ÖFB-Teamchef Rangnick: „Verarbeiten von EM-Aus hat schon sehr lange gedauert"
Wien – ÖFB-Teamchef Ralf Rangnick schmerzt das Ausscheiden der österreichischen Mannschaft im EM-Achtelfinale gegen die Türkei immer noch. Am Mittwoch absolvierte der 66-Jährige bei einer Visite in den Wiener Auhof-Studios, wo er künftig als Canal+-Experte tätig sein wird, seinen ersten Medientermin seit der Europameisterschaft. Dabei sprach Rangnick auch über den Status quo bei einigen Teamakteuren wie Marko Arnautovic, Kevin Danso und Christoph Baumgartner.
Sorgen scheinen ihm die individuellen Situationen bei seinen Spielern, ob diese verletzt sind, wenig Spielpraxis haben oder vor einem Transfer stehen, nicht zu machen. Dabei muss der Kader für die ersten beiden Nations-League-Spiele gegen Slowenien und Norwegen Anfang September in weniger als zwei Wochen stehen. Unter die Haut ging Rangnick Anfang August ein Besuch in Kiew, bei dem Raketenalarm gegeben wurde. Dennoch sei er "auch im Rückblick froh, dass wir selber dort waren", betonte Rangnick im Gespräch mit österreichischen Journalisten.
Wie ist der Stand bei Marko Arnautovic? Er hat seine Zukunft im ÖFB-Team nach dem EM-Aus gegen die Türkei etwas offen gelassen?
Ralf Rangnick: Ich habe ihn seitdem auch nicht wieder gesprochen und gesehen. Ich habe jetzt nur gelesen, dass er sich verletzt hat. Es wird wahrscheinlich jetzt auch für den nächsten Lehrgang, wenn es wirklich wieder ein Muskelfaserriss auf der Rückseite Oberschenkel ist, knapp werden, aber da muss man dann schauen.
Wie war generell die Aufarbeitung der EM? Wann beginnt man wieder, aktiv den Kontakt mit den Spielern zu suchen?
Rangnick: Ich habe am Tag nach dem Spiel, bevor wir alle abgereist sind, schon noch einmal länger vor der Mannschaft gesprochen. Seitdem gab es jetzt - mit Ausnahme von dem einen oder anderen Spieler, der entweder Geburtstag hatte oder von sich aus anrief, weil er eine Frage bezüglich seiner Zukunft hatte - noch keinen Kontakt. Beim nächsten Lehrgang wird es sicherlich noch einmal so etwas wie einen Rückblick geben.
Wie lange mussten Sie selbst das erst einmal sacken lassen?
Rangnick: Es hat schon sehr lange gedauert, wahrscheinlich noch nie so lange wie jetzt nach diesem Spiel (1:2 im Achtelfinale gegen die Türkei; Anm.). Das so richtig wahrzunehmen und zu realisieren und auch zu analysieren, das hat schon verhältnismäßig lang gedauert.
Wie sehr verfolgen Sie etwaige Wechselgerüchte um ÖFB-Teamspieler, etwa um Kevin Danso (derzeit RC Lens)?
Rangnick: Bei Kevin war es ja letztes Jahr schon so, dass ein Wechsel im Raum stand. Jetzt wird es sich zeigen, ob er wechselt oder nicht. Im Moment muss man davon ausgehen, dass er noch wechselt und es eher darum geht wohin. Wichtig ist für mich, dass die Spieler spielen und möglichst regelmäßig zu Einsatzzeiten kommen.
Wie schaut das bei Christoph Baumgartner in Leipzig aus? Wäre es da ratsam, dass sich da etwas tut?
Rangnick: Zunächst einmal ist er im Moment verletzt. Es ist im Moment schon fraglich, ob es sich überhaupt ausgeht für den nächsten Lehrgang. Im Moment trainiert er noch nicht mit der Mannschaft. Wenn, dann ist ja eher Niki Seiwald derjenige, der zuletzt letzte Saison wenig gespielt hat im Vergleich zu 'Baumi'. Dani Olmo ist jetzt weg, und wenn 'Baumi' fit ist, glaube ich, wird er schon größere Chancen haben, dieses Jahr mehr zu spielen.
Welchem von den zwei österreichischen Vereinen, wenn dann zwei dabei sein sollten, würden Sie in der Champions League mehr zutrauen?
Rangnick: Wenn Salzburg es schafft, weiter so zu spielen wie gegen Twente, glaube ich schon, dass sie auch in der Champions League Chancen haben, für Überraschungen zu sorgen. Sturm Graz hat sich bisher noch ein bisschen schwergetan mit dem Saisonstart. Aber wenn die sich dann erst wieder gefunden haben, wenn dann auch endgültig das Transferfenster geschlossen ist, dann traue ich denen auch einiges zu."
Wie lief der Trainer-Lehrgang Anfang August in Kiew, bei dem Sie als Vortragender geladen waren?
Rangnick: Kiew war schon besonders, schon als die direkte Anfrage von (Verbandspräsident) Andrij Schewtschenko kam. Alle Trainer der ersten und zweiten Liga waren da, insgesamt 70 Personen. Am Morgen begann um 10 die Theorieveranstaltung, und nach einer halben Stunde hat Andrij mir nur kurz auf den Oberschenkel geklopft und gesagt: 'Wir müssen kurz runter.' Es kam wieder Alarm, dann waren wir eine Stunde unten im Keller und haben dann wieder weitergemacht. Das ist schon unglaublich, dass so eine Situation in Europa überhaupt existiert. Es wäre auch möglich gewesen, das per Zoom zu machen. Aber ich bin jetzt auch im Rückblick froh, dass wir selber dort waren. Auch die Teilnehmer, alle haben das ausdrücklich geschätzt."
Aufgezeichnet von Nikolaus Panny/APA