Neun Tote und 2750 Verletzte bei Pager-Explosionen im Libanon
Unter den Toten ist auch ein Mädchen. Die Hisbollah macht Israel für die Explosionen verantwortlich und kündigt Vergeltung an.
Beirut – Der Konflikt zwischen Israel und der schiitischen Hisbollah-Miliz spitzt sich weiter zu: Bei mutmaßlich koordinierten Explosionen Hunderter tragbarer Funkempfänger sind im Libanon 8 Menschen getötet und rund 2750 Menschen verletzt worden. Das sagte der libanesische Gesundheitsminister Firas Abiad am Dienstag in der Hauptstadt Beirut. Die Hisbollah machte Israel für die Explosionen der sogenannten Pager verantwortlich und kündigte Vergeltung für die „sündige Aggression“ an.
📽️ Video | Tote und Verletzte durch Explosionen
Israel äußerte sich vorerst offiziell nicht zu den Vorfällen. Der Zustand von rund 200 Verletzten sei kritisch, so Abiad. Die meisten Betroffenen hätten Wunden „im Gesicht, an der Hand, am Bauch oder sogar an den Augen“, erklärte Abiad. Verletzt wurden nach Angaben der radikalislamischen Hisbollah-Miliz auch zahlreiche Mitglieder der Organisation. Unter den Verletzten sollen auch Mitglieder der Elitetruppe Radwan gewesen sein. Zudem sollen hochrangige Hisbollah-Vertreter verletzt worden sein, wie eine der Miliz nahestehende Quelle bestätigte. Örtlichen Medien zufolge trugen auch zwei Leibwächter von Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah Verletzungen davon.
Die Gründe für die zeitgleichen Explosionen der sogenannten Pager würden „umfassend sicherheitspolitisch und wissenschaftlich“ untersucht, erklärte die Organisation. Sie machte Israel verantwortlich und kündigte Vergeltung an. Der „israelische Feind“ sei voll verantwortlich für die „kriminelle Aggression“, hieß es in einer Erklärung der proiranschen Schiitenorgansation auf Telegram. Israel werde eine „gerechte Vergeltung“ für diese „sündige Aggression“ erhalten, hieß es weiter.
Panik in den Straßen Beiruts
Im Raum stand die Vermutung, dass Israel die Geräte als Angriff auf Hisbollah-Kämpfer gezielt zur Explosion gebracht haben könnte. Israels Armee kommentierte die Vorfälle zunächst nicht. Unmittelbar vor den Explosionen hatten israelische Medien über „dramatische Konsultationen“ der politischen Führung berichtet.
In Videos von Überwachungskameras im Libanon war zu sehen, wie es etwa in Supermärkten zu kleineren Explosionen kam. Teils lagen Menschen danach am Boden. Die Explosionen der sogenannten Pager ereigneten sich örtlichen Medien zufolge in den südlichen Vororten Beiruts, wo die Hisbollah besonders stark ist, sowie im Süden des Landes.
Augenzeugen berichteten von Panik in den Straßen Beiruts. Zahlreiche Krankenwagen waren im Einsatz. Das libanesische Gesundheitsministerium rief alle Krankenhäuser zu höchster Alarmbereitschaft auf und forderte die Menschen auf, keine Funkgeräte zu benutzen. Bei den explodierten Geräten soll es sich um tragbare Funkrufempfänger handeln, die auch als Pager bekannt sind. Das Ministerium rief zu Blutspenden auf.
Auch Irans Botschafter im Libanon, Mojtaba Amani, soll Medienberichten zufolge bei der Explosion eines Pagers verletzt worden sein. Dieser habe einem Leibwächter gehört, berichtete die iranische Nachrichtenagentur Tasnim. Zur Beobachtung sei Amani in ein Krankenhaus gebracht worden, hieß es. Die Verletzungen des 61-Jährigen seien aber nur „oberflächlich“ und er sei bei Bewusstsein. Die Hisbollah ist der wichtigste nicht-staatliche Verbündete der Islamischen Republik Iran.
Fast täglich Konfrontationen
Nach fast einem Jahr Dauergefechten zwischen Israel und der Hisbollah mehrten sich zuletzt die Zeichen, dass der Konflikt zu einem offenen Krieg eskalieren könnte. Die Rückkehr der geflüchteten israelischen Bürger in ihre Wohnorte im Norden des Landes zählt nun – neben der Befreiung der Geiseln aus dem Gazastreifen und der Zerstörung der Hamas – zu Israels erklärten Kriegszielen.
Der einzige Weg dahin sei „ein militärischer Einsatz“, sagte Israels Verteidigungsminister Joav Galant bereits am Montag nach Angaben seines Büros bei einem Treffen mit US-Vermittler Amos Hochstein. Die Möglichkeit einer diplomatischen Lösung im Konflikt mit der Hisbollah rücke immer weiter in die Ferne, weil die Miliz ihr Schicksal mit der Hamas im Gazastreifen verbunden habe und sich weigere, den Konflikt zu beenden, sagte er demnach.
Seit Beginn des Gaza-Kriegs vor fast einem Jahr kommt es im Grenzgebiet fast täglich zu Konfrontationen zwischen der Hisbollah und dem israelischen Militär. Auf beiden Seiten gab es infolge des Beschusses Tote – die meisten von ihnen waren Mitglieder der Hisbollah. Erst am Dienstag wurden nach israelischen Angaben bei einem Angriff auf einen Ort im Südlibanon drei Hisbollah-Kämpfer getötet. (APA/dpa/Reuters/AFP)