Rechtsextreme Wahl-Sieger

Niemand will mit der AfD regieren: So geht es jetzt in Sachsen und Thüringen weiter

Die AfD-Vorsitzenden Alice Weidel (l.) und Tino Chrupalla (r.).
© AFP/Tobias Schwarz

Erfurt, Dresden – Für die Parteien ist das Ergebnis der Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen eine Herausforderung. Ohne Einbindung von AfD, dem neuen Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) oder der Linken geht nichts – und damit steht gerade die CDU vor größeren Denksportaufgaben in den kommenden Wochen. Denn für die Christdemokraten gilt im Bund und den Ländern ein Unvereinbarkeitsbeschluss, der eine Zusammenarbeit mit AfD oder Linken verbietet.

In Thüringen will CDU-Chef Mario Voigt nun Gespräche führen, den Regierungsauftrag sieht er bei seiner Partei. Formal besteht zunächst der alte Landtag fort, und auch die bisherige Regierung mit Bodo Ramelow (Linke) als Ministerpräsident bleibt, bis sich ein neuer Landtag gebildet hat. Der neue Landtag muss laut Verfassung binnen 30 Tagen zusammentreten. Nach Angaben der Landtagsverwaltung bestimmt noch die bisherige Landtagspräsidentin den Termin – in Absprache mit den neuen Fraktionen.

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AfD könnte Landtagsbetrieb für Wochen lahmlegen

Die erste Sitzung eröffnet der sogenannte Alterspräsident – also der älteste Abgeordnete im Parlament, dann wird der Landtagspräsident gewählt. Der Alterspräsident des neuen Thüringer Landtags wird voraussichtlich von der AfD gestellt. Mit 73 Jahren sei Jürgen Treutler nach jetzigem Stand der älteste Abgeordnete im künftigen Landesparlament, teilte die Pressestelle des Landtags mit. Damit falle ihm die Rolle des Alterspräsidenten samt Leitung der konstituierenden Sitzung zu.

Treutler hatte bei der Landtagswahl für die AfD in Sonneberg das Direktmandat gewonnen. Schon vor fünf Jahren hatte die AfD den Alterspräsidenten gestellt. Die erste Sitzung war damals von Karlheinz Frosch eröffnet worden.

Wie geht es dann weiter?

Nach Feststellung der Beschlussfähigkeit wählt das Thüringer Landesparlament dann einen neuen Präsidenten oder eine Präsidentin sowie die Stellvertreter. Vorschlagsrecht hat die stärkste Fraktion, in Thüringen also die AfD. Dass ein AfD-Vertreter die erforderliche Mehrheit bekommt, gilt aber als eher unwahrscheinlich. Laut Landtagsverwaltung ist eine Wahlwiederholung möglich.

„Verzichtet die vorschlagende Fraktion auf eine Wahlwiederholung oder erhält die Kandidatin bzw. der Kandidat erneut nicht die einfache Mehrheit, können auch andere Fraktionen einen oder mehrere Personalvorschläge unterbreiten“, heißt es aus der Verwaltung.

Da Landesverfassung und Landtags-Geschäftsordnung das genaue Verfahren beim Scheitern eines Kandidaten gar nicht im Detail regeln, gibt es Befürchtungen, die AfD könnte gegen das Vorgehen klagen und damit den Landtagsbetrieb für Wochen lahmlegen.

Eine Regierung muss bis zur ersten Landtagssitzung noch nicht stehen – das wäre auch eher unüblich und angesichts der arg vertrackten Lage in Thüringen wohl auch unrealistisch. Eile ist womöglich trotzdem geboten. Denn sobald der Landtag arbeitsfähig ist, könnte die AfD eine Ministerpräsidentenwahl anzetteln, während sich die potenziellen Koalitionspartner vielleicht noch gar nicht einig geworden sind.

📽️ Video | So reagieren die Regierungs-Parteien

Bei der Ministerpräsidentenwahl muss ein Bewerber im ersten oder im zweiten Wahlgang die absolute Mehrheit erreichen. Im dritten Wahlgang aber ist gewählt, wer die meisten Stimmen auf sich vereinen kann. Weil die AfD stärkste Kraft ist, müssten also immer mehrere Fraktionen kooperieren, wenn sie verhindern wollen, dass zum Beispiel Björn Höcke Ministerpräsident wird, sollte er kandidieren.

Welche Koalition könnte Sachsen ins Haus stehen?

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) schließt nach der Landtagswahl wie schon davor eine Zusammenarbeit mit der AfD klar aus – und auch eine Koalition mit der Linken. Kretschmer erwägt nun eine Koalition mit der SPD und dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Das sei möglich, werde aber dauern, sagte er am Tag danach.

Über die AfD sagte der CDU-Landeschef und Spitzenkandidat bei der Wahl-Nachlese der Bundespartei in Berlin: „Die Partei wird eine Oppositionsrolle einnehmen, in der Demokratie ist das eine wichtige Angelegenheit.“ Der Wahlausgang gebe der CDU die Chance auf eine stabile Regierung. Sie zu bilden werde nicht leicht und gehe auch nicht schnell. Rechnerisch möglich wäre ein Bündnis der CDU mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht und der SPD oder den Grünen.

Parlament muss bis spätestens 1. Oktober zusammenkommen

Nach der Landtagswahl muss das neu gewählte Parlament laut Landesverfassung spätestens nach 30 Tagen zur ersten Sitzung zusammenkommen – also bis spätestens am 1. Oktober. Erst mit dieser Sitzung endet die Amtszeit des vorherigen Landtags.

Traditionell wird in der ersten Sitzung der Landtagspräsident gewählt. Auch hier leitet der Alterspräsident – der älteste Abgeordnete – die Konstituierung bis zur Wahl des Parlamentspräsidenten.

Der Ministerpräsident wird vom Landtag mit der Mehrheit seiner Mitglieder in geheimer Abstimmung gewählt. Wird der Regierungschef nicht innerhalb von vier Monaten nach der Konstituierung des neuen Landtags gewählt, muss dieser aufgelöst werden. Für die Regierungsbildung bliebe also rechnerisch Zeit bis Ende Jänner. (APA/dpa, TT.com)

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