1944–2024

Ihre Kunst bleibt stets in Bewegung: Künstlerin Rebecca Horn starb mit 80 Jahren

Rebecca Horn, 2013 in Moskau: Die (oftmals sich bewegenden) Arbeiten der Künstlerin wurde weltweit gezeigt.
© imago/Itar-Tass

Mit ihren kinetischen Objekten wurde Rebecca Horn weltberühmt. Die jüngste Teilnehmerin der documenta ist jetzt im Alter von 80 Jahren gestorben. In München kann man ihre Arbeit derzeit noch sehen.

Wien, Berlin, Frankfurt – Seit Jahrzehnten war Rebecca Horn einer der Stars der Kunstszene. „Sie ist die Grande Dame der deutschen Kunst, das weibliche Pendant zu Gerhard Richter“, sagte Bettina M. Busse anlässlich der von ihr 2021 kuratierten großen Werkschau im Bank Austria Kunstforum Wien. Sie versammelte Ikonen der jüngeren Kunstgeschichte, aus Klavieren oder Schreibmaschinen gefertigte kinetische Objekte, deren Zauber man sich kaum entziehen konnte. Nun ist Rebecca Horn 80-jährig gestorben.

Noch bis 13. Oktober zeigt das Haus der Kunst in München eine umfassende Personale der Künstlerin, diese Schau fokussiert auf dem Performativen, den choreographischen Arbeiten der Künstlerin, die sich in ihrem Schaffen auch die Sprache des Tanzes verwendet hatte. Das Thema der Bewegung beschäftigt sie in frühen Papierarbeiten aber auch in den Performances und Filmen der 1970er und bis hin zu den raumgreifenden Installationen des Spätwerks. Nach einem Schlaganfall 2015 saß Horn selbst übrigens zuletzt im Rollstuhl.

Bei vielen Arbeiten sorgen Bewegungsmelder dafür, dass sich, kaum kommt man in ihre Nähe, Pfauen-, Straußen- oder Rabenfedern zu spreizen und Buchseiten zu flattern beginnen. Kleine Hämmer geben Klopfzeichen, Tanzschuhe vollführen Spitzentänze, Schreibmaschinen klappern und verspritzen Tinte, Gewehre und Pistolen nehmen einander ins Visier und verschießen „Blut“. „Les Amants“ (1991) etwa heißt eine Konstruktion, die eine Mischung aus Champagner und Tinte an die Wand sprüht. Für Aufsehen sorgt der raumfüllende „Schildkrötenseufzerbaum“ (1994), aus dessen motorgetriebenen Kupfertrichtern klagende Stimmen tönen.

Es sind Objekte, deren Materialien ihre Nähe zur Arte Povera nicht verleugnen, denen aber mittels der Kunst der Feinmechanik magische Kraft verliehen wird. „Die Bewegung ist immer ansprechend und fungiert für viele als Eye Catcher“, analysierte Busse in Wien Horns Erfolgsrezept. „Gleichzeitig lässt sie dem Betrachter viel Freiheit. Sie ist eine große Anregerin der Fantasie, ohne oberflächlich zu sein. Diese Mischung ist einzigartig.“

Schwebend leichte Bewegung: 2021 zeigte das Bank Austria Kunstforum Wien eine Personale von Rebecca Horn.
© Gregor Titze/Bank Austria Kunstforum Wien

1944 als Tochter eines Textilfabrikanten im Odenwald geboren, studierte Horn an Kunsthochschulen in Hamburg und London. Während des Studiums musste sie einen zweijährigen Klinikaufenthalt absolvieren. Um die Isolation nach einer schweren Lungenentzündung und dem Tod der Eltern zu durchbrechen, begann Horn mit dem Schreiben und Zeichnen. Der menschliche Körper, Eros und Tod, Gewalt und Trauer wurden zum Leitmotiv.

Als erste Skulpturen entstanden lange Handschuhfinger aus Balsaholz, eine leuchtend rote Arm-Prothese, die bedrohlich bis zum Boden reicht – und das „Einhorn“ (1970), eine ihrer bekanntesten Arbeiten überhaupt: Eine nackte Frau, nur in Bandagen gewickelt, schreitet mit einem meterlangen weißen Stab auf dem Kopf durch ein wogendes Getreidefeld.

Jüngste Teilnehmerin der documenta

1972 nahm Horn als jüngste Teilnehmerin erstmals an der documenta in Kassel teil. Mehr als zehn Jahre lebte sie vor allem in New York, später auch in Paris. Ab 1989 lehrte sie fast zwei Jahrzehnte an der Universität der Künste in Berlin - als erste Professorin dieser Institution.

Einige Arbeiten entstanden an historisch aufgeladenen Orten: In Münster öffnete sie mit der Installation „Das gegenläufige Konzert“ 1987 einen vergessenen Turm, den die Gestapo einst für Folter und Hinrichtungen genutzt hatte. In Weimar inszenierte sie 1999 für die damalige Kulturstadt Europas das „Konzert für Buchenwald“: In einem Straßenbahndepot schüttet sie hinter Glas vierzig Meter lange Wände aus Asche auf. Zu ihrem umfangreichen Werk gehören auch Filme wie „Der Eintänzer“ (1978), „La Ferdinanda: Sonate für eine Medici-Villa“ (1981) oder ihr Spielfilm „Buster's Bedroom“ (1990), eine Hommage an Buster Keaton mit Geraldine Chaplin und Donald Sutherland.

Das amerikanische Guggenheim Museum widmete ihr schon 1993 eine große Retrospektive, die später als Wanderausstellung durch Europa ging. Weltweit gab es von New York bis London, von Paris bis Tokio mehr als 100 Einzelausstellungen ihres Werks, 2006 auch im Berliner Martin-Gropius-Bau. Zu ihren zahllosen Auszeichnungen gehörte 2010 der japanische Praemium Imperiale, einer der renommiertesten Kunstpreise der Welt, oder der ihr 2017 verliehene Wilhelm-Lehmbruck-Preis der Stadt Duisburg. (APA, dpa, bunt)

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