Doping-Experte zum Freispruch im Fall Sinner: „Das stinkt zum Himmel“
Der positive Dopingtest von Weltranglisten-Leader Jannik Sinner, der keine Sperre nach sich zog, schlägt weiter hohe Wellen.
Innsbruck – Die Welt-Anti-Doping-Agentur will die Entscheidung im Fall des Tennis-Weltranglistenersten Jannik Sinner zunächst „sorgfältig prüfen“. Das teilte die WADA auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. Man behalte sich das Recht vor, gegebenenfalls Berufung beim Internationalen Sportgerichtshof in Lausanne einzulegen, erklärte die WADA, die ihren Sitz im kanadischen Montréal hat.
Sinner wurde im März zweimal positiv auf das verbotene anabole Steroid Clostebol getestet. Eine Sperre bekam der 23-Jährige nicht. Nach Angaben der verantwortlichen Tennis-Agentur ITIA wurde der Italiener am vergangenen Donnerstag von einem unabhängigen Gericht freigesprochen. Demnach habe der Australian-Open-Champion das verbotene Mittel nicht vorsätzlich verwendet.
Aufregung um Südtiroler
Positiver Doping-Test! Südtiroler Tennis-Star Jannik Sinner entgeht Sperre
Eine Reaktion der Italienischen Anti-Doping-Agentur stand zunächst noch aus, auch sie kann gegen die ITIA-Entscheidung Berufung einlegen, wie Itia selbst in der Mitteilung erklärte.
Kyrgios kritisiert Entscheidung
Der australische Tennisprofi Nick Kyrgios kritisierte via X die Entscheidung der ITIA. „Lächerlich – ob es zufällig oder geplant war. Du wirst zweimal mit einer verbotenen (Steroid) Substanz getestet... du solltest für zwei Jahre raus sein“, schrieb der 29-Jährige, der 2022 das Finale beim Rasen-Klassiker in Wimbledon erreicht hatte.
Sinner hatte in einem Statement, das er in den sozialen Netzwerken veröffentlichte, erklärt, dass die Substanz über die Hände seines Physiotherapeuten in seinen Körper gelangt sei. Demnach habe der Betreuer ein in Italien rezeptfreies Clostebol-haltiges Spray benutzt, um einen Schnitt an seinem Finger zu behandeln.
Der ITIA zufolge hielten wissenschaftliche Sachverständige Sinners Erklärung für glaubwürdig. Deshalb habe die Tennis-Agentur auch davon abgesehen, Sinner zumindest vorläufig zu suspendieren. Nach einer weiteren Untersuchung durch die Agentur änderte sich in der Sache nichts.
Aufgrund der positiven Befunde wurden Sinner für das ATP-Turnier in Indian Wells, wo er im März das Halbfinale erreicht hatte und der positive Befund festgestellt worden war, das Preisgeld und die Punkte aberkannt.
Sinners Coach, Darren Cahill, verteidigte den Südtiroler und schloss jeglichen Vorsatz aus. „Er würde nie etwas absichtlich tun. Er war in einer unglücklichen Situation“, sagte Cahill in einem Interview des US-Senders ESPN. „Die Wahrheit ist heraußen, kein Fehler oder Fahrlässigkeit, und hoffentlich kann er das hinter sich lassen.“
Sörgel: „Stinkt zum Himmel“
Geht es nach dem deutschen Doping-Experten Fritz Sörgel, ist die Sache für Sinner noch nicht erledigt. „Wenn jemand positiv auf Clostebol getestet wird, dann wird er automatisch gesperrt. Die Reihenfolge nach einem positiven Test, der angezweifelt wird, ist der Gang zur Nationalen Anti-Doping-Agentur, zur WADA, zum CAS. Wieso kann Sinner dann von einem Gericht freigesprochen werden?“, sagte Sörgel in einem Interview dem Portal „Sport1“.
Die Angelegenheit habe für ihn „auf jeden Fall“ einen seltsamen Beigeschmack: „Das stinkt zum Himmel.“ Wenn die WADA generell bei solchen Fällen nicht durchgreife beziehungsweise auch der Internationale Sportgerichtshof CAS keine klaren Urteile fälle, „und wie in den letzten Jahren aufgrund ähnlicher Ausreden Freisprüche aussprach, dann geht es immer so weiter. Jetzt muss ein klarer Strich gezogen werden“, forderte Sörgel: „Clostebol führt automatisch zu einer zwei- bis vierjährigen Sperre. Da führt kein Weg dran vorbei.“ Die WADA müsse jetzt eingreifen. (APA, dpa, TT.com)