Bereits vier Tote bei Hochwasser in Niederösterreich
Das Hochwasser in Niederösterreich hat am Montag drei weitere Tote und somit bereits vier Opfer gefordert. Nach Angaben von Polizeisprecher Johann Baumschlager vom Abend wurde in Klosterneuburg (Bezirk Tulln) ein vorerst Unbekannter geborgen. Ein 70- und ein 80-Jähriger waren in ihren Wohnhäusern gestorben. Bereits am Sonntag war der Tod eines Feuerwehrmannes im Einsatz in Rust im Tullnerfeld in der Gemeinde Michelhausen (Bezirk Tulln) bekannt geworden.
Der Tote in Klosterneuburg wurde laut Baumschlager am späten Montagnachmittag beim Strandbad in Bauchlage im Wasser treibend entdeckt. Es handelte sich um einen 40 bis 50 Jahre alten Mann. Die Todesursache war noch unklar, sagte der Sprecher. Eine Leichenbeschau werde am Mittwoch stattfinden. Die Landespolizeidirektion Niederösterreich ermittelt.
Nach dem Tod eines Feuerwehrmannes in Rust im Tullnerfeld wurde am Montag bekannt, dass in Untergrafendorf in der Gemeinde Böheimkirchen (Bezirk St. Pölten-Land) ein 70- und in Höbersdorf in der Marktgemeinde Sierndorf (Bezirk Korneuburg) ein 80-Jähriger ums Leben gekommen waren. Beide waren in Wohnobjekten den Wassermassen zum Opfer gefallen.
Der Mann in Untergrafendorf war laut dem Polizeisprecher von den Fluten der Perschling überrascht worden. Er wurde demnach erfasst, als er die Tür seines Bauernhauses öffnete. Die Frau des Opfers rettete sich in den ersten Stock. Der 80-Jährige hatte allein gelebt. Er war als abgängig gemeldet. Die Leiche wurde bei Auspumparbeiten im Keller entdeckt.
Die Einsatzkräfte würden "im ganzen Land" kämpfen, teilte LH-Stellvertreter Stephan Pernkopf (ÖVP) der APA mit. Am Nachmittag seien die prognostizierten schweren Regenfälle vor allem im Zentralraum und im Mostviertel eingetreten und niedergegangen. Die Dämme seien vielerorts schon sehr weich und würden brechen. Immer wieder müssten Menschen aus von Wassermassen eingeschlossenen Häusern und Wohnungen gerettet werden. Als Hotspots bezeichnete der Landesvize am frühen Abend das Tullnerfeld, wo Zivilschutzalarm ausgelöst wurde und mehrere Ortschaften evakuiert werden, das Pielachtal sowie das gesamte östliche Mostviertel. Auch am Kamp stiegen die Pegel wieder.
Im südlichen Tullnerfeld wurden Evakuierungen vorsorglich in Rust und auch in Asparn, Langenschönbichl, Neusiedl, Pischelsdorf sowie Kronau vorgenommen. "Wir wollen das Tageslicht nützen", sagte der Ruster Bürgermeister Bernhard Heinl (ÖVP) zu einem Zeitpunkt zur APA, als Helfer noch "von Haus zu Haus" gingen, um die Bewohner zu informieren. Als Grund für die Maßnahme nannte der Ortschef "eine zweite Welle", die erwartet werde. Zudem seien Dämme bereits "schwer beschädigt bzw. zerstört". Der Landesführungsstab teilte mit, dass in Abstimmung der Behörde mit der Gemeinde und der Feuerwehr vorgegangen werde.
Das Rote Kreuz Niederösterreich bereite ein Notquartier in der Messe Tulln für bis zu 1.000 Personen sowie Verpflegung vor, sagte Sprecherin Sonja Kellner. Auch Kriseninterventions-Mitarbeiter standen im Einsatz.
Weiters habe sich die Lage im Mostviertel verschärft, so Pernkopf am Abend. Im Pielachtal wurde mit weiteren 20 Millimetern an Niederschlag bis Mitternacht gerechnet. Im gesamten Mostviertel wurden steigende Pegel registriert, erst in der zweiten Nachthälfte wurde mit dem Abklingen der Niederschläge gerechnet. Ein zunehmendes Problem im Pielachtal und anderen Voralpentälern sind zudem Muren aufgrund der aufgeweichten Hänge. Die Schäden an Güterwegen seien bereits beträchtlich. Mehrere Einzelgehöfte seien dadurch abgeschnitten, erläuterte Pernkopf.
In St. Pölten stieg nach Angaben des Rathauses am Nachmittag das Retentionsbecken am Eisberg stark an. "Es ist mit Überschwemmungen zu rechnen." Nur wenig später wurde gewarnt, dass aufgrund der starken Niederschläge auch das Retentionsbecken am Nadelbach gefüllt sei. Es sei mit Hochwasser u.a. im Bereich Linzer Straße und Schießstattring zu rechnen. Seitens des Magistrats wurde "dringend empfohlen", Sandsäcke vor Eingangstüren, Kellerfenster und sonstige Öffnungen von Häusern zu legen.
Niederösterreich sei "weiter im Krisenmodus", hatte Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) am Montagvormittag nach einer weiteren Lagebesprechung in Tulln gesagt. Die Situation sei "sehr angespannt, sehr kritisch". An die Bevölkerung richtete die Landeshauptfrau den Aufruf, von nicht notwendigen Fahrten Abstand zu nehmen, um sich einerseits nicht selbst zu gefährden und andererseits die Sicherheitskräfte nicht zu behindern.
Die Polizei hatte bereits zuvor "aus gegebenem Anlass" dringend appelliert, bestehende Fahrverbote und Absperrungen im Zusammenhang mit der Hochwassersituation in ganz Niederösterreich "zu beachten und nicht mit Fahrzeugen in gesperrte Gefahrenbereiche einzufahren". Den Anweisungen der Einsatzkräfte sei "unbedingt Folge zu leisten". Nicht zuletzt wies die Landespolizeidirektion Niederösterreich explizit darauf hin, "dass die hochwasserführenden Flüsse nach wie vor lebensgefährliche Bereiche darstellen".
Pernkopf hatte u.a. von zwölf Dammbrüchen berichtet, die Dammwachen würden verstärkt. Zwölf Gemeinden waren nicht erreichbar, 1.800 Objekte sind evakuiert worden. Viele Betroffene seien bei Verwandten untergekommen. 170 Menschen hätten organisierte Unterkünfte benötigt.
Landesfeuerwehrkommandant Dietmar Fahrafellner bezeichnete u.a. den Bereich des Sportzentrums NÖ in St. Pölten als einen weiteren Einsatz-Hotspot neben Hadersdorf am Kamp (Bezirk Krems-Land). In letzterem Ort war auch am Montag ein Black Hawk-Hubschrauber des Bundesheeres im Einsatz, um einen Damm zu sichern. 85 Häuser und 60 Wohnungen blieben nach Angaben der Feuerwehr Krems evakuiert. Es gebe generell Tausende Objekte, die leergepumpt werden müssten, hielt Fahrafellner fest. Fast 800 Menschen seien u.a. mit Hubschraubern gerettet worden.
"Die Schäden sind groß, das menschliche Leid noch größer", sagte Mikl-Leitner bei einem Lokalaugenschein mit Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) und Fahrafellner am Nachmittag in Rust im Tullnerfeld vor der Evakuierung des Ortes. Laut Tanner stehen 400 Soldaten in Niederösterreich im Assistenzeinsatz.
256 Straßen waren am Montagnachmittag im Bundesland gesperrt, teilte der NÖ Straßendienst mit, der mit 1.800 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen im Katastropheneinsatz stand. "Das oberste Gebot derzeit ist es, sichere Wege für die Einsatzkräfte in die Krisenregionen und Gemeinden zu organisieren, damit die Rettungskette funktioniert und der Bevölkerung geholfen werden kann", betonte Verkehrslandesrat LH-Stellvertreter Udo Landbauer (FPÖ). "Jeder Ort soll für die Blaulichtorganisationen zumindest über eine Zufahrt erreichbar sein. Daran arbeiten wir mit Hochdruck", ergänzte Straßenbaudirektor Josef Decker.
Probleme gab es auch bei den öffentlichen Verkehrsmitteln. Die Weststrecke der Bahn zwischen St. Valentin (Bezirk Amstetten) und Wien war gesperrt. Unpassierbar war laut Landbauer u.a. auch die Franz-Josefs-Bahn von Kritzendorf in der Stadtgemeinde Klosterneuburg (Bezirk Tulln) bis Gmünd.
94 Schulen blieben aufgrund der Hochwasserlage am Montag im Bundesland zu. Auch in den kommenden Tagen würden noch Schulen geschlossen oder nur eingeschränkt geöffnet bleiben müssen, teilten Bildungs-Landesrätin Christiane Teschl-Hofmeister (ÖVP) und Bildungsdirektor Karl Fritthum mit.
Aus dem Stausee Ottenstein, wo am Sonntagnachmittag die Hochwasserklappen der Staumauer abgesenkt worden waren, gab es in den Nachmittagsstunden einen kontrollierten Ablauf von 230 Kubikmetern Wasser pro Sekunde. Der Zulauf betrug 240 Kubikmeter pro Sekunde. "Wir puffern immer noch geringe Mengen an Wasser zwischen", sagte EVN-Sprecher Stefan Zach. Zwischenzeitlich sei bei weniger Zulauf erneut Kapazität geschaffen worden, in den Nachmittagsstunden gab es so weiterhin sechs Millionen Kubikmeter freies Volumen. Für die Abendstunden wurde mit einem Zulauf von etwa 320 Kubikmetern in der Sekunde gerechnet.
Indes setzte sich eine Hilfswelle für die Hochwasser-Geschädigten in Gang. Raiffeisen NÖ-Wien stellte 500.000 Euro Soforthilfe zur Verfügung, die Hypo NOE Landesbank 100.000 Euro. Die Arbeiterkammer Niederösterreich verwies in einer Aussendung auf ihre Katastrophenhilfe. Betroffene Mitglieder erhalten bis zu 1.000 Euro zur Unterstützung der Beseitigung von Schäden an Häusern und Wohnungen. Die Wirtschaftskammer Niederösterreich verdoppelt die Unterstützung pro Schadensfall bei Unternehmen auf bis zu 40.000 Euro. Eine Gesamtsumme von 15 Millionen Euro steht laut einer Aussendung zur Verfügung.