Debakel für die Ampel im Osten: AfD in Thüringen Erster, enges Rennen für CDU in Sachsen
Das Ergebnis der Landtagswahlen in den deutschen Bundesländern Sachsen und Thüringen war auch eine Abrechnung mit der Bundesregierung in Berlin. Die Regierungsbildung auf Landesebene wird schwierig.
Dresden, Erfurt, Berlin – Erstmals in Deutschland ist die AfD bei einer Landtagswahl stärkste Kraft geworden. In Thüringen lag sie schon in den ersten Hochrechnungen von ARD und ZDF uneinholbar vorne. Bei der Landtagswahl in Sachsen legt sie ebenfalls zu und liefert sich ein enges Rennen mit der CDU um den ersten Platz.
Für die Ampel-Koalition im Bund sind die Wahlergebnisse desaströs. Die FDP ist in beiden Ländern meilenweit von der Fünf-Prozent-Hürde entfernt, die Grünen fliegen in Thüringen aus dem Landtag. Und die SPD ist mit rund sieben Prozent in beiden Ländern von der Zweistelligkeit auch recht weit entfernt.
Noch nie sind die Parteien, die die Bundesregierung stellen, bei Landtagswahlen gemeinsam auf so schlechte Ergebnisse gekommen. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) schneidet in Thüringen aus dem Stand stärker als SPD, Grüne und FDP zusammen ab und die AfD ist dort nun fast drei Mal so stark wie die Ampel.
Bislang perlten die Wahlniederlagen an der Kanzlerpartei ab. Doch spätestens in drei Wochen könnte es mit der Disziplin in der SPD vorbei sein. Dann wird in Brandenburg gewählt, das für die SPD noch wichtiger als Sachsen und Thüringen ist. In Brandenburg stellen die Sozialdemokraten seit 1990 durchgehend die Ministerpräsidenten. Sollte die Wiederwahl des seit elf Jahren regierenden Dietmar Woidke scheitern, wackelt die Kanzlerkandidatur von Olaf Scholz für 2025.
Sachsens Ministerpräsident und CDU-Spitzenkandidat Michael Kretschmer forderte schon jetzt einen anderen politischen Stil im Bund. „Es gibt ein großes Politik-Misstrauen, das muss enden. Hier muss ein anderer politischer Stil einziehen“, sagte Kretschmer in einem ARD-Interview. Die Menschen seien sauer über die Bundespolitik. „Es kann ja nicht sein, dass eine Wahl nach der anderen hier im Desaster endet“, sagte der CDU-Politiker. „Wie soll das eigentlich mit der Bundestagswahl gehen? Ist es wirklich geplant, dass dieses Land den Populisten ausgeliefert wird?“
BSW als einiziger Ausweg?
In Thüringen hat die bisherige rot-rot-grüne Minderheitskoalition unter Regierungschef Ramelow (Linke), die seit 2019 auf eine Zusammenarbeit mit der CDU angewiesen war, keine realistische Möglichkeit zum Weiterregieren. Die vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestufte AfD bleibt bei der neuen Regierung außen vor, denn die übrigen Parteien schließen eine Koalition aus. Trotzdem sieht Thüringens AfD-Chef Björn Höcke den Regierungsauftrag bei seiner Partei. Er wolle mit den anderen Parteien über Koalitionen ins Gespräch kommen, sagte der 52-Jährige, der wegen der Nutzung einer Nazi-Parole vor einigen Wochen in erster Instanz zweimal zu Geldstrafen verurteilt wurde.
Die wahrscheinlichste Option für eine Koalition wäre den Hochrechnungen zufolge ein nie dagewesenes Bündnis aus CDU, BSW und SPD. Das BSW, eine Abspaltung von der Linken, dürfte damit eine entscheidende Position einnehmen. Thüringens CDU-Chef Mario Voigt sieht in den Prognosen den Auftrag zur Regierungsbildung unter seiner Führung, wie der 47-Jährige am Wahlabend sagte. Er kündigte an, auf die SPD zugehen zu wollen und auch zum BSW „gesprächsoffen“ zu sein.
Dafür muss die CDU aber über ihren Schatten springen. Denn Parteigründerin Sahra Wagenknecht war Mitglied der DDR-Staatspartei SED, später eine führende Figur der kommunistischen Plattform in der Linken und sie ist sehr russlandfreundlich. Dennoch ist eine Zusammenarbeit mit dem BSW grundsätzlich möglich, mit der Linken aber wie mit der AfD wegen aufrechter Parteibeschlüsse nicht.
Ein weiteres Problem, das mit dem Triumph der AfD auf die beiden Bundesländer zukommen könnte: Gewinnt sie jeweils mehr als ein Drittel der Landtagsmandate, hätte sie eine Sperrminorität: Sie könnte alles blockieren, was eine Zweidrittenmehrheit benötigt, so auch Bestellung der Verfassungsrichter. (dpa, sta)
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