„Extrameile“ für Kinder in Not: Besuch im Unicef-Warenlager in Kopenhagen
Sind Kinder irgendwo auf der Welt in Gefahr, wird in Kopenhagen blitzschnell reagiert: Dort befindet sich mit der Supply Division der „Motor" der humanitären Hilfe von Unicef. Ein Blick hinter die Kulissen.
Es ist ein bizarres Bild, das sich an diesem Dienstag im Nordhavn von Kopenhagen bietet. Zwei Welten prallen aufeinander. Am Pier hat ein Kreuzfahrtriese angelegt. Den Passagieren an Bord wird jeder Wunsch von den Augen abgelesen. Nur wenige Meter weiter ist eine Institution angesiedelt, die Kinder und ihre Familien in Krisensituationen mit dem absolut Nötigsten versorgt. Das Kinderhilfswerk Unicef der Vereinten Nationen hat in der dänischen Hauptstadt das größte humanitäre Warenlager der Welt errichtet. Von hier aus werden Hilfsgüter in die ganze Welt verschifft.
Hinter den Fassaden verbirgt sich jedoch weit mehr als nur ein Warenlager. Die Unicef Supply Division ist sozusagen der „Motor“ der globalen Versorgungsoperationen der Organisation. Hier wird im Krisenfall koordiniert, wie lebensrettende Soforthilfe schnellstmöglich zu jenen gelangt, die sie bitter benötigen. Dafür arbeitet Unicef eng mit Regierungen, NGOs und anderen PartnerInnen zusammen.
Mensch und Maschine
In der gigantischen Lagerhalle stapeln sich die Paletten bis zur Decke. „Das Gebäude ist so groß wie das Kolosseum in Rom“, erzählt ein Unicef-Mitarbeiter. Auf eine andere Art ist es auch ähnlich imposant. Mehr als 36.000 Paletten haben in den Regalen Platz. Dennoch platzt das Lager aus allen Nähten, sagt der Mitarbeiter. Der Bedarf an Nothilfe ist angesichts multipler Krisen von der Ukraine bis zum Südsudan groß wie nie.
Die Kartons sind gefüllt mit Hilfsgütern, rund tausend verschiedene Produkte werden hier gelagert. Von Wasseraufbereitungstabletten und Aufbaunahrung für unterernährte Kinder bis hin zu Schulmaterialien – die Vielfalt und die Menge der Vorräte sind beeindruckend. Dennoch werden gerade einmal fünf Prozent der Unicef-Hilfsgüter von Kopenhagen und den anderen Lagern (in Brindisi, Dubai, Guangzhou und Panama-Stadt) aus in die Welt geschickt. Die meisten Lieferungen, wie z. B. Impfstoffe, versenden die Hersteller direkt in die Krisengebiete.
Effizienz ist im Lager in Kopenhagen der Schlüssel zum Erfolg: Moderne Technologien und ein gut abgestimmtes Team sorgen dafür, dass die Lieferketten reibungslos funktionieren. Das Lager ist fast vollständig automatisiert, rund um die Uhr fahren Kräne surrend auf und ab, ein Roboter schlichtet Kartons auf Paletten. Das Packen der Pakete ist hingegen Handarbeit.
An der Packstation werden gerade sogenannte „School Kits“ zusammengestellt. Stifte, Schreibblöcke, Lineale und andere Schulmaterialien werden von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sorgfältig in Kartons gepackt. Jedes der Pakete enthält Unterrichtsmaterialien für 40 Schülerinnen und Schüler für drei Monate. 2000 solcher Pakete werden hier an einem einzelnen Tag gepackt – das reicht für 80.000 Kinder.
72 Stunden Zeit
Maximal 72 Stunden. Länger darf es nicht dauern, bis die Kartons mit dem blauen Unicef-Logo ihr Ziel erreichen. Egal wo auf der Welt, denn in Krisensituationen zählt jede Minute.
„Wir können in der ersten Phase eines Notfalls auf alle Grundbedürfnisse reagieren“, erklärt Susanne Fraisse. Sie ist die Managerin des Warenlagers. Kommt es zu einer unvorhersehbaren Katastrophe wie etwa dem verheerenden Erdbeben in der Türkei und in Syrien im vergangenen Jahr, stehen Notvorräte für 250.000 Menschen für drei Monate bereit, erklärt sie. „In erster Linie sind es medizinische Ausrüstung und Medikamente. Dazu zählen etwa unsere Hebammen-Kits, mit denen 50 Babys zur Welt gebracht werden können.“
Dennoch stößt die Hilfsorganisation immer wieder an ihre Grenzen, wie die Managerin einräumt. Aktuell sei insbesondere die Situation im Jemen „sehr herausfordernd“. Seit 2014 tobt dort ein Krieg, die humanitäre Lage ist katastrophal. Fast jedes der knapp zehn Millionen Kinder im Land ist laut Unicef auf humanitäre Hilfe angewiesen.
„Logistische Herausforderungen vor Ort gepaart mit strikten Vorgaben der Regierung, die alle Hilfsgüter im Vorhinein genehmigen will, machen uns die Arbeit sehr schwer“, erklärt Fraisse. Doch die Anstrengungen zahlen sich aus: „Wir produzieren nach wie vor Gesundheitspakete für die Menschen im Jemen und schaffen es immer noch, sie auszuliefern.“
Diese Erfolge sind es auch, die Susanne Fraisse und ihr Team in Anbetracht der Katastrophen, mit denen sie tagtäglich konfrontiert sind, immer aufs Neue motivieren. „Ich liebe es, Fortschritt zu sehen. Zu sehen, wenn sich etwas bewegt und es funktioniert“, erklärt die Managerin ihre Leidenschaft für ihren Beruf. Besonders prägend seien natürlich die Besuche in den Einsatzgebieten. „Wenn du vor Ort bei den Menschen bist, bist du definitiv bereit, die Extrameile zu gehen.“
Informationen zu Spenden an das Kinderhilfswerk Unicef finden Sie unter unicef.at/meine-spende