Ägyptens Geheimdienstchef Abbas Kamel erwartet. Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu kündigte am Mittwoch an, die Chefs des Auslandsgeheimdienstes Mossad und des Inlandsgeheimdienstes Shin Bet zu den Verhandlungen in Katars Hauptstadt Doha zu entsenden. Wie Netanyahus Büro mitteilte, sollen Mossad-Chef David Barnea sowie Shin-Bet-Direktor Ronen Bar zu den Gesprächen reisen.
Druck für ein Abkommen kommt auch aus dem Iran. Drei hochrangige Regierungsmitarbeiter erklärten, nur ein Abkommen für eine Waffenruhe könne die Islamische Republik davon abhalten, Vergeltung an Israel für die Tötung des Hamas-Führers Ismail Haniyeh in Teheran zu üben.
Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates der USA, John Kirby, sagte in Washington: "Wir beobachten sehr, sehr genau, was der Iran und seine Verbündeten diese Woche tun könnten." Das Weiße Haus ist laut Medienberichten besorgt, dass ein Angriff des Iran und der Hisbollah auf Israel die Verhandlungen über eine Waffenruhe sabotieren und ein mögliches Abkommen zunichtemachen würde.
Die Hamas lehnte die Teilnahme an den Verhandlungen ab. "Neue Verhandlungen ermöglichen es der Besatzungsmacht (Israel, Anm.), neue Bedingungen zu stellen und das Labyrinth der Verhandlungen zu nutzen, um weitere Massaker zu verüben", sagte das hochrangige Hamas-Mitglied Sami Abu Suhri gegenüber Reuters. Die Hamas sei aber bereit, einen von US-Präsident Biden unterstützen Plan umzusetzen.
Ein anderer hochrangiger Hamas-Vertreter, der anonym bleiben wollte, sagte der Nachrichtenagentur AFP, "Verhandlungen mit den Vermittlern dauern an und haben sich in den vergangenen Stunden sogar intensiviert". Die Hamas wolle, "dass der Biden-Plan umgesetzt wird und nicht nur verhandeln um des Verhandelns willen", sagte er.
Biden hatte Ende Mai den Entwurf eines Deals vorgestellt, der zunächst eine vollständige und uneingeschränkte Waffenruhe von sechs Wochen vorsieht. In diesem Zeitraum würde eine bestimmte Gruppe von Geiseln freigelassen. Im Gegenzug würden Palästinenser freikommen, die in Israel inhaftiert sind. Danach würden die Kämpfe dauerhaft eingestellt und die verbliebenen Geiseln freigelassen. In einer letzten Phase soll demnach der Wiederaufbau des Gazastreifens beginnen. Israels Ministerpräsident Netanyahu wies Vorwürfe zurück, neue Bedingungen gestellt zu haben.
Die Botschafter Deutschlands, der USA und Großbritanniens sprachen sich vor den Verhandlungen in Doha für eine Waffenruhe und Freilassung der Geiseln aus. Es gebe "gegenwärtig keine wichtigere Pflicht", als die möglichst rasche Freilassung der Geiseln zu erzielen, sagte der deutsche Botschafter in Israel, Steffen Seibert, bei einer Pressekonferenz in Tel Aviv. "Ihr Leid übersteigt jegliche Vorstellungskraft", sagte Seibert zum Zustand der Geiseln. Es gebe "schreckliche Berichte" von den bisher Freigelassenen. "Wir wissen auch, dass einige nicht mehr lebend zurückkommen werden."
Die Vermittler USA, Ägypten und Katar versuchen seit Monaten, eine erneute Feuerpause im Krieg zwischen Israel und der Hamas zu erreichen. Bei einer ersten Feuerpause im November waren rund 100 Geiseln im Austausch für 240 palästinensische Häftlinge freigelassen worden.
Israel bereitete sich unterdessen weiter intensiv auf einen befürchteten Angriff des Iran und seiner Verbündeten vor. Unter anderem brachte das Kunstmuseum in Tel Aviv nach eigenen Angaben seine wertvollsten Werke in Sicherheit. In Haifa hatten die Behörden die Sicherheitsvorkehrungen bereits mit Schutzbunkern und einer unterirdischen Krankenhaus-Abteilung verstärkt.
Sein Land bleibe in "höchster Alarmbereitschaft", schrieb der israelische Präsident Yitzhak (Isaac) Herzog im Onlinedienst X. Herzog dankte den westlichen Partnern seines Landes für ihre Unterstützung.
Die USA, Israels engster Verbündeter, verstärkten ihre Militärpräsenz in der Region und entsandten weitere Kriegsschiffe und Kampfjets. Zudem genehmigte Washington zusätzliche Rüstungsexporte im Wert von mehr als 20 Milliarden Dollar nach Israel. Wie das US-Außenministerium mitteilte, sind darunter 50 F-15-Kampfjets und 33.000 Schuss Panzermunition.
Unterdessen ging die israelische Armee weiter gegen die Hamas im Gazastreifen vor. Ihre Einheiten hätten ihre "präzisen, geheimdienstbasierten" Einsätze im Gebiet von Tel al-Sultan in Rafah im Süden fortgesetzt, hieß es. In den vergangenen 24 Stunden seien zudem mehr als 40 Luftangriffe im gesamten Gazastreifen auf "terroristische Infrastrukturen" ausgeführt worden.
Der von der Hamas kontrollierte Zivilschutz meldete mindestens vier Tote nach einem Angriff in Khan Younis. Zudem seien die Stadt Gaza sowie Beit Lahia, Deir Balah und Rafah unter Beschuss genommen worden.
Den Krieg im Gazastreifen hatte am 7. Oktober ein beispielloser Großangriff der Hamas auf Israel ausgelöst. Dabei wurden israelischen Angaben zufolge 1.198 Menschen getötet und 251 Menschen in den Gazastreifen verschleppt. Als Reaktion auf den Angriff geht Israel seitdem massiv militärisch im Gazastreifen vor. Nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums - die sich nicht unabhängig überprüfen lassen und bei denen die Hamas nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern unterscheiden - wurden dabei bisher mehr als 39.960 Menschen getötet.