Israel griff Syrien aus der Luft an - Mindestens 16 Tote
In Syrien sind bei einem mutmaßlich von Israels Luftwaffe geflogenen Angriff auf Stellungen pro-iranischer Milizen nach syrischen Angaben mindestens 16 Menschen getötet worden. Die syrische Staatsagentur SANA berichtete in der Nacht auf Montag unter Berufung auf den Direktor des Nationalen Krankenhauses in Masyaf, 43 weitere Menschen seien verletzt worden, einige lebensgefährlich.
Das syrische Außenministerium verurteilte die Angriffe und warf Israel vor, "eine weitere Eskalation in der Region" provozieren zu wollen. Auch der Iran verurteile "diesen kriminellen Angriff" Israels auf syrischem Boden "aufs Schärfste", sagte der Sprecher des iranischen Außenministeriums in Teheran, Nasser Kanani.
Die israelische Armee erklärte auf AFP-Anfrage, sie kommentiere "Berichte ausländischer Medien" nicht. Israel kommentiert solche Angriffe in der Regel nicht. Die israelische Armee greift in Syrien aber immer wieder Stellungen von Milizen an, die vom Iran unterstützt werden. Dabei werden auch regelmäßig Soldaten der Regierungstruppen sowie Milizionäre getötet.
Kampfflugzeuge hätten Waffendepots pro-iranischer Milizen nahe der Stadt Hama angegriffen, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit. Es habe mehrere Explosionen gegeben. Die Beobachtungsstelle sprach von 25 Toten. Unter den Opfern seien fünf Zivilisten, vier Militärangehörige sowie 13 Syrer, die für pro-iranische Gruppen tätig gewesen seien. Nach Einschätzung des Leiters der Beobachtungsstelle, Rami Abdel Rahman, handelte es sich um "einen der schwersten Angriffe" Israels auf das Nachbarland seit Jahren. Die Angaben der in Großbritannien ansässigen Einrichtung, die ihre Informationen aus einem Netzwerk von Quellen in Syrien bezieht, lassen sich unabhängig kaum überprüfen.
Das in der Nacht angegriffene Gebiet liege westlich von Hama und gelte als Stützpunkt für iranische Streitkräfte und pro-iranische Milizen, berichtete die "Times of Israel". Es sei in den vergangenen Jahren wiederholt Ziel von Israel zugeschriebenen Angriffen gewesen. Dort befinde sich auch ein Forschungszentrum, das nach israelischen Angaben von iranischen Streitkräften zur Herstellung von Präzisionsraketen genutzt werde.
Die Angriffe hätten am Sonntagabend begonnen und "einer Reihe von militärischen Einrichtungen in der Zentralregion" gegolten, so Syriens staatliche Nachrichtenagentur SANA. Zwei regionalen Geheimdienstkreisen zufolge soll ein militärisches Forschungszentrum für die Herstellung chemischer Waffen in der Nähe von Masyaf mehrfach getroffen worden sein, in dem auch ein Team iranischer Militärexperten vermutet werde. Ein Teheran und Damaskus nahestehender Insider wies indes zurück, dass es sich um eine Anlage zum Bau von Chemiewaffen gehandelt habe.
Ende August waren nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte drei pro-iranische Kämpfer bei Israel zugeschriebenen Angriffen in der zentralsyrischen Region Homs gestorben. Ein paar Tage später teilte die israelische Armee mit, dass sie bei einem Angriff in Syrien nahe der Grenze zum Libanon mehrere Mitglieder der Palästinenserorganisation Islamischer Jihad getötet habe.
Seit Beginn des Gaza-Kriegs zwischen Israel und der vom Iran unterstützten Hamas vor elf Monaten hat Israel seine Angriffe in Syrien verstärkt. Der jüdische Staat will verhindern, dass der Iran seinen militärischen Einfluss in dem Land mithilfe von Milizen ausbaut. Die Islamische Republik ist zusammen mit Russland der wichtigste Verbündete der syrischen Regierung von Präsident Bashar al-Assad.
Währenddessen kommen die Verhandlungen über eine Waffenruhe im Gazastreifen seit Monaten nicht voran. Mit einer Waffenruhe ist die Hoffnung verbunden, eine Ausweitung des Kriegs in der Region zu vermeiden. Das US-Militär bereitet sich jedoch laut einem Bericht der "Financial Times" auf ein Scheitern der Gespräche vor, bei denen die USA, Ägypten und Katar vermitteln. US-Medien hatten kürzlich über einen geplanten letzten Vorschlag für ein Abkommen berichtet.
Der Chef des US-Auslandsgeheimdienstes CIA, William Burns, sagte daraufhin bei einer Veranstaltung der Zeitung in London: "Wir werden diesen detaillierteren Vorschlag vorlegen, in den nächsten paar Tagen, wie ich hoffe, und dann werden wir sehen." Laut israelischen Medien ist es jedoch unwahrscheinlich, dass es dazu kommt. Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu sagte dem US-Sender Fox News erst kürzlich, es sei kein Deal in Sicht.
Kritiker werfen Netanyahu vor, den Abschluss eines Abkommens über eine Waffenruhe im Gaza-Krieg mit überzogenen Forderungen - wie etwa der nach einem dauerhaften Verbleib des israelischen Militärs an strategischen Stellen des Gazastreifens - zu torpedieren. Netanyahu regiert in einer Koalition mit rechtsextremen Parteien, die jegliche Zugeständnisse an die Hamas ablehnen und ihm mit dem Platzen des Regierungsbündnisses drohen.
Israel reagierte auf die Massaker und Entführungen des terroristischen Groß-Überfalls der Hamas und anderer militanter Palästinenser-Organisationen vom 7. Oktober 2023 mit Luftangriffen und einer Bodenoffensive im Gazastreifen. Laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde wurden seither mehr als 40.800 Palästinenser in dem abgeriegelten Küstengebiet getötet. Die Zahl unterscheidet nicht zwischen Kämpfern und Zivilisten und lässt sich unabhängig kaum überprüfen. Gekämpft wird in der Nahost-Region seither immer wieder auch im Grenzgebiet zwischen Israel und dem Libanon, im Westjordanland und eben Syrien sowie mit den pro-iranischen, jemenitischen Houthi-Milizen, die im Roten mehr auch Handelsschiffe angreifen.
Unterdessen nähren kämpferische Äußerungen israelischer Politiker die Sorge vor einer Eskalation des Konflikts mit der libanesischen Schiitenmiliz Hisbollah, die von Israels eingeschworenem Feind Iran unterstützt wird. Nissim Vaturi, Abgeordneter der Regierungspartei Likud, sagte nach Angaben des israelischen Senders Kan mit Blick auf einen möglichen Krieg mit dem Libanon, es sei "eine Frage von Tagen, bis sich etwas entwickelt".
Als denkbares Szenario nannte er vier bis fünf Tage intensiver Luftangriffe, gefolgt von einer Bodenoffensive. Vaturi sagte, das überwiegend von Schiiten bewohnte Viertel Dahieh im Süden der libanesischen Hauptstadt Beirut werde dann "wie Gaza aussehen". Das Mitglied des parlamentarischen Ausschusses für Außen- und Sicherheitspolitik fügte hinzu: "Es gibt keinen anderen Weg." Als Begründung nannte er den fortwährenden Beschuss des israelischen Nordens durch die Hisbollah. Um die geflüchteten Anrainer in den Norden Israels zurückzubringen, "müssen wir eine Lösung finden". Die Hisbollah sei nicht bereit, sich vom Grenzzaun zurückzuziehen. Man müsse in einen intensiven Krieg eintreten, "um dieses peinliche Pingpong-Spiel zu beenden", forderte Vaturi mit Blick auf die Lage an der Grenze zum Libanon. Regierungschef Benjamin Netanyahu denke genauso.
Israel will, dass sich die Hisbollah hinter den 30 Kilometer von der Grenze entfernten Litani-Fluss zurückzieht - so wie es eine UNO-Resolution vorsieht. Die Schiitenmiliz will mit dem Beschuss Israels aber erst aufhören, wenn es zu einem Waffenstillstand im Gaza-Krieg zwischen Israel und der mit ihr verbündeten Hamas kommt.